Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 09.03.2010


BVerwG 09.03.2010 - 1 WB 9/09

Abgrenzung zwischen dem Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten und dem Verwaltungsrechtsweg; hochschulrechtliche Streitigkeit; Universität der Bundeswehr


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
1. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
09.03.2010
Aktenzeichen:
1 WB 9/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der die Genehmigung zum Überschreiten der Höchststudienzeit für ein Studium an einer Universität der Bundeswehr zum Gegenstand hat, ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet.

Tatbestand

Der Antragsteller war Soldat auf Zeit und studierte an einer Universität der Bundeswehr. Unter Hinweis auf eine längere Erkrankung beantragte er die Genehmigung zum Überschreiten der Höchststudienzeit von vier Jahren für den Abschluss seines Studiums. Nach Ablehnung dieses Antrags und erfolgloser Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung verfolgte der Antragsteller sein Anliegen mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenate - weiter. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten für unzulässig erklärt und die Sache an das zuständige Verwaltungsgericht verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 82 Abs. 1 SG auch für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis eröffnet, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Die Wehrdienstgerichte haben hiernach über die Verletzung solcher Rechte und Pflichten zu entscheiden, die auf dem Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung beruhen, also in truppendienstlichen Angelegenheiten (stRspr, vgl. Beschluss vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB 61.04 - m.w.N. ). Für die Bestimmung, ob es sich um eine truppendienstliche Angelegenheit oder um eine Verwaltungsangelegenheit handelt, für die der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist, ist auf die wahre Natur des geltend gemachten Anspruchs und auf die daraus abzuleitende Rechtsfolge abzustellen (Beschlüsse vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 - m.w.N. und vom 6. April 2005 a.a.O.).

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Danach liegt hier keine den Wehrdienstgerichten zugewiesene truppendienstliche Angelegenheit vor. Die vom Antragsteller begehrte Genehmigung zum Überschreiten der Höchststudienzeit stellt eine hochschulrechtliche Entscheidung dar, für die im Streitfall der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist.

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Der an einer Universität der Bundeswehr studierende Offizieranwärter oder Offizier steht in einer doppelten - einerseits truppendienstlich, andererseits hochschulrechtlich geprägten - Beziehung. Das Studium an einer Universität der Bundeswehr ist einerseits regelmäßig ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung des Berufsoffiziers und länger dienenden Offiziers auf Zeit (Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 der Personellen Bestimmungen für das Studium von Offizieranwärtern/ Offizieren an einer Universität der Bundeswehr vom 26. März 2002); dementsprechend erfolgt - wie auch im Falle des Antragstellers - die Versetzung zum Studium "aus dienstlichen Gründen"; die studierenden Soldaten werden während des Studiums durch den - dem Streitkräfteamt unterstellten - Studentenbereich der Universität militärisch geführt und betreut. Andererseits sind die Universitäten der Bundeswehr staatlich anerkannte Hochschulen, die sich hinsichtlich ihrer Aufgaben in Lehre und Forschung nicht wesentlich von öffentlichen (Landes-)Universitäten unterscheiden; das wissenschaftliche Studium an den Universitäten der Bundeswehr und die dort erworbenen Hochschulabschlüsse sind denen der öffentlichen Universitäten gleichwertig; Studienzeiten sowie Studien- und Prüfungsleistungen, die an den Universitäten der Bundeswehr und an öffentlichen Universitäten erbracht werden, unterliegen der wechselseitigen Anrechnung und Anerkennung nach Maßgabe der hochschulrechtlichen Vorschriften.

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Truppendienstliche und hochschulrechtliche (darüber hinaus nicht selten auch statusrechtliche) Aspekte hängen zwar häufig - wie auch im vorliegenden Fall - eng miteinander zusammen, weil Probleme auf der einen Seite mittelbar Konsequenzen auch auf der jeweils anderen Seite der rechtlichen Beziehungen nach sich ziehen können. Dies ändert jedoch nichts daran, dass insbesondere für die Frage der Rechtswegbestimmung eine eindeutige Zuordnung des konkreten Streitgegenstands zu treffen ist. So hat der Senat seine Zuständigkeit beispielweise für Streitigkeiten über die Zulassung von Soldaten zu einer Hochschulausbildung dann bejaht, wenn die Zulassung wegen eines fehlenden dienstlichen Interesses an der vom Soldaten gewünschten Ausbildung abgelehnt wurde; denn Gegenstand ist in diesem Fall nicht die Erfüllung hochschulrechtlicher Studienvoraussetzungen, sondern die truppendienstliche Verwendung des Soldaten (vgl. Beschlüsse vom 15. Juli 2008 - BVerwG 1 WB 1.08 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 73 = NZWehrr 2008, 259 und vom 30. September 2008 - BVerwG 1 WB 31.08 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 48 ).

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Ungeachtet der äußeren Einkleidung in einen Bescheid des Personalamts der Bundeswehr hat die hier strittige Entscheidung über die Genehmigung zum Überschreiten der Höchststudienzeit keine truppendienstliche, sondern eine hochschulrechtliche Regelung zum Inhalt.

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Nach § 3 Abs. 1 der für das Studium des Antragstellers maßgeblichen Allgemeinen Diplomprüfungsordnung der Universität beträgt die Regelstudienzeit dreieinviertel Jahre; einschließlich aller Wiederholungen muss die Diplomprüfung bis zum Ende des vierten Studienjahres abgelegt sein; hat ein Student die Diplomprüfung aus von ihm nicht zu vertretenden schwerwiegenden Gründen nicht innerhalb der Höchststudienzeit ablegen können und will er deshalb die maßgebliche Höchststudienzeit überschreiten, entscheidet über die Fortsetzung des Studiums der zuständige Prüfungsausschuss im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung. Ergänzend bestimmt hierzu Nr. 8 mit Fußnote 3 der genannten Personellen Bestimmungen, dass die Genehmigung zum Überschreiten der Höchststudienzeit gemäß den Prüfungsordnungen durch den Studenten über das Personalamt der Bundeswehr beim Bundesministerium der Verteidigung - Fü S/UniBw - einzuholen ist. Abgesehen davon, dass die Personellen Bestimmungen als Verwaltungsvorschriften die Zuständigkeitsregelung des § 3 Abs. 1 ADPO schon aus Rechtsgründen nicht modifizieren könnten, ist dies ersichtlich auch nicht beabsichtigt. Nach der vom Senat eingeholten Auskunft wird auch aus Sicht des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - die maßgebliche materielle Entscheidung über die hochschulrechtliche Fortführung des Studiums vom Prüfungsausschuss im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung - Fü S/UniBw - getroffen; das Personalamt habe hinsichtlich der hochschulrechtlichen Einschätzung keine Entscheidungskompetenz, sondern fungiere insoweit lediglich als "Bote".

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Nach diesen Bestimmungen ist auch im Falle des Antragstellers verfahren worden. Auf der Grundlage einer Stellungnahme des Prüfungsamts, die den Antrag auf Genehmigung zum Überschreiten der Höchststudienzeit nicht befürwortete, hat der zuständige Prüfungsausschuss entschieden, dass die Fortsetzung des Studiums des Antragstellers nicht genehmigt werde und hierzu das Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung - Fü S/UniBw - herzustellen sei. Das Bundesministerium der Verteidigung - Fü S/UniBw - hat daraufhin erklärt, dass die hochschulrechtliche Genehmigung zum Überschreiten der Höchststudienzeit von vier Jahren um vier Monate nicht erteilt werde. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidungen des Prüfungsausschusses und des Bundesministeriums der Verteidigung - Fü S/UniBw - und unter zum Teil wörtlicher Wiedergabe der dortigen Begründung hat schließlich das Personalamt dem Antragsteller die Entscheidung, dass die "hochschulrechtliche Genehmigung" zum Überschreiten der Höchststudienzeit nicht erteilt werde, in Bescheidform übermittelt.

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Für den materiellen Inhalt der Entscheidung, der für die Frage des Rechtswegs maßgeblich ist, sind damit ausschließlich Stellen verantwortlich, die mit hochschulrechtlichen und nicht mit truppendienstlichen Angelegenheiten befasst sind. Dies gilt nicht nur für den Prüfungsausschuss der Universität der Bundeswehr, sondern auch für die im Bundesministerium der Verteidigung zuständige Stelle "Fü S/UniBw", die im Führungsstab der Streitkräfte mit der Koordinierung und Steuerung aller akademischen Belange der beiden Bundeswehruniversitäten betraut ist und dabei ausschließlich Aufgaben im Bereich des Hochschulrechts sowie des Haushalts und teilweise der Organisation wahrnimmt. Hochschulrechtlicher Natur sind auch die Wirkungen der Ablehnung der Genehmigung zum Überschreiten der Höchststudienzeit. Sie betreffen nicht nur die unmittelbare Folgeentscheidung, ob die Diplomprüfung an der Universität der Bundeswehr wegen Überschreitens der Höchststudienzeit als endgültig nicht bestanden gilt. Die hochschulrechtliche Natur der hier strittigen Entscheidung zeigt sich vor allem an ihren (potenziellen) Auswirkungen auf den generellen, ggf. also auch an einer anderen Universität zu realisierenden Prüfungsanspruch des Antragstellers in dem von ihm gewählten Studiengang; so wurde dem Antragsteller das Überschreiten der Höchststudienzeit an der Universität der Bundeswehr auch bei seinem Antrag auf Zulassung zum entsprechenden Diplomstudiengang beim Karlsruher Institut für Technologie entgegengehalten.