Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 09.02.2011


BVerwG 09.02.2011 - 1 WB 59/10

Notwendige Beiladung bei Konkurrentenstreitigkeiten; entsprechende Anwendung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
1. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
09.02.2011
Aktenzeichen:
1 WB 59/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die notwendige Beiladung sind gemäß § 23a Abs. 2 WBO im Wehrbeschwerdeverfahren jedenfalls bei Konkurrentenstreitigkeiten um die Besetzung militärischer Dienstposten entsprechend anzuwenden (Änderung der Senatsrechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 21. Juli 2009 - BVerwG 1 WB 18.08 - BVerwGE 134, 228 <230 f.> = Buchholz 449.7 § 47 SBG Nr. 1).

Tatbestand

Der Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Obersten. Er wendet sich gegen eine Entscheidung des Abteilungsleiters Personal-, Sozial- und Zentralangelegenheiten (PSZ) im Bundesministerium der Verteidigung, den nach Besoldungsgruppe B 3 bewerteten Dienstposten eines Abteilungsleiters in einem Amt der Bundeswehr nicht mit ihm, dem Antragsteller, sondern mit einem anderen Kandidaten, Oberst i.G. W., zu besetzen. Der Antragsteller ist der Auffassung, dass er nach dem Grundsatz der Bestenauslese für die Besetzung des Dienstpostens besser geeignet ist als der ausgewählte Bewerber.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht begehrt der Antragsteller, die Auswahlentscheidung aufzuheben und den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Das Bundesverwaltungsgericht hat den ausgewählten Bewerber Oberst i.G. W. zum Verfahren beigeladen.

Entscheidungsgründe

...

2

1. Der ausgewählte Bewerber Oberst i.G. W. ist zum Verfahren beizuladen.

3

Nach der im gerichtlichen Antragsverfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung gemäß § 23a Abs. 2 WBO entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 65 Abs. 2 VwGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

4

Nach der Rechtsprechung des Senats zu Konkurrentenstreitigkeiten um die Besetzung militärischer Dienstposten konzentriert sich der Rechtsschutz des unterlegenen Bewerbers auf die Auswahlentscheidung des zuständigen Vorgesetzten bzw. der zuständigen personalbearbeitenden Stelle - hier die Entscheidung des Abteilungsleiters PSZ -, weil mit dieser Entscheidung - auch unter dem Blickwinkel einer möglichen Rechtsverletzung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO) - die maßgebliche Weichenstellung erfolgt. Mit den daran anschließenden Personalmaßnahmen, insbesondere der Versetzung des ausgewählten Bewerbers auf den betreffenden Dienstposten und der Ablehnung der Bewerbungen oder Anträge der unterlegenen Bewerber, werden, was die Konkurrenzsituation betrifft, keine eigenständigen Entscheidungen mehr getroffen, sondern lediglich die Konsequenzen aus der Auswahlentscheidung gezogen und diese umgesetzt; die Personalmaßnahmen "stehen" und "fallen" mit dem Bestand der Auswahlentscheidung (Beschluss vom 27. April 2010 - BVerwG 1 WB 39.09 - Rn. 20 § 3 SG Nr. 57>; vgl. ferner Beschlüsse vom 23. November 2010 - BVerwG 1 WB 3.10 und BVerwG 1 WB 5.10 -).

5

Ebenso wie die Auswahlentscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Amtes im Beamten- und Richterrecht stellt auch die Auswahlentscheidung zur Besetzung eines militärischen Dienstpostens eine notwendig einheitliche, rechtlich untrennbare Entscheidung dar; mit der Auswahl eines Bewerbers geht zwangsläufig die Ablehnung bzw. Nichtberücksichtigung der Mitbewerber einher (vgl. für das Beamten- und Richterrecht zusammenfassend Urteil vom 4. November 2010 - BVerwG 2 C 16.09 - Rn. 17 ff., insb. Rn. 25 ). Auch die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung des Abteilungsleiters PSZ kann im Verhältnis zwischen Oberst i.G. W. als dem ausgewählten Bewerber und aktuellen Inhaber des strittigen Dienstpostens einerseits und dem Antragsteller als einem der im Auswahlverfahren unterlegenen Bewerber nur einheitlich getroffen werden. Der Einheitlichkeit der Auswahlentscheidung entspricht deshalb die notwendige Beiladung von Oberst i.G. W. zu dem wehrdienstgerichtlichen Verfahren, mit dem sich der Antragsteller gegen die Auswahlentscheidung wendet.

6

2. Mit dem vorstehenden Beschluss ändert der Senat seine bisherige ständige Rechtsprechung, wonach eine Beiladung Dritter in gerichtlichen Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung nicht in Betracht kommt. An dieser Auffassung hält der Senat nach erneuter Überprüfung und nach Erörterung der Rechtsfrage mit der Bevollmächtigten des Antragstellers, dem Bundesminister der Verteidigung und dem Bundeswehrdisziplinaranwalt nicht fest. Der Senat geht nunmehr davon aus, dass die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die notwendige Beiladung gemäß § 23a Abs. 2 WBO im Wehrbeschwerdeverfahren jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation einer Konkurrentenstreitigkeit entsprechend anzuwenden und dritte Soldaten beizuladen sind, soweit auch ihnen gegenüber die gerichtliche Entscheidung nur einheitlich ergehen kann.

7

a) Das gerichtliche Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung ist - anders als das Klageverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung - als reines Antragsverfahren und nicht als kontradiktorischer Parteiprozess ausgestaltet (vgl. zu dieser Charakterisierung bereits Beschluss vom 17. Juli 1961 - WB 9.61 - BDHE 6, 185 <187>; ferner Beschluss vom 24. September 1969 - BVerwG 1 WB 35.68 - BVerwGE 33, 337 <338> = NZWehrr 1970, 20 <21> sowie Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, Einf. Rn. 95). Einziger formeller Verfahrensbeteiligter ist nach der gesetzlichen Konstruktion der Beschwerdeführer bzw. Antragsteller. Die Wehrbeschwerdeordnung sieht dagegen nicht die Beteiligtenstellung eines Beschwerde- bzw. Antragsgegners oder eines Beklagten im Sinne von § 63 Nr. 2 VwGO vor. Auch der Betroffene, d.h. derjenige Soldat, über den die Beschwerde geführt wird (§ 4 Abs. 3 Satz 3 WBO), ist nicht förmlich am Verfahren beteiligt; ihm ist lediglich rechtliches Gehör zu gewähren (§ 18 Abs. 2 Satz 4 WBO; Dau, a.a.O. § 18 Rn. 60). Schließlich kennt die Wehrbeschwerdeordnung selbst auch nicht das Rechtsinstitut der Beiladung und die entsprechende Beteiligtenstellung eines Beigeladenen im Sinne von § 63 Nr. 3 i.V.m. § 65 VwGO (vgl. hierzu ausdrücklich Beschlüsse vom 16. Januar 2008 - BVerwG 1 WB 33.07 - BVerwGE 130, 156 <165> = Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 68 und vom 21. Juli 2009 - BVerwG 1 WB 18.08 - BVerwGE 134, 228 <230 f.> = Buchholz 449.7 § 47 SBG Nr. 1).

8

Der Senat hat bisher auch die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung der Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung über die Beiladung verneint. Im Hinblick darauf, dass die Wehrbeschwerdeordnung das gerichtliche Verfahren nur in groben Zügen regelt, hat der Senat zwar seit jeher einzelne Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung - insbesondere soweit solche Ausdruck allgemeiner öffentlich-rechtlicher Prozessgrundsätze sind - ergänzend herangezogen (vgl. für die frühere Rechtsprechung Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997, § 18 Rn. 4 m.w.N.); er hat jedoch zugleich die Anwendung aller Vorschriften für ausgeschlossen gehalten, die verfahrensrechtlich an die Rechtsnatur des Parteiprozesses anknüpfen, wie insbesondere die §§ 64 und 65 VwGO. An dieser Rechtsprechung hat der Senat auch nach der am 1. Februar 2009 in Kraft getretenen Änderung der Wehrbeschwerdeordnung (durch Art. 5 des Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften vom 31. Juli 2008 ) festgehalten. Danach sieht § 23a Abs. 2 WBO n.F. in den gerichtlichen Antragsverfahren sowie in den neu geschaffenen Verfahren der Rechtsbeschwerde und der Nichtzulassungsbeschwerde nach §§ 22a und 22b WBO zur Ergänzung der Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung zwar ausdrücklich die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung vor, stellt diese jedoch zugleich unter den Vorbehalt, dass ihr "nicht die Eigenart des Wehrbeschwerdeverfahrens entgegensteht". Im Hinblick auf die Konzeption des gerichtlichen Verfahrens nach der Wehrbeschwerdeordnung als reines Antragsverfahren hat sich der Senat deshalb weiterhin gehindert gesehen, den Kreis der Verfahrensbeteiligten auszudehnen und insbesondere Dritte mit eigenen prozessualen Rechten zum Verfahren beizuladen (vgl. Beschluss vom 21. Juli 2009 a.a.O.; ebenso Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 23a Rn. 11).

9

Nach der bisherigen Rechtsprechung unterscheidet sich damit die prozessuale Situation bei Konkurrentenstreitigkeiten um die Besetzung militärischer Dienstposten von derjenigen bei beamten- oder richterrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten um die Vergabe öffentlicher Ämter, wo der ausgewählte Bewerber zu dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren des unterlegenen Bewerbers gemäß § 65 Abs. 2 VwGO stets notwendig beigeladen wird (vgl. Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, § 65 Rn. 26).

10

b) Die Annahme, dass eine Beiladung Dritter in gerichtlichen Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung nicht in Betracht kommt, führt zu Verwerfungen im Rechtsschutzsystem, die unter dem Blickwinkel einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung, der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erheblichen rechtlichen Bedenken begegnen.

11

Eine Konkurrentenstreitigkeit um die Besetzung eines Dienstpostens erledigt sich nicht dadurch, dass der betreffende Dienstposten mit dem ausgewählten Bewerber - hier: Oberst i.G. W. - besetzt worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung nicht dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; er müsste es vielmehr hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre (vgl. Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - Rn. 29 § 3 SG Nr. 50> und vom 27. April 2010 - BVerwG 1 WB 39.09 - Rn. 21 § 3 SG Nr. 57>, m.w.N.).

12

In dem somit auch nach Umsetzung der Auswahlentscheidung zulässigen Konkurrentenstreitverfahren des unterlegenen Bewerbers hat der ausgewählte Bewerber mangels Beiladung keine prozessuale Möglichkeit, mit eigenen Angriffs- und Verteidigungsmitteln (siehe § 66 VwGO) die ihm mit der angefochtenen Auswahlentscheidung zugesprochene Rechtsposition zu verteidigen. Er hat damit nicht, wie es Art. 103 Abs. 1 GG verlangt, die Gelegenheit, "vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Worte (zu) kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können" (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190> m.w.N.). Soweit der Bundesminister der Verteidigung im gerichtlichen Verfahren - wie in der Regel - die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung verteidigt, vertritt er damit zwar de facto zugleich die Interessen des ausgewählten Bewerbers; eine derartige Sachwalterschaft stellt jedoch keinen Ersatz für die Möglichkeit individuellen gerichtlichen Rechtsschutzes dar.

13

Auf der anderen Seite kann aber auch der unterlegene Bewerber ein legitimes Interesse an der Beiladung haben. Denn nur auf diese Weise kann er erreichen, dass im Falle seines Obsiegens die rechtskräftige Entscheidung des Wehrdienstgerichts (zur Rechtskraftfähigkeit wehrdienstgerichtlicher Entscheidungen vgl. Beschlüsse vom 18. Februar 1982 - BVerwG 1 WB 41.81 - BVerwGE 73, 348 sowie zuletzt vom 15. Juli 2008 - BVerwG 1 WB 25.07 - jeweils m.w.N.) auch den ausgewählten Bewerber bindet (siehe § 121 Nr. 1 i.V.m. § 63 Nr. 3 und § 65 Abs. 2 VwGO). Ohne eine solche Rechtskrafterstreckung besteht die Gefahr, dass der ausgewählte Bewerber im Wege einer Wehrbeschwerde gegen seine (im Anschluss an den erfolgreichen Antrag auf gerichtliche Entscheidung des zunächst unterlegenen Bewerbers verfügte) Wegversetzung von dem strittigen Dienstposten eine inzidente erneute Überprüfung der ursprünglichen Auswahlentscheidung herbeiführen könnte.

14

Soweit der im Auswahlverfahren unterlegene Bewerber vor dem Wehrdienstgericht obsiegt und der Bundesminister der Verteidigung verpflichtet wird, über die Besetzung des strittigen Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, bieten schließlich auch die in Bezug auf die erneute Auswahlentscheidung eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten keine Kompensation für die Defizite im Rechtsschutz hinsichtlich der ursprünglichen Auswahlentscheidung. Zum einen wiederholen sich die geschilderten Probleme, die sich aus der fehlenden Möglichkeit einer Beiladung ergeben, naturgemäß auch in einem Wehrbeschwerdeverfahren, das die erneute Auswahlentscheidung betrifft. Vor allem aber kann sich die zu beurteilende Konkurrenzsituation bei der erneuten Auswahlentscheidung gegenüber der ursprünglichen Auswahlentscheidung - etwa durch den Zu- oder Abgang von Bewerbern oder durch auswahlrelevante Verwendungen oder Ausbildungen, die einzelne Bewerber inzwischen durchlaufen haben - verändert haben. Denn maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der Anfechtung einer Auswahlentscheidung, verbunden mit dem Verpflichtungsantrag, über die Besetzung des Dienstpostens neu zu entscheiden, der Zeitpunkt des Erlasses der jeweils letzten Behördenentscheidung (Beschluss vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 <2> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 49 m.w.N.; vgl. ebenso für das Beamten- und Richterrecht Urteil vom 4. November 2010 - BVerwG 2 C 16.09 - Rn. 58 ).

15

Die geschilderten prozessrechtlichen Probleme sind schließlich vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Verfahrensrecht nicht nur dem Ziel dient, einen geordneten Verfahrensgang zu sichern, sondern im grundrechtlich relevanten Bereich auch das Mittel ist, im konkreten Fall dem Grundrechtsträger zu seinem verfassungsmäßigen Recht zu verhelfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1978 - 1 BvR 475/78 - BVerfGE 49, 252 <257>). Insofern ist es für die vorliegende Fallkonstellation der Konkurrentenstreitigkeiten von Bedeutung, dass sich Auswahlentscheidungen zur Besetzung höherwertiger militärischer Dienstposten an dem in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Leistungsgrundsatz bzw. Grundsatz der Bestenauslese zu orientieren haben, den § 3 Abs. 1 SG in das Dienstverhältnis der Soldaten übernimmt und ihn über Ernennungen hinaus ausdrücklich auf Verwendungsentscheidungen erstreckt (vgl. Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 <2 f.> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 49 und vom 25. März 2010 - BVerwG 1 WB 37.09 - BVerwGE 136, 204 <206 f.> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 56, jeweils m.w.N.).

16

c) Nach erneuter Überprüfung - insbesondere mit Blick auf die dargelegten Rechtsschutzdefizite - ändert der Senat seine Rechtsprechung. Der Senat geht künftig davon aus, dass die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die notwendige Beiladung gemäß § 23a Abs. 2 WBO im Wehrbeschwerdeverfahren jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation einer Konkurrentenstreitigkeit entsprechend anzuwenden sind. Die Eigenart des Wehrbeschwerdeverfahrens steht der Beiladung nicht entgegen.

17

Nach der bereits genannten, zum 1. Februar 2009 in Kraft getretenen Vorschrift des § 23a Abs. 2 WBO sind zur Ergänzung der Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung in den gerichtlichen Antragsverfahren sowie in den Verfahren nach den §§ 22a und 22b WBO (Rechtsbeschwerde und Nichtzulassungsbeschwerde) die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Eigenart des Beschwerdeverfahrens entgegensteht. § 23 Abs. 2 WBO enthält damit für die Ergänzung des von der Wehrbeschwerdeordnung nur in Grundzügen geregelten Prozessrechts einerseits eine allgemeine Verweisung auf die Verwaltungsgerichtsordnung, die andererseits unter den ebenso allgemeinen Vorbehalt der Vereinbarkeit mit der "Eigenart des Beschwerdeverfahrens" gestellt ist.

18

Bei der Auslegung des § 23a Abs. 2 WBO und der Bestimmung seiner Reichweite ist von dem - vom Bundesverfassungsgericht mit Bezug auf die dem materiellen Grundrechtsschutz dienende Funktion des Verfahrensrechts entwickelten und speziell auch für das Rechtsinstitut der Beiladung aktualisierten - Grundsatz auszugehen, dass das Verfahrensrecht im Blick auf die Grundrechte ausgelegt und angewendet werden muss; bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten ist diejenige zu wählen, die dem Gericht ermöglicht, die Grundrechte der Verfahrensbeteiligten durchzusetzen und zu verwirklichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1978 a.a.O. sowie - zur Beiladung im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO - Kammerbeschluss vom 19. Juli 2000 - 1 BvR 1053/93 - NVwZ 2000, 1283). Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG schließt zwar, obwohl sie vorbehaltlos formuliert ist, Einschränkungen, etwa im Interesse einer übersichtlichen Prozessführung, nicht aus. Derartige Einschränkungen unterliegen aber ihrerseits den Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben; sie müssen mit den Prinzipien einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar sein und dürfen den Rechtsschutz nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 <124 f.> m.w.N. sowie - zur Beiladung - Kammerbeschluss vom 19. Juli 2000 a.a.O.).

19

Sachgründe, die gegen die Heranziehung des Rechtsinstituts der notwendigen Beiladung in gerichtlichen Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung sprächen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr behebt die Beiladung des ausgewählten Bewerbers zu dem von dem unterlegenen Bewerber initiierten Konkurrentenstreitverfahren die oben dargelegten Rechtsschutzdefizite. Antragsteller und Beigeladener sind mit gleichen Rechten am Verfahren beteiligt. Auch die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung zur Besetzung des strittigen Dienstpostens ergeht einheitlich und mit gleicher Rechtskraft gegenüber dem Antragsteller und dem Beigeladenen.

20

Der entsprechenden Anwendung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung über die notwendige Beiladung steht schließlich auch die Eigenart des Wehrbeschwerdeverfahrens nicht entgegen. Die "Eigenart des Wehrbeschwerdeverfahrens" besteht, wie dargelegt, in seiner Konstruktion als nicht kontradiktorisches Antragsverfahren. Im Zentrum des Verfahrens steht der objektive Antragsgegenstand (eine dienstliche Maßnahme oder deren Unterlassen, § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO), dessen Überprüfung auf mögliche Verletzungen seiner im Wehrbeschwerdeverfahren rügbaren subjektiven Rechte (§ 17 Abs. 1 Satz 1 WBO) der Soldat mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung veranlassen kann. Vermieden werden soll hingegen, dass der beschwerdeführende Soldat durch die formalen Parteirollen von Antragsteller und Antragsgegner in ein prozessuales Gegenüber und Gegeneinander im Verhältnis zu seinen militärischen Vorgesetzten oder seinem Dienstherrn gezwungen wird.

21

Diese Konstruktion des Wehrbeschwerdeverfahrens wird durch die Beiladung eines dritten Soldaten zum gerichtlichen Verfahren, hier: des ausgewählten Bewerbers zum Konkurrentenstreit um die Besetzung eines Dienstpostens, nicht berührt. Eine prozessuale Konfrontation zwischen dem antragstellenden Soldaten und einem Träger öffentlicher Gewalt, etwa in Gestalt seiner militärischen Vorgesetzten oder seines Dienstherrn, auf der Antragsgegnerseite findet weiterhin nicht statt. Der beizuladende ausgewählte Bewerber ist für die strittige Auswahlentscheidung nicht verantwortlich; er ist vielmehr wie der Antragsteller Adressat der Auswahlentscheidung. Auch wenn zwischen dem Antragsteller und dem ausgewählten Bewerber naturgemäß ein Interessengegensatz besteht, geht es dem einen wie dem anderen Soldaten um den Schutz seiner Rechte. Die Besonderheit der vorliegenden Fallkonstellation besteht somit lediglich darin, dass das vom Antragsteller geltend gemachte Recht nicht isoliert, sondern nur einheitlich und gleichzeitig mit dem Recht eines anderen Soldaten, des ausgewählten Bewerbers, beurteilt werden kann. Da der ausgewählte Bewerber als durch die Auswahlentscheidung Begünstigter nicht die Rolle eines (parallelen) Antragstellers einnehmen kann, muss ihm die Verteidigung seiner Rechtsposition im gerichtlichen Verfahren auf andere Weise, eben durch die Beiladung, ermöglicht werden. Die Beteiligtenstellungen des Antragstellers und des notwendig Beigeladenen bilden so das prozessuale Gegenstück zur Einheitlichkeit und (materiell-)rechtlichen Untrennbarkeit der Auswahlentscheidung. Wesentlich dabei ist, dass die Erweiterung des Kreises der Beteiligten durch die Beiladung allein auf der Seite der rechtsschutzsuchenden Soldaten erfolgt und damit der nicht kontradiktorische Charakter des Wehrbeschwerdeverfahrens als Antragsverfahren gewahrt bleibt.

22

d) Da die Rechtsschutzdefizite der Wehrbeschwerdeordnung im Auslegungswege behoben werden können, muss eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht in Betracht gezogen werden.