Entscheidungsdatum: 21.01.2015
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. November 2013 - 18 Sa 366/13 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Mindestbeiträgen zum Urlaubskassensystem des Baugewerbes für die Jahre 2008 und 2009.
Der Kläger ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft, eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten Vorschriften des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV) und des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) in der jeweils geltenden Fassung insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tariflichen Urlaubsvergütung an Arbeitnehmer der Bauwirtschaft zu sichern. Zur Finanzierung seiner Leistungen erhebt er von Arbeitgebern Beiträge. Der Kläger hat die Beklagte, die nicht am Sozialkassenverfahren teilnahm, auf Zahlung von Mindestbeiträgen für den Zeitraum von Januar 2008 bis Dezember 2009 für sieben bis zehn gewerbliche Arbeitnehmer in rechnerisch unumstrittener Höhe von 42.166,72 Euro in Anspruch genommen.
Die im Jahr 2007 gegründete Beklagte ist eine serbische Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ihr Sitz ist Belgrad. Nach ihrer Darstellung ist sie spezialisiert auf die Planung und Durchführung von Montage- und Schweißarbeiten für Kraftwerke und Raffinerien. In H bei Köln unterhält sie eine Niederlassung. Deren Tätigkeit ist in der am 16. Oktober 2009 geänderten Gewerbeanmeldung mit „Industriemontage von Rohrleitungen, Armaturen und Unterstützungen für Dampf-Wasser-Kreislauf von Kraftwerken und Raffinerien“ angegeben.
Von Januar 2008 bis Dezember 2009 entsandte die Beklagte als Subunternehmerin der Firma Z gewerbliche Arbeitnehmer nach Deutschland, die ausschließlich beim Bau der neuen Kraftwerksblöcke in den Kraftwerken Neurath (bei Grevenbroich) und Irsching (in der Nähe von Ingolstadt) eingesetzt wurden. Ausweislich der Zustimmungsbescheide der Bundesagentur für Arbeit, Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV), zu den Aufenthaltstiteln hatten die Werkverträge „Rohrleitungsmontage“ oder „Metallmontage“ zum Gegenstand. Die Aufenthaltstitel wurden für Schweißer, Schlosser und Vorarbeiter erteilt. Die drei als Vorarbeiter eingesetzten Mitarbeiter sind diplomierte Ingenieure im Fachgebiet Maschinenbau.
Die Arbeitnehmer der Beklagten erbrachten Montagearbeiten an den Kesseln der Kraftwerksblöcke, die in einem speziell dafür konstruierten Stahlbaugerüst (Kesselhaus) aufgehängt wurden. Sie montierten überwiegend Rohrleitungen, die nach dem von der Beklagten vorgelegten Leistungsverzeichnis an Sammler/Verteiler, Stationen, Behälter, Pumpen etc. - einschließlich der Ausführung der Anschlussschweißnähte - anzuschließen waren. Zu montieren waren sämtliche Zubehöre, die Lasteinleitungen in den Stahlbau sowie die dazu erforderlichen Unterkonstruktionen, Führungen und Verbindungsmittel zwischen Aufhängung und Stahlbau. Die aus hochlegiertem Stahl bestehenden Rohrleitungen müssen hochgradigen Temperaturen und hohem Druck standhalten.
Die Montagearbeiten an den Kraftwerkskesseln geschahen in fünf Schritten:
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1. |
Transport von Material, teilweise Vormontagen, und Zubehör zum Kraftwerk und am Montageort über Aufzüge und Kräne in Arbeitsposition |
2. |
Montage der Halterungssysteme innerhalb der Kesselkonstruktion |
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3. |
Montage von Rohren, in der Regel von vorgefertigten Rohrleitungsteilen (sog. Spools), diese wurden in den Halterungen (2. Schritt) aufgehängt, anschließend erfolgte die Feinjustierung; zur Vorbereitung des Schweißens (4. Schritt) wurden die Rohrenden bzw. die Anschlussstellen zunächst durch Schellen vorläufig verbunden, die zu verbindenden Stellen - nach Kontrolle des Versatzes - durch einen Drittunternehmer vorgewärmt und sodann „formiert“, dh. die zu schweißenden Verbindungen wurden mit Schutzgas umspült, um die sauerstoffhaltige Atmosphäre während des Schweissvorgangs zu verdrängen; die vorläufigen Verbindungen wurden durch den TÜV sowie durch Vertreter des Kraftwerkeigentümers und des Hauptauftragnehmers abgenommen, die Abnahme wurde dokumentiert; danach wurden die Rohre an markierten Punkten miteinander verbunden (geheftet) |
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4. |
Verschweißen der Rohrenden in Anwesenheit eines Schlossers, der die Schweißtemperatur kontrollierte und eventuelle Schweißfehler durch Abschleifen beseitigte |
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5. |
Ausglühen der Schweißverbindung; danach wurden die Schweißnähte durch Schlosser geschliffen und abschließend durch ein weiteres Drittunternehmen mittels Ultraschall auf mögliche Fehler untersucht |
Die Beklagte verwandte bei den Montagearbeiten ausschließlich von Dritten hergestellte Rohre und Aggregatteile. Sie benutzte eigene Hebeeinrichtungen, Halterungssysteme, Hilfskonstruktionen und sonstige Provisorien und eigene halbautomatische Schweißgeräte. Als Schweißverfahren wurden das Lichtbogenhandschweißen und das Wolfram-Inertgasschweißen angewendet.
Der VTV war in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung vom 5. Dezember 2007 ausweislich der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom 15. Mai 2008 rückwirkend ab dem 1. Januar 2008 für allgemeinverbindlich erklärt worden. Gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV unterfallen Betriebe, in denen Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Bodendurchpressungen ausgeführt werden, dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV. Nach Absatz 5 des Ersten Teils der Bekanntmachung erstreckt sich die AVE nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland, wenn sie überwiegend Tätigkeiten ausüben, die in den vorstehenden Absätzen oder fachlichen Geltungsbereichen aufgeführt sind, soweit diese Tätigkeiten ein Unterfallen unter den jeweiligen fachlichen Geltungsbereich begründen. Im Absatz 1 ist unter anderem der fachliche Geltungsbereich der am 1. Januar 2003 geltenden Mantel- oder Rahmentarifverträge der Metall- und Elektroindustrie aufgeführt.
Der Kläger hat geltend gemacht, die auf den beiden Kraftwerksbaustellen eingesetzten Arbeitnehmer seien als Gesamtheit von Arbeitnehmern iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV eine selbständige Betriebsabteilung, weil sie arbeitszeitlich überwiegend Rohrleitungsbauarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV ausgeführt hätten. Die Betriebsabteilung falle nicht unter den fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie. Die Rohrleitungen seien händisch montiert und mithilfe von klassischen, lediglich halbautomatischen Schweißgeräten verschweißt worden.
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 42.166,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. |
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV sei nicht eröffnet, weil das von den Arbeitnehmern montierte Druckrohrsystem eine eigenständige Funktion innerhalb des Kraftwerks erfülle und integraler Bestandteil dieses „Apparats“ sei. Die Montage von Dampferzeugerdruckteilen in energietechnischen Anlagen dürfe ein ausgebildeter Rohrleitungsbauer nach der einschlägigen EU-Richtlinie nur ausführen, wenn er über erhebliche, nicht bautypische Zusatzqualifikationen verfüge. Als Rohrleitungsbau iSd. VTV qualifizierbare Arbeiten hätten nur ca. 28 % ausgemacht. Arbeitszeitlich überwiegend habe es sich um Industriemontage gehandelt. Dies folge ua. aus der Qualifikation ihrer Arbeitnehmer, der Beschäftigung von diplomierten Ingenieuren, der Zertifizierung der Beklagten für den Kraftwerksbau und ihrer Tätigkeit im industriellen Anlagenbau.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen nach dem VTV.
I. Nach § 1 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 Arbeitnehmerentsendegesetz vom 26. Februar 1996 in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (AEntG aF) bzw. nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 2 AEntG in der ab dem 24. April 2009 geltenden Fassung ist ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland verpflichtet, einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, der nach für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen die Einziehung von Urlaubskassenbeiträgen übertragen ist, diese Beiträge zu leisten, wenn der Betrieb überwiegend Bauleistungen iSv. § 175 Abs. 2 SGB III aF (jetzt § 101 Abs. 2 SGB III) erbringt. Der VTV war im fraglichen Zeitraum allgemeinverbindlich aufgrund der AVE vom 15. Mai 2008 iVm. § 5 TVG und § 1 Abs. 3 Satz 1 AEntG aF bzw. § 8 Abs. 1 Satz 2 AEntG (ab 24. April 2009). Bauleistungen iSv. § 175 Abs. 2 SGB III aF sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (BAG 16. Mai 2012 - 10 AZR 190/11 - Rn. 12, BAGE 141, 299). Die gesetzliche Erstreckung von tarifvertraglichen Normen, die aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung für inländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten, auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und ihre im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags beschäftigten Arbeitnehmer erfasst allerdings nur solche Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, deren Betrieb von einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag des Baugewerbes erfasst wird (BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 500/11 - Rn. 13).
II. Ob die Beklagte unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fällt, weil ihre auf den Kraftwerksbaustellen Neurath und Irsching eingesetzten Mitarbeiter als Gesamtheit von Arbeitnehmern iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV baugewerbliche Arbeiten ausgeführt haben, kann offenbleiben. Denn jedenfalls erfüllt die Beklagte die Voraussetzungen des Ersten Teils Abs. 5 der AVE-Bekanntmachung.
1. Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die auf beiden Kraftwerksbaustellen eingesetzten Arbeitnehmer der Beklagten als Gesamtheit iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV baugewerbliche Arbeiten in Form von Rohrleitungsbauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV ausgeführt haben.
a) Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer der Beklagten auf den Kraftwerksbaustellen Neurath und Irsching im streitgegenständlichen Zeitraum als Gesamtheit eingesetzt waren (vgl. dazu BAG 19. November 2014 - 10 AZR 787/13 - Rn. 16 ff.).
b) Das Landesarbeitsgericht hat allerdings auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Unrecht die Ausführung baugewerblicher Tätigkeiten in Form von Rohrleitungsbauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV verneint.
aa) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt dem Kläger. Sein Sachvortrag ist schlüssig, wenn er Tatsachen vorträgt, die den Schluss zulassen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst (st. Rspr., zuletzt zB BAG 10. September 2014 - 10 AZR 959/13 - Rn. 29 f.).
bb) Nach diesen Maßgaben hat der Kläger schlüssig vorgetragen, dass die Beklagte arbeitszeitlich überwiegend Rohrleitungsbauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV ausgeführt hat.
(1) Der Kläger hat sich bei seinem Vortrag auf die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen bezogen, insbesondere auf das von der Beklagten vorgelegte Leistungsverzeichnis, nach dem die Arbeitnehmer Rohrleitungen aus Edelstahl zu montieren und diese an Sammler/Verteiler, Stationen, Behälter, Pumpen etc. - einschließlich der Ausführung der Anschlussschweißnähte - anzuschließen hatten. Ein Vortrag „ins Blaue hinein“ liegt damit nicht vor.
(2) Bei der Bestimmung des Begriffs des Rohrleitungsbaus in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV kann grundsätzlich nicht zwischen dem Bau oder der Instandhaltung von Versorgungsrohrleitungen einerseits und dem Bau oder der Instandhaltung von Rohrleitungen innerhalb industrieller Anlagen andererseits unterschieden werden.
(a) Die tariflich geforderten Tätigkeiten lassen sich nicht danach einteilen, ob eine bestimmte Rohrleitungskonstruktion mit dazugehörigen Pumpen, Armaturen oä. sich innerhalb einer industriellen Anlage befindet oder ob es sich um Versorgungsrohrleitungen außerhalb einer solchen Anlage handelt. Gerade bei größeren industriellen Anlagen würde eine solche Unterscheidung zu zufälligen Ergebnissen führen. Bei identischen Tätigkeiten würde es vom Ort ihrer Erbringung abhängen, ob sie dem Anwendungsbereich des VTV unterfielen. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff des Rohrleitungsbaus so einschränken und Rohrleitungen in industriellen Anlagen ausnehmen wollten, bietet der VTV nicht.
(b) Stets muss es sich jedoch um Arbeiten an Rohrleitungen oder Rohrleitungssystemen handeln. Arbeiten an anderen Teilen industrieller Anlagen erfüllen die tariflichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV verlangt, dass die Tätigkeiten prägend an Rohrleitungen und den zu diesen gehörenden Aggregaten (wie zB Pumpen) ausgeübt werden und die Arbeiten an sonstigen Anlagenteilen lediglich notwendige Vorbereitungs-, Anschluss- oder sonstige Zusammenhangstätigkeiten darstellen, ohne die die Rohrleitungsbauarbeiten nicht ausgeführt werden können (BAG 17. November 2010 - 10 AZR 845/09 - Rn. 30). Zu den Rohrleitungsbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV gehören dabei alle Arbeiten, die das Verlegen und Montieren von Rohren betreffen, wobei nicht maßgeblich ist, in welchem Verfahren diese Arbeiten durchgeführt werden (BAG 21. Oktober 2009 - 10 AZR 90/09 - Rn. 22). Ebenso wenig kommt es auf das Material an, soweit es sich noch um Rohrleitungen handelt (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 710/09 - Rn. 17). Auch das Verschweißen von Rohrleitungen aus Metall ist als Rohrleitungsbau im Tarifsinn anzusehen. Unerheblich ist, ob die Arbeiten unter- oder oberirdisch durchgeführt werden (vgl. BAG 17. November 2010 - 10 AZR 845/09 - Rn. 25, 28).
(c) Werden Rohrleitungsbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV ausgeführt, sind ihnen diejenigen Tätigkeiten hinzuzurechnen, die zur sachgerechten Ausführung der baulichen Leistung „Rohrleitungsbau“ notwendig sind und daher mit dieser in Zusammenhang stehen (vgl. BAG 17. November 2010 - 10 AZR 845/09 - Rn. 25). Vor-, Neben-, Nach- und Hilfsarbeiten dienen den eigentlichen baulichen Haupttätigkeiten und können ihnen deshalb grundsätzlich zugeordnet werden (BAG 15. Januar 2014 - 10 AZR 669/13 - Rn. 19). Daher hat das Landesarbeitsgericht zu Recht die von der Beklagten vorgenommene zeitanteilige Differenzierung der von den Arbeitnehmern ausgeführten Arbeiten in „Rohrleitungsbau“ mit 28 % und „Industriemontagen“ mit 72 % abgelehnt. Als Zusammenhangstätigkeit sind sowohl das Anbringen der Halterungssysteme innerhalb der Kesselkonstruktion (Schritt 2) anzusehen, wofür die Beklagte einen Zeitanteil von 20 % angegeben hat, als auch die Montage der Rohre bzw. der Spools an den Halterungen, die Feinjustierung und die Heftung der Rohrverbindungen und Rohranschlüsse (Schritt 3), deren Zeitanteil die Beklagte ebenfalls mit 20 % angegeben hat. Insgesamt würden die dem Rohrleitungsbau zuzurechnenden Tätigkeiten 68 % ausmachen und damit arbeitszeitlich überwiegen.
(d) Rohrleitungsbauarbeiten im Tarifsinne liegen nicht vor, wenn die Arbeiten an anderen Anlagenteilen prägend sind und die Tätigkeiten an Rohrleitungen lediglich im Zusammenhang mit dieser prägenden Tätigkeit stehen, wie es zB bei notwendigen Anschlussarbeiten der Fall ist (BAG 17. November 2010 - 10 AZR 845/09 - Rn. 30). Zur Abgrenzung zwischen Rohrleitungsbau und Arbeiten an anderen Anlagenteilen bedarf es daher zunächst der Feststellung, welche Tätigkeiten im Einzelnen in welchem Umfang ausgeübt wurden. Der Senat hat etwa das Vorliegen einer baulichen Leistung iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV (Trocken- und Montagebauarbeiten) verneint für den Fall des Aufbaus und der Montage einer Hochfrequenzkabine für einen Kernspintomografen in einem Krankenhaus, die notwendiger und integraler Bestandteil des medizinischen Geräts und kein eigenständiges Bauwerk oder Bestandteil des Gebäudes ist (BAG 14. Dezember 2011 - 10 AZR 720/10 - Rn. 21). Bei im Einzelfall auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten kann es insbesondere von Bedeutung sein, ob die Tätigkeiten schwerpunktmäßig Qualifikationen eines Berufsbildes aus dem Bereich der industriellen Metallberufe (zB Anlagenmechaniker/in) oder aus dem Bereich der Bauwirtschaft (zB Rohrleitungsbauer/in) erfordern (BAG 17. November 2010 - 10 AZR 845/09 - aaO).
(3) Hiernach hat der Kläger schlüssig vorgetragen, dass die Beklagte auf den Kraftwerksbaustellen Rohrleitungsbauarbeiten ausgeführt hat. Er hat dargelegt, dass in den Kraftwerkskesseln die Rohrleitungen händisch montiert und mithilfe von klassischen, lediglich halbautomatischen Schweißgeräten verschweißt worden seien. Für die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Arbeitnehmer der Beklagten hätten vorwiegend und prägend Tätigkeiten an anderen Anlagenteilen ausgeführt und die Tätigkeiten an Rohrleitungen hätten lediglich im Zusammenhang damit gestanden, fehlt es an hinreichenden Feststellungen.
(a) Die Aufgabe der von der Beklagten entsandten Arbeitnehmer bestand unstreitig darin, Rohrleitungsteile in einem Stahlbaugerüst zu befestigen, zu montieren und sodann zusammenzuschweißen. Das Anbringen der Halterungssysteme innerhalb der Kesselkonstruktion (Schritt 2), an denen die Rohrleitungen während der Montage und des anschließenden Verschweißens aufgehängt werden, die Montage der Rohre bzw. der vorgefertigten Rohrverbindungen (Spools) an den Halterungen, ihre Feinjustierung und die anschließende Heftung der Rohrverbindungen und Rohranschlüsse (Schritt 3) und das Verschweißen der Rohrleitungen (Schritt 4) zur Sicherstellung ihrer extremen Druck- und Temperaturbeständigkeit sind - jedenfalls für sich betrachtet - typische Tätigkeiten eines Rohrleitungsbauers. Damit korrespondieren auch der im Zustimmungsbescheid der ZAV bezeichnete Inhalt der Werkverträge und das in der Gewerbeanmeldung angegebene Tätigkeitsfeld der H Niederlassung der Beklagten. Aufgabe eines Rohrleitungsbauers ist es, Druckrohrleitungen zu bauen, die Wasser, Öl, Gase oder andere Medien dorthin leiten, wo sie benötigt werden. Das Verschweißen ist eine typische Methode der Montage von Bauteilen (BAG 17. November 2010 - 10 AZR 845/09 - Rn. 27 f.). Dass für die Ausführung der von der Beklagten geschuldeten Schweißarbeiten ein spezieller Ausbildungsnachweis erforderlich ist, steht dem nicht entgegen. Durch Absolvieren einer Schweißerprüfung, zB in einer dem Deutschen Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e. V. angeschlossenen Ausbildungsstätte, kann sich auch ein Rohrleitungsbauer zum Rohrschweißer spezialisieren.
(b) Die von den Arbeitnehmern der Beklagten angewendeten Verfahren des Lichtbogenhand- und des Wolfram-Inertgasschweißens mit halbautomatischen Schweißgeräten kommen nicht nur im Kraftwerksbau, sondern auch im allgemeinen Rohrleitungsbau zum Einsatz. Diese Techniken stehen daher der Zuordnung der ausgeübten Tätigkeiten zu den Rohrleitungsbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV nicht entgegen. Wenn die Methode des Verschweißens von Rohrleitungen aus Metall auch außerhalb des Baugewerbes angewandt wird, zB in der Metallindustrie, und dabei dieselben Arbeitsmittel benutzt werden, schließt dies nicht aus, dass es sich um eine typische Arbeitsmethode des Baugewerbes handelt (vgl. BAG 17. November 2010 - 10 AZR 845/09 - Rn. 28).
(c) Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lässt sich nicht entnehmen, dass die Arbeitnehmer der Beklagten vorwiegend und prägend Tätigkeiten an anderen Anlagenteilen ausgeführt haben. Danach hatten die Arbeitnehmer der Beklagten nicht den kompletten Kraftwerkskessel zu bauen, sondern nur die Rohrleitungen zu montieren, die nach dem von der Beklagten vorgelegten Leistungsverzeichnis an Sammler/Verteiler, Stationen, Behälter, Pumpen etc. anzuschließen waren. Das Rohrleitungssystem dient jedenfalls auch dazu, verschiedene Teile einer industriellen Produktionsanlage miteinander zu verbinden und ein klassisches Medium - Wasser - zur Dampferzeugung zu transportieren. Dass die Beklagte keine gelernten Rohrleitungsbauer eingesetzt hat, schließt die Erbringung baulicher Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV ebenfalls nicht aus.
2. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu Recht die Voraussetzungen des Ersten Teils Abs. 5 der AVE-Bekanntmachung bejaht. Seine Annahme, die auf den Kraftwerksbaustellen eingesetzten Arbeitnehmer seien als selbständige Betriebsabteilung iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV von der AVE-Einschränkung erfasst, weil die Betriebsabteilung dem fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie unterfiele, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
a) Das Landesarbeitsgericht hat für den Begriff der selbständigen Betriebsabteilung in der AVE-Bekanntmachung und den darin enthaltenen Regelungen über Einschränkungen zutreffend auf die Gesamtheit von Arbeitnehmern abgestellt (vgl. BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 500/11 - Rn. 22). Es hat auch richtig erkannt, dass aufgrund der Bestimmungen zur Metall- und Elektroindustrie in Nr. 3 im Anhang 1 des Ersten Teils der AVE-Bekanntmachung auch solche Betriebe und Betriebsabteilungen nicht von der Allgemeinverbindlichkeit erfasst sind, die zwar über keine eigene Produktionsstätte verfügen, jedoch Montagen ausführen, die dem fachlichen Geltungsbereich entsprechen.
b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass die Arbeitnehmer der Beklagten im Klagezeitraum Montagen von Rohrleitungen aus Edelstahl ausgeführt haben, die dem fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie entsprechen und ein Unterfallen unter diesen begründen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beurteilung der Frage, ob ein Betrieb dem Handwerk zuzuordnen ist oder ob es sich um einen Industriebetrieb handelt, obliegt dabei in erster Linie den Gerichten der Tatsacheninstanzen; sie haben insoweit einen Beurteilungsspielraum, der nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt (BAG 9. April 2014 - 10 AZR 1085/12 - Rn. 16 mwN). Das Revisionsgericht kann nur nachprüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Begriff selbst verkannt hat, ob die Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob die Beurteilung wegen des Übersehens wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist.
aa) Diesem eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung stand.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat die Begriffe „industriell“ und „handwerklich“ nicht verkannt. Es hat zutreffend darauf abgestellt, dass sich ein Industriebetrieb von einem Handwerksbetrieb typischerweise aufgrund seiner Betriebsgröße, der Anzahl seiner Beschäftigten sowie eines größeren Kapitalbedarfs infolge der Anlagenintensität unterscheidet. Die Industrie ist durch Produktionsanlagen und Produktionsstufen gekennzeichnet. Ein Handwerksbetrieb ist dagegen regelmäßig kleiner und weniger technisiert. Die Arbeiten werden dort überwiegend mit der Hand nach den Methoden des einschlägigen Handwerks und nicht auf Vorrat, sondern für einen bestimmten Kundenkreis ausgeführt. Zwar wird auch in Handwerksbetrieben modernste Technik eingesetzt. Kennzeichnend für Handwerksbetriebe ist jedoch, dass der Einsatz von Maschinen die handwerkliche Tätigkeit unterstützt und sie nicht ersetzt, und dass diese Tätigkeiten in der Regel von Arbeitnehmern mit einer einschlägigen Berufsausbildung ausgeführt werden (BAG 26. März 2013 - 3 AZR 89/11 - Rn. 16; 13. April 2011 - 10 AZR 838/09 - Rn. 22). Des Weiteren ist in einem Handwerksbetrieb typischerweise die Arbeitsteilung nicht so weit fortgeschritten, dass jede einzelne Arbeitskraft nur bestimmte - in der Regel immer wiederkehrende - und eng begrenzte Teilarbeiten auszuführen hat, wie dies in einem Industriebetrieb der Fall ist. Werden jedoch als Folge der Technisierung wesentliche Kenntnisse und Fertigkeiten des betreffenden Handwerks durch den Einsatz von Maschinen entbehrlich und bleibt kein Raum mehr für das handwerkliche Können, liegt eine handwerksmäßige Betriebsform eher fern (BAG 26. März 2013 - 3 AZR 89/11 - aaO).
(2) Die Grenzziehung zwischen einem Industrie- und einem Handwerksbetrieb kann schwierig sein, da es große Handwerksbetriebe mit einer Vielzahl von Mitarbeitern und einem hohen Kapitaleinsatz gibt und andererseits eine auftragsbezogene Fertigung oder fehlende Produktionsstufen nicht generell der Annahme eines Industriebetriebs entgegenstehen. Ob es sich im Einzelfall um einen Handwerks- oder um einen Industriebetrieb handelt, lässt sich deshalb nur im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände unter Berücksichtigung der jeweiligen tariflichen Regelungen ermitteln (BAG 9. April 2014 - 10 AZR 1085/12 - Rn. 15 mwN).
bb) Das Landesarbeitsgericht hat unter Beachtung dieser Grundsätze in vertretbarer Weise angenommen, die Gesamtheit der auf den Kraftwerksbaustellen beschäftigten Arbeitnehmer der Beklagten habe industrielle Arbeiten verrichtet.
(1) Rohrleitungsbauarbeiten können handwerklich ausgeführt werden. Dies zeigt die Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 2. Juni 1999 (BauWiAusbV 1999, BGBl. I S. 1102), die im dazu erlassenen Rahmenlehrplan ua. die Planung des Einbaus einer Druckrohrleitung unter Berücksichtigung der verschiedenen Techniken des grabenlosen Rohrleitungsbaus einschließlich der Anlage und des Ausbaus von unter- und oberirdischen Armaturensituationen benennt.
(2) Handwerkliche Rohrleitungsbauarbeiten im vorbeschriebenen Sinn haben die Arbeitnehmer der Beklagten jedoch nicht verrichtet. Zwar haben sie, was das Landesarbeitsgericht auch berücksichtigt hat, „händisch“ gearbeitet; dies gilt auch für die Schweißer, die mit halbautomatischen, dh. mit der Hand gesteuerten Schweißgeräten gearbeitet haben. Die Aufhängung der Rohre und Spools an den Halterungen, das Zusammenbringen der Rohrenden und ihre Ausrichtung, ihre Heftung und das Abschleifen der Schweißkanten, das Ausglühen sowie das Auf- und Abbauen der Hilfskonstruktionen erfolgten ebenfalls „händisch“. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die handwerkliche Berufsausbildung für die Montage des Druckrohrsystems nicht prägend war. Die Arbeitnehmer der Beklagten in Deutschland hätten nur Teilleistungen mit hohem Spezialisierungsgrad ausgeführt. Sie hätten nur Halbzeuge verarbeitet und kein Produkt fertiggestellt, sondern einen Arbeitsschritt in der Herstellung einer Industrieanlage übernommen, die ihrerseits industriell und nicht handwerklich erstellt worden sei. Der Kraftwerksbau gehöre zum industriellen Anlagenbau, nicht zum Metallbauer- oder Apparatebauer-Handwerk. Damit liege ein arbeitsteiliges Vorgehen mit unterschiedlichen Produktionsstufen vor, was kennzeichnend für Industriebetriebe sei. Das Landesarbeitsgericht hat weiterhin darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit nicht dem Metallhandwerk zugerechnet werden könne, weil die Leistung der Beklagten, das druckbeständige Verbinden von Rohren in Kesselanlagen von Kraftwerken durch Schweißen, nur beim Bau dieser industrieller Anlagen anfalle. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte bei dem Schweißen arbeitsteilig mit anderen Auftragnehmern oder den Herstellern zusammenarbeiten habe müssen. In die entscheidenden Arbeitsschritte - das Heften, das Formieren und das Schweißen der Rohrenden - seien auch Dritte, wie zB der TÜV, eingebunden gewesen. Soweit das Landesarbeitsgericht hieraus den Schluss gezogen hat, die Beklagte habe keine handwerkliche Leistung erbracht, hält sich dies in dem Beurteilungsspielraum, der dem Berufungsgericht zusteht.
III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Linck |
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W. Reinfelder |
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Brune |
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Trümner |
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Rigo Züfle |