Entscheidungsdatum: 26.10.2016
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass Soldaten während eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens oder eines strafrechtlichen Ermittlungs- oder Gerichtsverfahrens außer in Härtefällen grundsätzlich nicht gefördert werden.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Aufhebung seiner Versetzung zum Offizierlehrgang.
Der ... geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit mit einer festgesetzten Dienstzeit von derzeit vier Jahren, die am 30. Juni ... endet. Er trat am 1. Juli 2015 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Bundeswehr ein. Zuletzt wurde er mit Wirkung vom 1. Januar ... zum Obergefreiten (OA) befördert.
Der Antragsteller absolvierte nach seiner Einstellung die Grundausbildung bei der 7./... in .... Mit Verfügung vom 20. August 2015 versetzte ihn das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (im Folgenden: Bundesamt für das Personalmanagement) zum 24. September 2015 für die Teilnahme am Offizierlehrgang der Offizieranwärter des Truppendienstes der ... (Lehrgang Nr. ...) zur 1./... der ... in ....
Während des Lehrgangs hatte der Antragsteller Kontakt zu einer Lehrgangskameradin, der (damaligen) Gefreiten (OA) ..., mit der er im Zeitraum vom 17. Januar bis 5. Februar 2016 rund 450 Nachrichten teils unverfänglichen, teils erotischen Inhalts über WhatsApp austauschte. Die Lehrgangskameradin beschuldigt den Antragsteller, mit ihr in den frühen Morgenstunden des 7. Februar 2016 in ihrer Stube in der dienstlichen Unterkunft gegen ihren Willen Geschlechtsverkehr ausgeübt zu haben.
Dem Antragsteller wurde am 10. Februar 2016 durch den ...chef der 1./... der ... bis auf Weiteres die Ausübung des Dienstes verboten. Hiergegen hat der Antragsteller unter dem 7. März 2016 Beschwerde erhoben, die der Kommandeur der I. ... der ... der ... mit Bescheid vom 4. April 2016 zurückwies. Über die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 15. Juni 2016 ist noch nicht entschieden.
Wegen der strafrechtlichen Ermittlungen wurde die Sache am 11. Februar 2016 an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Mit Schreiben vom 4. März 2016 beantragte der ...chef der 1./... der ... außerdem beim Bundesamt für das Personalmanagement die fristlose Entlassung des Antragstellers gemäß § 55 Abs. 5 SG.
Mit Verfügung vom 24. März 2016 versetzte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antragsteller zum 30. März 2016 von der 1./... der ... zur 2./... in .... Von dort wurde er mit Verfügung vom 29. September 2016 für die Zeit vom 30. September bis 31. Dezember 2016 zur Dienstleistung zur 7./... in ... kommandiert.
Mit Schreiben vom 30. März 2016 teilte das Bundesamt für das Personalmanagement dem Antragsteller mit, dass bis zum Abschluss des straf- bzw. disziplinarrechtlichen Verfahrens eine Förderung grundsätzlich ausgeschlossen sei. Es sei geplant, ihn zunächst in den ... Offizierlehrgang der Offizieranwärter des Truppendienstes der ... mit Lehrgangsbeginn im ... zu überführen. Der Antragsteller werde hierzu der ... zugeordnet. Über den Antrag auf fristlose Entlassung werde nach Ausgang der gegen den Antragsteller anhängigen Verfahren entschieden.
Am 29. April 2016 stellte die Staatsanwaltschaft ... das Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen Vergewaltigung/sexueller Nötigung gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, weil ein Tatnachweis gegen ihn nicht mit der für die Anklageerhebung notwendigen Sicherheit zu führen sei. Dem Antragsteller könne nicht nachgewiesen werden, dass er vorsätzlich gegen den Willen der Geschädigten gehandelt habe.
Mit Schreiben vom 31. Mai 2016 teilte das Bundesamt für das Personalmanagement der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des ...kommandos mit, dass eine Entlassung des Antragstellers wegen charakterlicher Nichteignung gemäß § 55 Abs. 4 SG nicht erfolge. Der Kommandierende General des ...kommandos leitete daraufhin mit Verfügung vom 8. Juli 2016 gemäß §§ 93, 94 WDO ein gerichtliches Disziplinarverfahren ein. Dem Antragsteller wird dabei folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
"Sie legten sich am 7. Februar 2016 zu einem nicht näher zu ermittelnden Zeitpunkt in der Zeit zwischen 02:00 Uhr und 06:00 Uhr in der Stube ... im Gebäude ... - ..., Offizierschule der ..., ..., zu der schlafenden Zeugin Obergefreiter (OA) ... ins Bett, schoben ihren Slip zur Seite, drangen mit Ihrem Penis von hinten vaginal in sie ein und übten für mehrere Sekunden den Geschlechtsverkehr aus, bis die Zeugin Sie von sich wegschieben konnte. Anschließend versuchten Sie noch mindestens zweimal sich der Zeugin zu nähern und wieder zu ihr ins Bett zu steigen.
Sie taten dies, obwohl Sie jeweils wussten, zumindest aber hätten erkennen können und müssen, dass Ihr Verhalten nicht dem Willen der Zeugin entsprach.
Dienstvergehen gemäß § 23 Absatz 1 des Soldatengesetzes (SG) in Verbindung mit §§ 3 Absatz 4, 7 Absatz 2 des Gesetzes über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten sowie §§ 12 Satz 2, 17 Absatz 2 Satz 1, 2. Alternative SG."
Mit Verfügung vom 15. September 2016 versetzte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antragsteller zum 26. September 2016 für die erneute Teilnahme am Offizierlehrgang der Offizieranwärter des Truppendienstes der ... (Lehrgang Nr. ...) von der 2./... zur 4./... der ....
Nach dem telefonischen Hinweis des ermittelnden Wehrdisziplinaranwalts auf das Förderungsverbot (Nr. 246 ZDv A-1340/49) hob das Bundesamt für das Personalmanagement unter dem 23. September 2016 die Versetzungsverfügung wieder auf. Der Antragsteller hat die Teilnahme am Offizierlehrgang nicht angetreten.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten an das Bundesamt für das Personalmanagement vom 27. September 2016 legte der Antragsteller gegen die Aufhebung der Versetzung zum Offizierlehrgang Beschwerde ein und beantragte gleichzeitig die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs.
Mit weiterem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 27. September 2016 beantragte der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz beim Truppendienstgericht .... Mit Beschluss vom 30. September 2016 - S 3 BLa 5/16 - hat das Truppendienstgericht ... das hier gegenständliche Verfahren an den Senat verwiesen.
Unter dem 6. Oktober 2016 lehnte das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - den Antrag vom 27. September 2016 ab, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2016 wies das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - auch die Beschwerde vom 27. September 2016 gegen die Aufhebung der Versetzung zurück. Der Antragsteller hat hiergegen mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 11. Oktober 2016 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat diesen Antrag mit seiner Stellungnahme vom 21. Oktober 2016 dem Senat vorgelegt; das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 34.16 geführt.
Zur Begründung seines Antrags auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz führt der Antragsteller insbesondere aus:
Das gerichtliche Disziplinarverfahren werde bei einer zu erwartenden Anschuldigung im 4. Quartal 2016 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht vor Ende des 3. Quartals 2017 durchgeführt werden. Dann aber sei eine Einschleusung in das Offizieranwärterausbildungsjahr 2017 (... Offizieranwärterjahrgang) nicht mehr möglich. Wegen der schon jetzt absehbaren Verfahrensdauer von über einem Jahr liege ein Härtefall im Sinne von Nr. 246 ZDv A-1340/49 vor. Ohne die Anordnung der aufschiebenden Wirkung würden ihm sämtliche berufliche Perspektiven, wegen derer er zur Bundeswehr gegangen sei, genommen. Seine Absicht sei nicht gewesen, drei Jahre als Obergefreiter eines ...bataillons Dienst zu tun, sondern eine Berufsausbildung in Form eines technischen Studiums (Maschinenbau) zu erlangen. Es verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn er nun ein langjähriges disziplinargerichtliches Verfahren abzuwarten habe, um dann möglicherweise im Alter von 24 oder 25 Jahren ohne jede Ausbildung nach § 55 Abs. 5 SG entlassen zu werden. Ihm, dem Antragsteller, sei für einen Zeitraum von zwei oder mehr Jahren jegliche Entscheidungsfreiheit hinsichtlich seines ersten und besonders bedeutsamen Ausbildungsgangs genommen. In diesem Zeitraum habe allein die Antragsgegnerin die Verfahrenshoheit; kein anderer Beruf oder Ausbildungsgang könne derartig lange ohne Kündigungsmöglichkeit binden. Ein gerichtliches Disziplinarverfahren könne ggf. auch gegen einen Angehörigen der Reserve fortgeführt werden. Für die Frage, ob die aufschiebende Wirkung anzuordnen sei, sei nicht auf die Erfolgsaussichten des Antrags auf gerichtliche Entscheidung (BVerwG 1 WB 34.16) abzustellen, die sich derzeit noch nicht beurteilen ließen; maßgeblich sei vielmehr eine Interessenabwägung. Auf seiner, des Antragstellers, Seite entstünden nicht wiedergutzumachende Nachteile, denen keine überwiegenden Interessen der Bundeswehr gegenüberstünden. Ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache sei für ihn schlechthin unzumutbar.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 11. Oktober 2016 (BVerwG 1 WB 34.16) anzuordnen und das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, die Folgen des Vollzugs der Aufhebungsverfügung des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 23. September 2016 zu beseitigen.
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag könne aus den in der Entscheidung gemäß § 3 Abs. 2 WBO und im Beschwerdebescheid genannten Gründen keinen Erfolg haben. Die auf § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gestützte Aufhebung der Versetzung zum Offizierlehrgang sei rechtmäßig. Die Versetzungsverfügung vom 15. September 2016 sei rechtswidrig gewesen, weil sie gegen § 3 Abs. 1 SG verstoßen habe. Danach seien Soldaten entsprechend ihrer Eignung, an der kein Zweifel bestehen dürfe, zu verwenden. Ein Offizieranwärter, gegen den schwerwiegende disziplinare Vorwürfe erhoben würden, lasse deutliche Zweifel an seiner Eignung für einen Offizierlehrgang erkennen. Ein Sich-Betrinken bis hin zum Kontroll- und Gedächtnisverlust und zum ungewollten Geschlechtsverkehr mit einer anderen Person sei kein Verhalten, das bei einem angehenden Offizier zu tolerieren sei. Gemäß Nr. 246 ZDv A-1340/49 solle der Betroffene eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens nicht gefördert werden; eine Ausnahme sei nur zulässig, wenn eine besondere Bewährung des Soldaten, eine erhebliche, von ihm nicht zu vertretende Verzögerung des Verfahrens oder eine Verfehlung von geringer Schwere vorliege. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht gegeben. Insbesondere liege keine mindestens einjährige und damit ggf. überlange Verfahrensdauer vor. Auch sei von einem schweren, zumindest fahrlässig begangenen Dienstvergehen auszugehen. Dem Antragsteller drohten keine unzumutbaren, nicht wiedergutzumachenden Nachteile, weil die Lehrgangsteilnahme auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen könne und damit die Erfüllung des Berufswunsches eines Offiziers mit Studium weiterhin möglich sei.
Mit dem Vorlageschreiben im Hauptsacheverfahren (BVerwG 1 WB 34.16) vom 21. Oktober 2016 hat das Bundesministerium der Verteidigung außerdem mitgeteilt, dass auf seine Initiative das Bundesamt für das Personalmanagement die Entlassung des Antragstellers gemäß § 55 Abs. 4 und 5 SG erneut prüfe.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Personalgrundakte des Antragstellers, die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - Az.: ... - (mit Vernehmungsprotokollen aus dem kriminalpolizeilichen und disziplinaren Ermittlungsverfahren als Anlage) und die Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens BVerwG 1 WB 34.16 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 11. Oktober 2016 (BVerwG 1 WB 34.16) anzuordnen und - damit verbunden - das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, die Folgen des Vollzugs der Aufhebungsverfügung des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr (im Folgenden: Bundesamt für das Personalmanagement) vom 23. September 2016 zu beseitigen, hat keinen Erfolg.
1. Der vom Truppendienstgericht an den Senat verwiesene (§ 18 Abs. 3 WBO) Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom 27. September 2016 ist gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) zulässig.
Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat mit Bescheid vom 6. Oktober 2016 einen Antrag nach § 3 Abs. 2 WBO abgelehnt; im Übrigen hat der Antragsteller inzwischen mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 11. Oktober 2016 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache gestellt (§ 17 Abs. 6 Satz 3 WBO).
Der Antragsteller kann eine Rechtsverletzung jedenfalls deshalb geltend machen, weil er ursprünglich aufgrund der vom Bundesamt für das Personalmanagement unter dem 15. September 2016 verfügten Versetzung zur 4./... der ... die Berechtigung zur Teilnahme am Offizierlehrgang der Offizieranwärter des Truppendienstes der ... vom ...hatte. Diese Berechtigung kann durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen die Aufhebung dieser Versetzung vorläufig wiederhergestellt werden.
Der Antragsteller kann - ergänzend zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung - gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO zulässigerweise auch die Verpflichtung des Bundesministeriums der Verteidigung zur Beseitigung der Vollzugsfolgen beantragen (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2013 - 1 WDS-VR 14.13 - juris Rn. 34 m.w.N.). Im Erfolgsfalle wäre damit insbesondere die Verpflichtung des Bundesministeriums der Verteidigung verbunden, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Antragsteller mit vorläufiger Wirkung in den laufenden Offizierlehrgang einzugliedern.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor den persönlichen Belangen des Soldaten eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung unzumutbare, insbesondere nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 1 WDS-VR 3.14 - juris Rn. 22 m.w.N.).
a) Bei summarischer Prüfung bestehen gegen die Aufhebungsverfügung des Bundesamts für das Personalmanagement vom 23. September 2016 in der Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - vom 6. Oktober 2016 keine rechtlichen Bedenken.
Das Bundesamt für das Personalmanagement hat, wie sich aus seinem Schriftsatz vom 29. September 2016 und den Gründen des Beschwerdebescheids ergibt, die Versetzung des Antragstellers zur 4./... der ... gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zurückgenommen, weil wegen der schwerwiegenden disziplinaren Vorwürfe, die den Gegenstand des mit Verfügung vom 8. Juli 2016 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahrens bilden, die Eignung des Antragstellers (im Sinne von § 3 Abs. 1 SG) für die Teilnahme am Offizierlehrgang nicht gegeben sei. Eine Teilnahme des Antragstellers am Offizierlehrgang verstoße ferner gegen das grundsätzliche Förderungsverbot, das aufgrund von Verwaltungsvorschriften (Zentrale Dienstvorschrift A-1340/49 zur "Beförderung, Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldatinnen und Soldaten") während eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gelte; ein diesbezüglicher Ausnahmefall liege nicht vor.
Diese Bewertung hält einer gerichtlichen Überprüfung, für die die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, also des Beschwerdebescheids vom 6. Oktober 2016, maßgeblich ist, stand.
aa) Die Teilnahme am Offizierlehrgang der Offizieranwärter des Truppendienstes unterliegt als förderliche Maßnahme dem Grundsatz der Verwendung des Soldaten nach Eignung, Befähigung und Leistung (§ 3 Abs. 1 SG). Der Lehrgang ist vor der in der Regel nach zwölf Monaten Dienstzeit (für alle Angehörigen eines Offizieranwärterjahrgangs/einer Offizieranwärtercrew gleichzeitig) erfolgenden Beförderung zum Fahnenjunker (Nr. 705 ZDv A-1340/49) und dem ab dem 15. Monat vorgesehenen - auch vom Antragsteller angestrebten - Studium zu durchlaufen. Das Bestehen einer Offizierprüfung, auf die der Offizierlehrgang hinführt, ist Voraussetzung für die Beförderung zum Leutnant (Nr. 206 und 707 ZDv A-1340/49).
bb) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Bundesamt für das Personalmanagement und das Bundesministerium der Verteidigung wegen des eingeleiteten Disziplinarverfahrens die persönliche, insbesondere charakterliche Eignung des Antragstellers für die Teilnahme an dem Offizierlehrgang vom 4. Oktober 2016 bis 12. Mai 2017 verneint haben.
(1) Bei der Einschätzung der Eignung eines Soldaten für eine förderliche Verwendung verfügt der Dienstherr über einen Beurteilungsspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1991 - 1 WB 68.91 - NZWehrr 1992, 118 und vom 3. September 1996 - 1 WB 20.96 und 21.96 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 18), die mit der Rechtsprechung des für das Dienstrecht der Beamten und die statusrechtlichen Angelegenheiten der Soldaten zuständigen 2. Revisionssenats übereinstimmt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. September 1992 - 2 B 56.92 - Buchholz 236.1 § 42 SG Nr. 1 m.w.N.), ist der Dienstherr danach berechtigt, einen Soldaten für die Dauer einer gegen ihn durchgeführten disziplinarischen Ermittlung und eines sich gegebenenfalls anschließenden förmlichen Disziplinarverfahrens von förderlichen Maßnahmen auszuschließen, bis feststeht, dass der Soldat für die weitere Förderung uneingeschränkt geeignet ist. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn regelmäßig dem Soldaten das daraus resultierende Risiko auferlegt wird; denn Disziplinarverfahren beruhen in der Regel auf Umständen, die in der Person oder doch in der Sphäre des betreffenden Soldaten liegen. Dem zuständigen Vorgesetzten ist nicht zuzumuten, seinerseits ein Risiko einzugehen, einen Soldaten in seiner Laufbahn zu fördern, wenn Zweifel an dessen uneingeschränkter Förderungswürdigkeit aufgetreten sind. Der Dienstherr würde sich zudem in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen, wenn er einen Soldaten vor der abschließenden Klärung des disziplinarischen Vorwurfs förderte und damit die Befähigung und Eignung des Betreffenden für eine höherwertige Verwendung bejahte, obwohl er vorher mit der Einleitung disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen gegeben hat, dass er Anlass sieht, das Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden.
Für eine der in der Rechtsprechung ebenfalls anerkannten Ausnahmen von dem grundsätzlichen Ausschluss von förderlichen Maßnahmen (vgl. dazu OVG Münster, Beschluss vom 24. März 2016 - 1 B 1110/15 - RiA 2016, 222 <223> m.w.N.) bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist der gegen den Antragsteller gerichtete disziplinare Vorwurf, der nicht auf die nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft nicht hinreichend sicher nachweisbare Vorsatztat beschränkt ist, nicht offensichtlich unberechtigt; ebenso wenig wurde in Anbetracht der vorliegenden Zeugenaussagen und seiner eigenen Einlassung das Disziplinarverfahren gegen ihn missbräuchlich eingeleitet.
(2) Im Ergebnis keine Bedenken bestehen auch dagegen, dass sich die beteiligten Bundeswehrdienststellen bei der Prüfung der Eignung des Antragstellers von den für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung geltenden Verwaltungsvorschriften über die "Auswirkungen von Dienstvergehen und Ermittlungen auf die Förderung" (Abschnitt 2.5.4 der ZDv A-1340/49) haben leiten lassen. Nach deren einleitender Bestimmung kann jedes Dienstvergehen Auswirkungen auf eine mögliche Förderung einer Soldatin oder eines Soldaten haben, da sie oder er grundsätzlich durch jedes Fehlverhalten ihre bzw. seine Eignung infrage stellt (Nr. 245 ZDv A-1340/49). Während der Ermittlungen der Disziplinarvorgesetzten, disziplinarer Vorermittlungen gemäß § 92 WDO, eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens oder eines strafrechtlichen Ermittlungs- oder Gerichtsverfahrens sollen die Betroffenen nicht gefördert werden (Nr. 246 Satz 1 ZDv A-1340/49). Ausnahmen sind gemäß Nr. 246 Satz 2 ZDv A-1340/49 nur in Härtefällen vertretbar, wobei das Vorliegen eines Härtefalls zu prüfen ist, wenn die Soldatin oder der Soldat sich besonders bewährt hat, wenn der bestandskräftige Abschluss eines der genannten Verfahren sich erheblich verzögert (in der Regel nach Ablauf eines Jahres seit Aufnahme der Ermittlungen) und die Soldatin oder der Soldat dies nicht zu vertreten hat und wenn der Tatbestand eine einmalige situationsbedingte und nicht charakterlich bedingte Verfehlung von geringer Schwere darstellt (Nr. 246 Satz 3 ZDv A-1340/49).
Allerdings sind Verwaltungsvorschriften nicht geeignet, das in Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistete Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzuschränken; erforderlich ist hierfür grundsätzlich eine (parlaments-)gesetzliche Grundlage (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 - BVerfGE 139, 19 Rn. 59 f. m.w.N.). Gleiches gilt für den in das Soldatenrecht übernommenen Grundsatz der Verwendung des Soldaten nach Eignung, Befähigung und Leistung (§ 3 Abs. 1 SG). Die Regelung über das Förderungsverbot nach Nr. 246 ZDv A-1340/49 kann deshalb nur als Orientierungshilfe bei der Auslegung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Eignung verstanden und gehandhabt werden. Als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften überschreiten die Regelungen den Beurteilungsspielraum des Dienstherrn ihrem Inhalt nach nicht.
In diesem Sinne ist nicht zu beanstanden, dass das Bundesamt für das Personalmanagement und das Bundesministerium der Verteidigung, im Einklang mit der genannten Rechtsprechung des Senats, von dem Grundsatz ausgegangen sind, den Antragsteller während der Dauer gegen ihn anhängiger Straf- oder Disziplinarverfahren mangels Eignung von förderlichen Maßnahmen wie der Teilnahme am Offizierlehrgang auszunehmen.
Die Eignung des Antragstellers musste auch nicht aufgrund der Gesichtspunkte, die eine Ausnahme (Härtefall) begründen können, bejaht werden.
Eine überlange Verfahrensdauer oder besondere Verzögerungen im Verfahrensablauf liegen nicht vor. Das unmittelbar nach dem 7. Februar 2016 aufgenommene strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde unter dem 29. April 2016 eingestellt. Auch disziplinarische Ermittlungen begannen bereits am 8. Februar 2016. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des ...kommandos wurde über die Einstellung des Strafverfahrens im Mai 2016 informiert und leitete ihrerseits mit Verfügung vom 8. Juli 2016 das noch laufende gerichtliche Disziplinarverfahren ein. Bis zum 6. Oktober 2016 hält sich der Verfahrensgang damit in dem üblichen und dem Betroffenen zuzumutenden zeitlichen Rahmen. Die Nachteile, die der Antragsteller aufgrund der darüber hinausgehenden Dauer des Disziplinarverfahrens befürchtet, spielen für die Beurteilung zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt keine Rolle, sondern können nur im Rahmen der Interessenabwägung (nachfolgend II.2.b) berücksichtigt werden.
Gegenstand des Disziplinarverfahrens ist auch keine Verfehlung von nur geringer Schwere. Auch wenn das Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde und die Wehrdisziplinaranwaltschaft das gerichtliche Disziplinarverfahren ausschließlich wegen sexueller Belästigung und wegen einer Verletzung der Dienstpflichten aus § 12 Satz 2 und § 17 Absatz 2 Satz 1 Alt. 2 SG eingeleitet hat, verbleibt es bei einem Dienstvergehen von erheblichem Gewicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller zu einer über die Kürzung der Dienstbezüge hinausgehenden gerichtlichen Disziplinarmaßnahme verurteilt wird, ist nach den vorliegenden Auszügen aus den Ermittlungsakten nicht so gering, dass ein Freispruch oder eine Einstellung des Verfahrens absehbar und deshalb eine Fortdauer des Ausschlusses von der Förderung nicht mehr vertretbar wäre. Dass das Bundesministerium der Verteidigung bei der Verneinung einer besonderen Bewährung des Antragstellers seinen Beurteilungsspielraum überschritten hätte, ist weder behauptet noch ersichtlich.
cc) Wegen der erheblichen Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers war das Bundesamt für das Personalmanagement berechtigt, die mit Verfügung vom 15. September 2016 - nach Darstellung des Bundesministeriums der Verteidigung: versehentlich - erfolgte Versetzung des Antragstellers zum Offizierlehrgang unter dem 23. September 2016 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zurückzunehmen.
Der Antragsteller kann sich auf kein unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdiges Vertrauen berufen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 VwVfG). Die Rücknahme erfolgte noch vor Lehrgangsbeginn; der Antragsteller hat den Lehrgang nicht angetreten. Ein Vertrauenstatbestand ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des Bundesamts für das Personalmanagement vom 30. März 2016. Mit diesem wurde dem Antragsteller zwar mitgeteilt, dass geplant sei, ihn in den ... Offizierlehrgang der Offizieranwärter des Truppendienstes der ... mit Lehrgangsbeginn im ... zu überführen; gleichzeitig wurde der Antragsteller jedoch darauf hingewiesen, dass bis zum Abschluss des straf- bzw. disziplinarrechtlichen Verfahrens eine Förderung grundsätzlich ausgeschlossen sei. Dem Schreiben vom 30. März 2016 lässt sich deshalb weder eine Zusicherung im Sinne von § 38 VwVfG noch eine sonstige Erklärung dahingehend entnehmen, dass das Bundesamt für das Personalmanagement dazu bereit wäre, den Antragsteller auf einen Offizierlehrgang zu entsenden, solange die der Förderung entgegenstehenden Verfahren noch nicht abgeschlossen sind.
b) Dem Antragsteller entstehen durch die sofortige Vollziehung der Aufhebungsverfügung und den daraus folgenden Ausschluss vom aktuell laufenden Offizierlehrgang auch keine unzumutbaren Nachteile.
Der Antragsteller macht insoweit geltend, dass er einerseits ohne Förderung in einem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit gebunden und blockiert sei, andererseits und zugleich aber befürchten müsse, ohne die (auch in einem Zivilberuf nutzbare) Ausbildung, wegen derer er das Dienstverhältnis eingegangen sei, nach einem möglicherweise langdauernden Disziplinarverfahren durch das Truppendienstgericht aus dem Dienstverhältnis entfernt (§ 58 Abs. 1 Nr. 5, § 63 WDO) oder durch Verwaltungsentscheidung entlassen zu werden (§ 55 Abs. 4 und 5 SG).
Diese für den Antragsteller nachvollziehbar belastende Situation begründet allerdings noch keine unzumutbaren Nachteile, soweit es die hier allein gegenständliche Nichtteilnahme an dem Offizierlehrgang vom ... bis ... betrifft. Der Antragsteller ist das von ihm jetzt als unerwünschte Bindung empfundene Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit freiwillig eingegangen. Das Dienstverhältnis ist zudem nicht einseitig verpflichtend, sondern für den Antragsteller auch berechtigend und vorteilhaft; insbesondere ermöglicht es ihm bei ungestörtem Verlauf ein Hochschulstudium bei einer dem Dienstgrad entsprechenden Besoldung. Dass der vorgesehene Verlauf nunmehr gestört ist, fällt in den Verantwortungsbereich des Antragstellers, der den Anlass für disziplinare Ermittlungen vorwerfbar gesetzt hat; daraus resultierende Nachteile kann er nicht dem Dienstherrn anlasten. Im aktuellen Stadium ist es deshalb dem Antragsteller zuzumuten, die Situation der Ungewissheit über den Fortbestand und über die weitere Entwicklung seines Dienstverhältnisses hinzunehmen.
Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschleunigungsgrundsatz, der für alle Disziplinarsachen gilt (§ 17 Abs. 1 WDO), in Fällen wie dem des Antragstellers eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46, 17 <29 f.>). Zudem steht dem Soldaten nach § 101 Abs. 1 Satz 1 WDO die Möglichkeit offen, die Entscheidung des Truppendienstgerichts zu beantragen, wenn ihm nicht spätestens binnen sechs Monaten nach Zustellung der Einleitungsverfügung die Anschuldigungsschrift zugestellt wird. Diese Regelungen sind auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Verbot der Förderung während eines laufenden Disziplinarverfahrens nicht alle hiervon betroffenen Soldaten gleichermaßen trifft. Soldaten etwa, die ihre individuelle Laufbahnperspektive erreicht haben oder aus anderen Gründen aktuell nicht zu einer Förderung heranstehen, werden durch ein temporäres Förderungsverbot praktisch nicht berührt. Umgekehrt werden Laufbahnanwärter, deren Dienst - wie im Falle des Antragstellers - in weiten Teilen im Durchlaufen förderlicher Maßnahmen besteht, in besonderer Weise belastet. Ob es einen unzumutbaren Nachteil darstellen würde, wenn der Antragsteller, wie er befürchtet, allein wegen eines bis dahin immer noch nicht abgeschlossenen Disziplinarverfahrens auch den im Herbst 2017 beginnenden Offizierlehrgang versäumen würde, ist hier indes nicht zu entscheiden, weil Verfahrensgegenstand nur die Aufhebung der Versetzung zu dem Offizierlehrgang vom ... bis ... ist.