Entscheidungsdatum: 03.12.2014
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. August 2014 - 21 Ta 1244/14 - aufgehoben.
2. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. Mai 2014 - 56 Ca 4123/14 - abgeändert:
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert wird auf 82.317,97 Euro festgesetzt.
I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. April 1996 beschäftigt, zuletzt als „Executive Director“ auf Grundlage des Vertrags vom 26. November 2012 („Service Contract for Executive Directors“) nebst einer zeitgleich abgeschlossenen Ergänzungsvereinbarung. Seine durchschnittliche monatliche Vergütung betrug 30.869,24 Euro brutto zuzüglich Aktien-Optionsrechten. Am 18. Januar 2011 wurde der Kläger durch Gesellschafterbeschluss mit sofortiger Wirkung zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt und am 15. Februar 2011 als solcher ins Handelsregister eingetragen.
Die Beklagte ist im Bereich Unternehmensberatung tätig und beschäftigt in Deutschland etwa 3.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist die A H GmbH & Co. KG, deren Geschäfte durch die A M GmbH geführt werden. Neben dem Kläger sind für die Beklagte 98 weitere Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer bestellt, darunter auch sechs von sieben Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der A M GmbH. Die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer (seit Ende 2012 „Managing Directors“ genannt) sind, abhängig von ihrem konkreten Verantwortungs- und Tätigkeitsbereich, einem bestimmten „Career Level“ zugeordnet. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 9./22. Juli 2003 wird die Beklagte durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinschaftlich mit einem Prokuristen vertreten.
Bis Januar 2001 firmierte die Beklagte als An Unternehmensberatung GmbH und war bis zum geplanten Börsengang ihrer damaligen Konzernmutter im Mai 2001 partnerschaftlich organisiert. Die für die Beklagte tätigen deutschen Partnerinnen und Partner hielten die Geschäftsanteile zunächst als Gesellschafterinnen und Gesellschafter der „Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Partner von An Unternehmensberatung GmbH“ und später mittelbar als Gesellschafterinnen und Gesellschafter der AC Ho C.V. Gleichzeitig waren sie Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Beklagten und erhielten ihren Anteil am Gewinn als Geschäftsführergehalt ausbezahlt. Nach der Auflösung der partnerschaftlichen Struktur blieben die ehemaligen Partnerinnen und Partner weiterhin Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Beklagten. Es wurde ein neues „Career-Level-System“ eingeführt und die ehemaligen Partnerinnen und Partner wurden als „Senior Executives“ (jetzt: „Managing Director“) den Leveln 1 bis 3 zugeordnet. Seit Ende 2012 stellt die Beklagte jedenfalls „Managing Directors“ der Career Level 1 bis 3 nur als Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer ein. Der Kläger war dem Level 3 zugeordnet.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2014 kündigte die Beklagte aufgrund Gesellschafterbeschlusses vom 24. Februar 2014 das Vertragsverhältnis mit dem Kläger zum 31. August 2014 und verzichtete auf das in der Ergänzungsvereinbarung vom 26. November 2012 vereinbarte Wettbewerbsverbot. Eine Abberufung des Klägers als Geschäftsführer erfolgte nicht.
Mit der am 20. März 2014 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, der Beklagten am 3. April 2014 zugestellten Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung vom 25. Februar 2014 und begehrt ua. die Feststellung, sich seit dem 1. Dezember 2012 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu befinden. Hilfsweise verlangt er Zahlung der vereinbarten Karenzentschädigung bis Ende Februar 2015.
Der Kläger ließ mit Schriftsatz vom 20. Juni 2014 im vorliegenden Rechtsstreit durch seine Prozessbevollmächtigten die Niederlegung seines Amtes als Geschäftsführer erklären. Mit Schreiben vom 27. August 2014, zugegangen am Folgetag, legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer der Beklagten gegenüber der A H GmbH & Co. KG, vertreten durch die A M GmbH, mit sofortiger Wirkung nieder. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 12. September 2014 „vorsorglich erneut ein etwaig noch zwischen der A GmbH und Ihnen bestehendes Anstellungsverhältnis außerordentlich und fristlos sowie höchstvorsorglich und hilfsweise auch ordentlich und fristgerecht zum 31. März 2015“.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei gegeben. Er sei weisungsgebunden in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingebunden gewesen. Zur organschaftlichen Vertretung im Innenverhältnis seien nur die Geschäftsführer der Level 1 und 2, nicht hingegen die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Level 3 und 4 befugt. Seine Bestellung zum Geschäftsführer sei offensichtlich rechtsmissbräuchlich erfolgt. Die Beklagte bestelle alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Managementebene (Level 3 und 4) zu Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern, um ua. die Anwendbarkeit des Arbeitsgerichtsgesetzes und des Kündigungsschutzgesetzes auszuschließen. Gleiches gelte für die unterbliebene Abberufung als Geschäftsführer. Das Interesse der Beklagten an der Beibehaltung seiner Geschäftsführerstellung bestehe allein in der Erschwerung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten. Abgesehen davon greife die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht mehr ein, weil er kein Organvertreter mehr sei. Schon seine schriftsätzliche Erklärung vom 20. Juni 2014 sei der Gesellschafterversammlung der Beklagten zugegangen. Jedenfalls habe er am 27. August 2014 sein Amt wirksam niedergelegt.
Der Kläger hat beantragt:
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1. |
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 1. Dezember 2012 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. |
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2. |
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten durch die Kündigung vom 25. Februar 2014 nicht zum 31. August 2014 aufgelöst werden wird. |
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3. |
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. August 2014 hinaus fortbesteht. |
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Hilfsweise, für den Fall des Scheiterns der Klageanträge zu 2. und 3.: |
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4. |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 28. Februar 2015 insgesamt 58.950,00 Euro brutto nebst Zinsen wie folgt zu zahlen: |
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a) |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 30. September 2014 9.825,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Oktober 2014 zu zahlen. |
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b) |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 31. Oktober 2014 9.825,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. November 2014 zu zahlen. |
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c) |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 30. November 2014 9.825,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Dezember 2014 zu zahlen. |
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d) |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 31. Dezember 2014 9.825,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Januar 2015 zu zahlen. |
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e) |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 31. Januar 2015 9.825,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Februar 2015 zu zahlen. |
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f) |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 28. Februar 2015 9.825,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. März 2015 zu zahlen. |
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5. |
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als „Executive Director“ mit einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung in Höhe von 30.869,24 Euro brutto bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen. |
Die Beklagte hat die Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs gerügt und die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Berlin, Kammer für Handelssachen, beantragt. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer; jedenfalls greife die Sperrwirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ein. Mit der Erklärung vom 20. Juni 2014 habe der Kläger sein Amt als Geschäftsführer nicht wirksam niedergelegt, weil er die Amtsniederlegung nicht gegenüber der zuständigen Gesellschafterversammlung erklärt habe. Außerdem berühre die nachträgliche Beendigung der Organstellung die einmal begründete Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht. Die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer sei auch nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt. Die hohe Anzahl der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer erkläre sich vielmehr aus ihrer partnerschaftlich geprägten Historie und ihrer Kundenausrichtung als Beratungsunternehmen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger weiterhin, den Rechtsweg zu dem Arbeitsgericht für zulässig zu erklären.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG.
a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. In Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit gelten jedoch nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig.
b) Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Sie soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen (vgl. BAG 20. August 2003 - 5 AZB 79/02 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 107, 165). Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen, solange die Fiktion Wirkung entfaltet (BAG 23. August 2011 - 10 AZB 51/10 - Rn. 12 mwN, BAGE 139, 63).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zulässig.
a) Die Klage enthält - soweit sie unbedingt erhoben ist - ausschließlich Klageanträge, die nur dann begründet sein können, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist und nach wirksamer Beendigung der Organstellung als solches fortbestand oder wieder auflebte. In diesen Fällen (sic-non-Fälle) eröffnet bei streitiger Tatsachengrundlage die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten (BAG 15. November 2013 - 10 AZB 28/13 - Rn. 21 mwN).
aa) Mit dem Antrag zu 1. begehrt der Kläger die Feststellung, dass er sich seit einem bestimmten Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis befindet. Mit den Feststellungsanträgen zu 2. und 3. macht der Kläger den Fortbestand dieses Arbeitsverhältnisses geltend, mit dem Antrag zu 5. begehrt er seine vorläufige Weiterbeschäftigung.
bb) Der nur für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 2. und 3. angekündigte Klageantrag zu 4. kann hingegen unabhängig davon Erfolg haben, ob sich der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten befunden hat oder ob zwischen den Parteien ein freies Dienstverhältnis bestand. Solange der Hauptantrag rechtshängig ist, muss die Rechtswegfrage aber einheitlich beantwortet werden, da sich das hilfsweise geltend gemachte Begehren nicht abtrennen lässt. Solange der Hauptantrag rechtshängig ist, bestimmt sich die Zuständigkeit für die gesamte Klage deshalb allein nach diesem (vgl. BAG 11. Juli 1975 - 5 AZR 546/74 - zu 4 der Gründe; BGH 8. Juli 1981 - IVb ARZ 532/81 - zu II 2 der Gründe [zum Bestimmungsverfahren nach § 36 Nr. 6 ZPO]; Düwell/Lipke/Krasshöfer 3. Aufl. § 2 Rn. 25; Musielak/Foerste ZPO 11. Aufl. § 281 Rn. 7). Kommt es zur Entscheidung über den Hilfsantrag, ist insoweit vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden. Ein vorhergehender Beschluss über die Zulässigkeit des Rechtswegs für den Hauptantrag entfaltet keine Bindungswirkung (OVG Münster 30. November 1992 - 23 A 1471/90 - zu II der Gründe; Thomas/Putzo/Reichold 35. Aufl. § 260 Rn. 17; Zöller/Lückemann ZPO 30. Aufl. § 17a GVG Rn. 13a).
b) Nach der Beendigung der Organstellung und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen berufen, über diese arbeitsrechtlichen Streitgegenstände zu entscheiden.
aa) Wird ein zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht noch bestellter Geschäftsführer vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit abberufen, begründet dies in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen. Gleiches gilt, wenn der Geschäftsführer bis zu diesem Zeitpunkt wirksam sein Amt niederlegt. Damit entfällt die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG (BAG 22. Oktober 2014 - 10 AZB 46/14 - Rn. 26 ff.).
(1) Nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen richtet sich die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs zunächst nach den tatsächlichen Umständen zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit (MüKoZPO/Zimmermann 4. Aufl. § 17a GVG Rn. 8; Kissel/Mayer GVG 7. Aufl. § 17 Rn. 9 f.). Nachträgliche Veränderungen führen grundsätzlich nicht zum Verlust des einmal gegebenen Rechtswegs. Dieser in § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG enthaltene Grundsatz der perpetuatio fori gilt jedoch nur rechtswegerhaltend. Alle bis zur letzten Tatsachenverhandlung eintretenden Umstände, welche die zunächst bestehende Unzulässigkeit des Rechtswegs beseitigen, sind dagegen zu berücksichtigen, sofern nicht vorher ein (rechtskräftiger) Verweisungsbeschluss ergeht (Kissel NJW 1991, 945, 948 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 72. Aufl. § 17 GVG Rn. 3, § 261 ZPO Rn. 31; MüKoZPO/Zimmermann § 17 GVG Rn. 6; Musielak/Wittschier ZPO § 17 GVG Rn. 4; PG/Bitz 5. Aufl. § 17 GVG Rn. 7; Stein/Jonas/Jacobs 22. Aufl. § 17 GVG Rn. 12; Thomas/Putzo/Hüßtege § 17 GVG Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Schreiber 3. Aufl. § 17 GVG Rn. 4; Zöller/Lückemann ZPO § 17 GVG Rn. 2). Wird vorab gemäß § 17a Abs. 3 GVG über die Rechtswegzuständigkeit entschieden, sind spätere zuständigkeitsbegründende Veränderungen auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 GVG zu berücksichtigen, wenn sie dort zulässigerweise eingeführt werden können (BGH 18. Mai 1995 - I ZB 22/94 - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 130, 13; Zöller/Lückemann aaO). Dies dient vor allem der Prozessökonomie (Kissel NJW 1991, 945, 948; Wieczorek/Schütze/Schreiber aaO; Zöller/Lückemann aaO) und soll vermeiden, dass ein Rechtsstreit verwiesen wird, auch wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs die Zuständigkeit des entscheidenden Gerichts begründet ist. Die veränderten zuständigkeitsrelevanten Umstände können damit dazu führen, dass ein ursprünglich begründeter Verweisungsantrag unbegründet wird (MüKoZPO/Becker-Eberhard § 261 Rn. 80; zur Möglichkeit der Erledigungserklärung in einem solchen Fall: BGH 11. Januar 2001 - V ZB 40/99 - zu II 1 der Gründe).
(2) Soweit der Senat die Auffassung vertreten hatte, es komme für das Eingreifen der Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausschließlich auf die Umstände zum Zeitpunkt der Klageerhebung an (vgl. BAG 15. November 2013 - 10 AZB 28/13 - Rn. 23; 26. Oktober 2012 - 10 AZB 55/12 - Rn. 23), hat er hieran nicht mehr festgehalten (BAG 22. Oktober 2014 - 10 AZB 46/14 - Rn. 28). Zwar ist dieser Zeitpunkt zunächst entscheidend für die Bestimmung des zuständigen Gerichts und geeignet, rechtssicher festzustellen, ob § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen entgegensteht. Eine Durchbrechung der allgemeinen Grundsätze über die Berücksichtigung zuständigkeitsbegründender Umstände rechtfertigt dies jedoch nicht und eine solche gibt § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch nicht vor. Die Abberufung als Geschäftsführer oder dessen Amtsniederlegung lassen sich auch zu jedem späteren Zeitpunkt sicher feststellen. Das ausschließliche Abstellen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung eröffnet dagegen die Möglichkeit einer Manipulation. Käme es allein auf diesen Zeitpunkt an, hätten es die Gesellschafter nach einer Kündigung in der Hand, durch ein Hinausschieben der Abberufungsentscheidung eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch in den Fällen auszuschließen, in denen unzweifelhaft ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Der Kläger hat nämlich in einem solchen Fall gemäß § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage zu erheben, um den Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 KSchG zu verhindern. Die nachträgliche Berücksichtigung von Umständen, welche die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs erst begründen, verhindert im Übrigen bei mehreren nacheinander erklärten Kündigungen regelmäßig auch eine Aufspaltung der Zuständigkeit in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Abberufung des Geschäftsführers.
bb) Nach diesen Grundsätzen ist hinsichtlich der Hauptanträge der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage am 3. April 2014 war der Kläger zwar noch Geschäftsführer der Beklagten. Er hat jedoch vor der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde durch Erklärung vom 27. August 2014 mit deren Zugang am 28. August 2014 sein Amt niedergelegt.
(1) Bei der Amtsniederlegung handelt es sich um eine formfreie, einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die grundsätzlich jederzeit und fristlos erfolgen kann (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck GmbHG 20. Aufl. § 38 Rn. 86; Altmeppen in Roth/Altmeppen GmbHG 7. Aufl. § 38 Rn. 75). Unbeschadet möglicher abweichender (gesellschafts-)vertraglicher Regelungen genügt es für den Zugang der Amtsniederlegungserklärung, wenn die Erklärung einem der Gesellschafter oder im Fall einer juristischen Person einem der gesetzlichen Vertreter zugeht (BGH 17. September 2001 - II ZR 378/99 - zu 1 der Gründe, BGHZ 149, 28). Ob im Einzelfall ein wichtiger Grund für die Amtsniederlegung objektiv gegeben ist, spielt für deren sofortige Wirksamkeit keine Rolle (BGH 8. Februar 1993 - II ZR 58/92 - zu 2 b bb der Gründe, BGHZ 121, 257). Mit dem Zugang der Erklärung über die Amtsniederlegung bei den Gesellschaftern einer GmbH endet das Amt als Geschäftsführer, ohne dass es auf die Eintragung ins Handelsregister ankommt. Diese wirkt ebenso wie im Fall der Abberufung nur deklaratorisch (Altmeppen in Roth/Altmeppen aaO). Die fehlende Eintragung beeinträchtigt deshalb die Wirksamkeit der Niederlegung nicht (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck aaO und § 39 Rn. 24).
(2) Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Landesarbeitsgerichts zutrifft, wonach die mit Schriftsatz vom 20. Juni 2014 erfolgte Amtsniederlegung mangels Zugang bei der Alleingesellschafterin der Beklagten keine Wirkung entfalten konnte, denn der Kläger hat jedenfalls durch seine Erklärung vom 27. August 2014, zugegangen am 28. August 2014, sein Amt gegenüber einem gesetzlichen Vertreter der Gesellschafterin der Beklagten mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Diese Tatsache ist zwischen den Parteien unstreitig und kann deshalb auch im Rechtsbeschwerdeverfahren noch Berücksichtigung finden (zu den Grenzen: BAG 5. November 2003 - 10 AZB 59/03 - zu 2 c der Gründe; vgl. zum Revisionsverfahren zB BAG 12. November 2013 - 9 AZR 646/12 - Rn. 16; 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06 - Rn. 29, BAGE 121, 309 [zur Berücksichtigungsfähigkeit prozessualer Tatsachen im Revisionsverfahren]). Der Gesellschaftsvertrag vom 9./22. Juli 2003 enthält keine entgegenstehenden Bestimmungen. Damit kann die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht mehr greifen und die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben. Auf die weiteren von den Parteien und vom Landesarbeitsgericht aufgeworfenen Fragestellungen kommt es deshalb für die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht mehr an.
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Linck |
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Brune |
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W. Reinfelder |
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