Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 06.03.2014


BVerwG 06.03.2014 - 1 WB 9/14

Vorzeitige Versetzung in den Ruhestand; Anhörung der Vertrauensperson


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
1. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
06.03.2014
Aktenzeichen:
1 WB 9/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die Versetzung in den Ruhestand vor Erreichen der Altersgrenze gemäß § 2 des Gesetzes zur Anpassung der personellen Struktur der Streitkräfte (SKPersStruktAnpG) vom 21. Juli 2012 ist keine vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SBG, zu der auf Antrag des betroffenen Soldaten die Vertrauensperson angehört werden soll.

Tatbestand

1

Der Antragsteller machte eine Verletzung seiner Beteiligungsrechte nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz geltend.

2

Mit Formularschreiben vom 26. August 2013 bekundete der bei ... verwendete Oberleutnant F. sein Interesse an einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand gemäß § 2 SKPersStruktAnpG zum Ende des Monats Oktober 2013, alternativ zum Ende des Monats Dezember 2013, und beantragte hierzu die Anhörung der Vertrauensperson. Mit Schreiben vom 29. August 2013 nahm der Antragsteller zu der Interessenbekundung Stellung. Er empfahl, die von Oberleutnant F. angegebenen schwerwiegenden familiären und dienstlichen Gründe in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen, und erklärte, dass ein abschließender Anhörungsbeitrag erst nach Kenntnis der beabsichtigten Entscheidung der personalbearbeitenden Stelle möglich sei; sofern der Interessenbekundung nicht entsprochen werden solle, werde um eine Erläuterung der zur Entscheidung führenden Gründe gebeten.

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Mit Bescheid vom 1. Oktober 2013 teilte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr Oberleutnant F. mit, dass seiner Interessenbekundung nicht entsprochen werde, weil ein dienstliches Interesse an seiner Weiterverwendung bestehe. Hiergegen legte Oberleutnant F. Beschwerde ein.

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Mit Schreiben vom 1. November 2013 erhob auch der Antragsteller mit dem Hinweis, dass er am 16. Oktober 2013 durch Oberleutnant F. von dem ablehnenden Bescheid erfahren habe, Beschwerde wegen Nichtdurchführung der nach §§ 20, 23 SBG gebotenen Beteiligung. Er rügte insbesondere, dass die Erläuterung der Gründe nicht durchgeführt worden sei, die er für den Fall erbeten habe, dass der Interessenbekundung nicht entsprochen werden solle. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2013 erhob der Antragsteller weitere Beschwerde, weil über seine Beschwerde vom 1. November 2013 nicht innerhalb eines Monats entschieden worden sei, und beantragte zugleich die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht. Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - legte den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit einer am 5. Februar 2014 beim Gericht eingegangenen Stellungnahme dem Senat vor.

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Mit E-Mail vom 15. November 2013 hob das Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr den Bescheid vom 1. Oktober 2013, mit dem der Interessenbekundung des Oberleutnant F. an einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand nicht entsprochen worden war, auf. Im Hinblick darauf erklärte der Antragsteller mit Schreiben vom 25. Februar 2014 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - schloss sich der Erledigungserklärung mit Schreiben vom 28. Februar 2014 an.

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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - R II 2 - Az.: .../13 - hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - Rn. 8 m.w.N.).

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Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die notwendigen Aufwendungen des Antragstellers nicht dem Bund aufzuerlegen, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte.

9

Beruft sich der bei einer Dienststelle der Bundeswehr gebildete Personalrat auf eine Behinderung in seinen Beteiligungsrechten in Angelegenheiten, die nur die Soldaten betreffen, so ist gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1, § 16 SBG, § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO - abweichend von § 48 Satz 1 SBG, § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG - der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten gegeben (stRspr, vgl. Beschluss vom 17. Februar 2009 - BVerwG 1 WB 37.08 - Rn. 17 m.w.N. § 20 SBG Nr. 3>). Sachlich zuständig ist vorliegend das Bundesverwaltungsgericht (§ 21 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO).

10

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre - ungeachtet der Frage des richtigen Sachantrags - jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen gewesen, weil eine Verletzung von Beteiligungsrechten des Antragstellers nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz mangels eines materiellen Beteiligungstatbestands nicht in Betracht kam.

11

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann das vom Antragsteller als verletzt gerügte Anhörungsrecht nach § 20 SBG nicht von dem materiellen Beteiligungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG (bzw. anderer entsprechender Beteiligungstatbestände) getrennt werden (vgl. Beschluss vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 19 m.w.N.). Eine mit der Beschwerde angreifbare Rechtsverletzung des Antragstellers kann deshalb nicht isoliert in der (behaupteten) Missachtung der Anhörungsvorschrift des § 20 SBG liegen, sondern stets nur in der Verletzung des Anhörungsrechts in Verbindung mit einem materiellen Beteiligungstatbestand.

12

Ein materieller Tatbestand, der eine Beteiligung des Antragstellers anordnet oder eröffnet, ist vorliegend nicht gegeben. Ein Beteiligungserfordernis ergibt sich insbesondere nicht aus der - hier einzig in Betracht kommenden - Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SBG. Danach soll bei der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses auf Antrag des betroffenen Soldaten der Personalrat (hier in Gestalt der zur Entscheidung berufenen Soldatenvertreter, § 52 Abs. 1 SBG) durch den Dienststellenleiter angehört werden; allerdings gilt dies nur, "sofern das Soldaten- oder das Wehrpflichtgesetz einen Ermessensspielraum einräumt". Die von Oberleutnant F. begehrte vorzeitige Versetzung in den Ruhestand sollte jedoch nicht nach einer Ermessensvorschrift des Soldaten- oder des Wehrpflichtgesetzes, also insbesondere nicht nach §§ 44, 45 SG, erfolgen. Die in der Interessenbekundung ausdrücklich in Bezug genommene Rechtsgrundlage der hier beantragten Ruhestandsversetzung ist vielmehr § 2 des - als Art. 1 des Gesetzes zur Begleitung der Reform der Bundeswehr vom 21. Juli 2012 (BGBl I S. 1583) erlassenen - Gesetzes zur Anpassung der personellen Struktur der Streitkräfte (Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungsgesetz - SKPersStruktAnpG), der für eine bestimmte Zahl von Berufssoldatinnen und Berufssoldaten die Möglichkeit der Versetzung in den Ruhestand vor Erreichen der Altersgrenze vorsieht. Bei § 2 SKPersStruktAnpG handelt es sich zwar um eine Vorschrift, die einen Ermessensspielraum einräumt (so auch Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 9. Aufl. 2013, § 43 Rn. 14). Die (im Rahmen der Bundeswehrreform bis zum 31. Dezember 2017 gesetzlich eröffnete) Möglichkeit der vorzeitigen Ruhestandsversetzung nach § 2 SKPersStruktAnpG steht jedoch neben und im Rang gleichberechtigt mit der regulären Ruhestandsregelung der §§ 44, 45 SG. § 2 SKPersStruktAnpG verweist auch nicht ergänzend auf §§ 44, 45 SG, sondern enthält eine in sich geschlossene, auf einen bestimmten Anlass bezogene selbständige Regelung. Die gegenständliche Personalmaßnahme - vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gemäß § 2 SKPersStruktAnpG - ist deshalb keine "vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses, sofern das Soldaten- oder das Wehrpflichtgesetz einen Ermessensspielraum einräumt", im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SBG.

13

Eine Verletzung von Beteiligungsrechten des Antragstellers nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz kann sich schließlich auch nicht daraus ergeben, dass eine Anhörung der Vertrauensperson (bzw. des die Rechte der Vertrauensperson wahrnehmenden Personalrats) in dem für die Interessenbekundung ausgegebenen Formular als Option vorgesehen ist und deshalb offenbar, wenn vom betroffenen Soldaten gewünscht, regelmäßig praktiziert wird. Der Senat hat mit Beschluss vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 1 WB 36.11 - (Buchholz 449.7 § 23 SBG Nr. 9 LS und Rn. 42 = NZWehrr 2012, 77 LS <79>,) unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass die Anhörungsrechte der Vertrauenspersonen der Soldaten zu Personalmaßnahmen nicht über die gesetzlichen Regelungen des Soldatenbeteiligungsgesetzes hinaus - etwa durch Verwaltungsvorschriften oder durch Selbstbindung einer Dienststelle der Bundeswehr - erweitert werden können. Maßgeblich dafür ist, dass der Katalog der Beteiligungsrechte der Vertrauensperson bei Personalmaßnahmen in § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG abschließend geregelt ist. Die Konzentration der Beteiligungstatbestände in § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG auf die dort bestimmten Personalmaßnahmen entsprach einer ausdrücklichen Zielsetzung des Gesetzgebers (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Beteiligung der Soldaten und der Zivildienstleistenden vom 5. Juni 1990 ). Überdies ergibt sich aus § 20 SBG, dass die Vertrauensperson nur über beteiligungspflichtige beabsichtigte Maßnahmen und Entscheidungen zu unterrichten und dazu anzuhören ist. Damit hat der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass zum Zweck der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit - im Sinne eines Vorrangs des Gesetzes - die förmlichen und unter Berücksichtigung des § 23 Abs. 2 Satz 2 SBG einklagbaren Beteiligungspflichten allein im Gesetz geregelt und limitiert sein sollen. Ein eventuell darüber hinausgehend praktiziertes Verfahren der Beteiligung bei vorzeitigen Versetzungen in den Ruhestand gemäß § 2 SKPersStruktAnpG würde sich demgemäß lediglich als eine nicht förmliche Konsultation der Vertrauensperson darstellen; Fehler in diesem nicht förmlichen Verfahren würden keine mit der Wehrbeschwerde anfechtbare Verletzung von Beteiligungsrechten nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz darstellen.