Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 05.06.2018


BVerwG 05.06.2018 - 1 WDS-VR 2/18

Rechtsschutz; Befangenheit des Vorgesetzten bei Beurteilung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
1. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
05.06.2018
Aktenzeichen:
1 WDS-VR 2/18
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:050618B1WDSVR2.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tatbestand

1

Die ... geborene Antragstellerin ist Soldatin auf Zeit; ihre zuletzt auf 22 Jahre festgesetzte Dienstzeit endet mit Ablauf des 30. Juni ... Sie ist Mitglied mehrerer Personalräte und des Gesamtvertrauenspersonenausschusses beim Bundesministerium der Verteidigung; seit 1. Februar 2015 ist sie für ihre Tätigkeit im Bezirkspersonalrat beim Kommando ... vom Dienst freigestellt.

2

Mit Schreiben vom 22. Februar 2017 beantragte die Antragstellerin, die Befangenheit des Chefarztes (ab 1. Oktober 2017: ...) des Bundeswehrkrankenhauses ... im Rahmen eines Beurteilungsverfahrens (Erstellung einer Laufbahnbeurteilung für die Bewerbung um Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten) festzustellen.

3

Mit Bescheid vom 20. November 2017 lehnte der Kommandeur Gesundheitseinrichtungen im ... den Antrag ab, weil er keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Kommandeurs ... sah. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin vom 26. November 2017 wies der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr mit Bescheid vom 5. Februar 2018 zurück.

4

Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 24. Februar 2018 weitere Beschwerde ein. Die weitere Beschwerde, über die noch nicht entschieden ist, ist beim Generalinspekteur der Bundeswehr anhängig.

5

Mit Schreiben vom 15. April 2018 hat die Antragstellerin den hier gegenständlichen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Truppendienstgericht ... gestellt. Das Truppendienstgericht ... hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 9. Mai 2018 - ... - an das Bundesverwaltungsgericht, Wehrdienstsenate, verwiesen.

6

Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat mit Bescheid vom 30. Mai 2018 eine Entscheidung gemäß § 3 Abs. 2 WBO getroffen, mit der er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der weiteren Beschwerde vom 24. Februar 2018 ablehnte.

7

Zur Begründung ihres Antrags auf gerichtlichen vorläufigen Rechtsschutz wiederholt die Antragstellerin die Gesichtspunkte, aus denen sie den Kommandeur und ... des Bundeswehrkrankenhauses ... für befangen hinsichtlich der für sie zu erstellenden Laufbahnbeurteilung hält.

8

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung bezüglich des Bescheids des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr vom 5. Februar 2018 anzuordnen.

9

Der Generalinspekteur der Bundeswehr beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

10

Er verweist auf seinen Bescheid vom 30. Mai 2018. Seiner Auffassung nach scheitere der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bereits daran, dass die Ausgangsbeschwerde unzulässig sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die Feststellung der Befangenheit eines beurteilenden Vorgesetzten wegen ihres bloß vorbereitenden Charakters keine selbstständig anfechtbare dienstliche Maßnahme.

11

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der weiteren Beschwerde vom 24. Februar 2018 gegen den Beschwerdebescheid des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr vom 5. Februar 2018 anzuordnen, ist, nachdem der Generalinspekteur der Bundeswehr unter dem 30. Mai 2018 einen Antrag nach § 3 Abs. 2 WBO abgelehnt hat, gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 und 3 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) zulässig, aber unbegründet.

13

Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor den persönlichen Belangen des Soldaten eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung unzumutbare, insbesondere nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 1 WDS-VR 3.14 - juris Rn. 22 m.w.N.).

14

Im vorliegenden Fall hat das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin in der Hauptsache bereits deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil die Entscheidung gemäß Nr. 305 Buchst. a Abs. 1 der Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (ZDv A-1340/50, früher ZDv 20/6), ob gegenüber dem für die Beurteilung oder dem für die Stellungnahme zu der Beurteilung zuständigen Vorgesetzten die Besorgnis der Befangenheit besteht, eine bloß vorbereitende Zwischenentscheidung und keine selbstständig anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO darstellt (vgl. hierzu ausführlich BVerwG, Beschluss vom 25. September 2014 - 1 WB 49.13 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 89 Rn. 20 ff.; der Beschluss ist im Volltext auch über die Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts abrufbar). Rechtsschutz kann insoweit nur durch eine gegen die Beurteilung oder Stellungnahme selbst gerichtete Beschwerde oder einen entsprechenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung erlangt werden, in deren bzw. dessen Rahmen auch die Besorgnis der Befangenheit des jeweiligen Vorgesetzten geltend gemacht werden kann und inzident mitüberprüft wird.

15

Da das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg hat, kommt eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der weiteren Beschwerde nicht in Betracht.

16

2. Nichts anderes gilt, wenn man den Antrag auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz in einen Antrag gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 123 VwGO mit dem Ziel, vorläufig festzustellen, dass der Kommandeur ... des Bundeswehrkrankenhauses ... wegen Besorgnis der Befangenheit von der Erstellung der Laufbahnbeurteilung für die Antragstellerin ausgeschlossen ist, umdeuten würde. In diesem Falle würde es der Antragstellerin mangels eines subjektiv-öffentlichen Rechtes auf die von ihr begehrte unselbstständige Zwischenentscheidung an einem Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) fehlen.