Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 08.07.2014


BVerwG 08.07.2014 - 1 WNB 2/14

Inhalt des qualifizierten Zeugnisses eines Soldaten


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
1. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
08.07.2014
Aktenzeichen:
1 WNB 2/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Truppendienstgericht Süd, 24. Februar 2014, Az: S 4 RL 1/14 (S 4 BLa 12/13), Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Zum Inhalt des Dienstzeugnisses eines Soldaten im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 2 SG.

Gründe

1

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2

Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet. Wird der Beschluss des Truppendienstgerichts - wie hier - sowohl dem Beschwerdeführer als auch dem Bevollmächtigten zugestellt, richtet sich die Berechnung der in § 22a Abs. 4 WBO geregelten Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung (vgl. dazu im Einzelnen: Beschluss vom 17. Dezember 2013 - BVerwG 1 WRB 2.12 und 1 WRB 3.12 - Rn. 31 ff. ). Ausgehend von der zuletzt bei dem Bevollmächtigten am 4. März 2014 bewirkten Zustellung ist die Einlegungs- und Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde gewahrt. Der Antrag des Bevollmächtigten auf "Wiedereinsetzung" vom 2. April 2014 ist daher gegenstandslos.

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2. Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg.

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Der Sache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO) nicht zu.

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a) Nach ständiger Rechtsprechung der Wehrdienstsenate des Bundesverwaltungsgerichts unterliegt die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO denselben Anforderungen, wie sie von den Revisionssenaten des Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gestellt werden (Beschlüsse vom 1. Juli 2009 - BVerwG 1 WNB 1.09 - Buchholz 450.1 § 22a WBO Nr. 1 = NZWehrr 2009, 258, vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 WNB 7.10 - Buchholz 450.1 § 22b WBO Nr. 2 Rn. 9 = NZWehrr 2010, 252 und vom 21. Januar 2011 - BVerwG 1 WNB 1.11 -). Wird die Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - auf die grundsätzliche Bedeutung der Beschwerdesache gestützt, muss in der Beschwerdebegründung dargelegt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu erwarten ist.

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b) Die Beschwerde bezeichnet als grundsätzlich bedeutsam die Frage,

ob § 32 Abs. 1 SG sowie die ihn konkretisierenden Vorschriften der Anlage 23 der ZDv 20/6 so zu verstehen und auszulegen sind, dass für die Erstellung eines abschließenden Dienstzeugnisses lediglich die letzten planmäßigen Beurteilungen eines Soldaten heranzuziehen sind.

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Soweit die Beschwerde diese Grundsatzrüge auf die Auslegung der Vorschriften der Anlage 23 der ZDv 20/6 bezieht, rechtfertigt sich daraus nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil die insoweit aufgeworfene Frage die Auslegung von Bestimmungen betrifft, bei denen es sich nicht um Rechtsnormen, sondern um Verwaltungsvorschriften handelt. Die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift ist aber keine Rechtsfrage, die einer Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren zugänglich ist (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 17. September 2013 - BVerwG 1 WNB 3.13 - Rn. 7 und vom 3. Januar 2014 - BVerwG 1 WNB 4.13 - Rn. 3).

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Soweit die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage auf die Auslegung des § 32 Abs. 1 SG abstellt, ist bereits zweifelhaft, ob sie sich nach der Entscheidung des Truppendienstgerichts mit diesem Inhalt stellt, ob sie also in dem angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren erheblich wäre. Denn das Truppendienstgericht hat in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich eine "vergangenheitsbezogene Gesamtbetrachtung" als Ausgangspunkt der Erstellung eines Dienstzeugnisses fixiert und dazu für den Einzelfall des Antragstellers ausgeführt, dass der Inhalt seines Dienstzeugnisses im Hinblick auf die eingeschränkte persönliche Kenntnis der Zeugnisverfasserin von den dienstlichen Leistungen des Antragstellers "vorwiegend an den vorliegenden Beurteilungen und Informationen Dritter zu orientieren" gewesen sei.

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Jedenfalls lässt sich die aufgeworfene Frage unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens beantworten.

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§ 32 Abs. 1 Satz 2 SG regelt den Anspruch eines Soldaten auf Erteilung eines qualifizierten Dienstzeugnisses, das nicht nur - wie das sogenannte einfache Dienstzeugnis im Sinne des Beamtenrechts - über Art und Dauer der wesentlichen von ihm bekleideten Dienststellungen Auskunft gibt, sondern zusätzlich über seine Führung, seine Tätigkeit und seine Leistung im Dienst. Zu den im Wesentlichen gleichlautenden beamtenrechtlichen Vorschriften über das Dienstzeugnis (bis zum 11. Februar 2009 in § 92 BBG; seit dem 12. Februar 2009 in § 85 BBG) ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgendes geklärt:

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Das qualifizierte Dienstzeugnis nach § 85 Satz 2 BBG bzw. § 92 Satz 2 BBG ist grundsätzlich zur Information möglicher künftiger Arbeitgeber oder neuer Dienstherren bestimmt. Durch diesen Zweck, der außerhalb des Beamtenverhältnisses liegt, für das es ausgestellt wird, unterscheidet sich das Dienstzeugnis grundlegend von der dienstlichen Beurteilung. Zweck des qualifizierten Dienstzeugnisses ist, dem ausgeschiedenen Beamten in Erfüllung der Fürsorgepflicht den Anschluss an eine künftige berufliche Tätigkeit zu vermitteln. Das Dienstzeugnis muss daher aufgrund der nachwirkenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn wohlwollend sein, um dem ehemaligen Beamten den Weg in ein neues Arbeitsleben nicht unnötig zu erschweren. Andererseits dient es der Unterrichtung eines Dritten, der die Einstellung des ehemaligen Beamten erwägt, und muss daher wahr sein. Unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht und der Wahrheitspflicht hat das Dienstzeugnis die wesentlichen Tatsachen und Bewertungen zu enthalten, an denen Dritte ein berechtigtes und verständiges Interesse haben, um ein zutreffendes Bild von der Gesamtpersönlichkeit des ehemaligen Beamten zu erhalten. Wesentliche Angaben - unabhängig davon, ob sie für den Beamten günstig oder nachteilig sind - dürfen nicht verschwiegen werden. Falsche Angaben oder wesentliche Auslassungen im qualifizierten Dienstzeugnis können, soweit der neue Arbeitgeber darauf vertraut hat, gegenüber dem früheren Arbeitgeber Schadensersatzansprüche auslösen. Das bedeutet, dass ungünstige Tatsachen zwar wahrheitsgemäß dargestellt werden müssen, aber nur in dem Umfang und in der Ausführlichkeit, wie es das berechtigte Informationsbedürfnis eines künftigen Arbeitgebers oder Dienstherrn erfordert. Im Rahmen dieser Vorgaben ist dem für die Erteilung des qualifizierten Dienstzeugnisses zuständigen Dienstvorgesetzten eine ihm vorbehaltene Beurteilungsermächtigung eingeräumt, die einer beschränkten verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegt (Urteil vom 23. November 1995 - BVerwG 2 A 2.94 - Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 21 = juris Rn. 14, 15 m.w.N.). Den Beurteilungsspielraum, der dem für die Erteilung des qualifizierten Dienstzeugnisses zuständigen Dienstvorgesetzten eingeräumt ist, hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont und dabei unterstrichen, dass ein qualifiziertes Dienstzeugnis alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten muss, durch die Dritten ein zutreffendes Bild von der Gesamtpersönlichkeit des Beamten vermittelt werden kann (Beschluss vom 2. Mai 1988 - BVerwG 2 CB 48.87 - Buchholz 237.7 § 104 NWLBG Nr. 4 = juris Rn. 3; zum Beurteilungsspielraum bereits: Urteil vom 26. Januar 1961 - BVerwG 2 C 45.59 - BVerwGE 12, 29 <34>). Bei der Darstellung der Leistungen des Beamten hat der Verfasser des Dienstzeugnisses eine etwa hervorgetretene Eignung für ein bestimmtes Fachgebiet, überdies auch etwaige auffallende positive Eigenschaften allgemeiner Art - wie Fleiß, Verantwortungsbewusstsein oder Gründlichkeit -, die sich dauerhaft im Dienst gezeigt haben, zu erwähnen, auch wenn sie die Einzelbewertungen oder die Gesamtbewertung nicht beeinflusst haben sollten. Andererseits können negative Eigenschaften, die sich als hervorstechend erwiesen haben, nicht unerwähnt bleiben (Urteil vom 26. Januar 1961 a.a.O. S. 32).

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Hiernach sind in ein qualifiziertes Dienstzeugnis alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen einzubeziehen, durch die einem Dritten ein zutreffendes Bild von der Gesamtpersönlichkeit des Beamten gegeben werden kann. Die Entscheidung, welche Tatsachen und Bewertungen insoweit "wesentlich" sind, und die Gewichtung und Gesamtbewertung der Leistung obliegen aber dem für die Erteilung des qualifizierten Dienstzeugnisses zuständigen Dienstvorgesetzten im Rahmen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums.

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Da § 32 Abs. 1 Satz 2 SG inhaltlich den beamtenrechtlichen Vorschriften über das Dienstzeugnis entspricht, sind die vorstehend ausgeführten Grundsätze auch für das qualifizierte Dienstzeugnis eines Soldaten maßgeblich.

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Ob das dem Beschwerdeführer erteilte qualifizierte Dienstzeugnis uneingeschränkt den Anforderungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 SG mit den in der Rechtsprechung entwickelnden Maßgaben genügt, kann nur unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalles beantwortet werden. Einer rechtsgrundsätzlichen Klärung ist diese Frage hingegen nicht zugänglich.