Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 25.10.2011


BVerwG 25.10.2011 - 1 WB 20/11

Anordnung der Neufassung einer dienstlichen Beurteilung; keine anfechtbare dienstliche Maßnahme


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
1. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
25.10.2011
Aktenzeichen:
1 WB 20/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Die Anordnung der personalbearbeitenden Stelle, eine Neufassung der im Wege der Dienstaufsicht aufgehobenen regelmäßigen dienstlichen Beurteilung zu erstellen, ist keine gerichtlich anfechtbare Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO.

2. Das gleiche gilt für die Ablehnung eines Antrages des Soldaten, von einer Neufassung der Beurteilung abzusehen.

Gründe

...

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Der Antrag ist unzulässig.

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1. Sowohl der Wortlaut des vom Antragsteller formulierten Sachantrages als auch sein sonstiges Vorbringen machen deutlich, dass sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde ebenso wie mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht gegen die Aufhebung der dienstlichen Beurteilung wendet, sondern allein gegen die Anordnung, eine neue dienstliche Beurteilung zum Stichtag 30. September 2010 zu erstellen.

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Diese Anordnung stellt keine gerichtlich anfechtbare Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WBO) dar.

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Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 WBO kann ein Soldat die Wehrdienstgerichte anrufen, wenn sein Antrag bzw. seine Beschwerde eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Vorgesetztenpflichten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im zweiten Unterabschnitt des ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Daraus folgt, dass der Soldat nur solche Maßnahmen und Unterlassungen (§ 17 Abs. 3 WBO) seiner militärischen Vorgesetzten einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen kann, die unmittelbar gegen ihn gerichtet sind oder die - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirken (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 9. November 2005 - BVerwG 1 WB 34.05 - Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 59 = NZWehrr 2006, 209 m.w.N. und vom 29. Januar 2008 - BVerwG 1 WB 10.07 -). Der Antragsteller muss insoweit die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte oder ihm gegenüber bestehender Pflichten eines Vorgesetzten substantiiert darlegen, damit das Gericht prüfen kann, ob dies denkbar erscheint (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 24. Mai 2000 - BVerwG 1 WB 36.00 m.w.N. und vom 25. Oktober 2000 - BVerwG 1 WB 84.00 - BVerwGE 112, 133 = Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 41). Überlegungen, Bewertungen, Stellungnahmen oder Zwischenentscheidungen, die lediglich der Vorbereitung von truppendienstlichen Maßnahmen oder Personalmaßnahmen dienen, sind als Elemente innerdienstlicher Meinungsbildung noch keine die Rechte eines Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen; sie sind infolgedessen einer selbstständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 9. November 2005 a.a.O. m.w.N., vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 - § 3 SG Nr. 41> und vom 29. Januar 2008 - BVerwG 1 WB 10.07 -).

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Die hier angefochtene Anordnung ist eine solche Zwischenentscheidung, die lediglich dazu dient, die Erstellung einer dienstlichen Beurteilung zu veranlassen; erst die dienstliche Beurteilung stellt dann eine truppendienstliche Maßnahme dar. Die Entscheidung, eine neue dienstliche Beurteilung zum selben Stichtag von dem Disziplinarvorgesetzten anzufordern, ist eine in Nr. 903 Buchst. b ZDv 20/6 geregelte Folge der im Wege der Dienstaufsicht nach Nr. 901 ZDv 20/6 erfolgten Aufhebung der ursprünglichen dienstlichen Beurteilung. Sie stellt sich rechtlich nicht anders dar, als die Anforderung einer Sonderbeurteilung nach Nr. 206 Buchst. a ZDv 20/6 oder die Anforderung einer Beurteilung eines Reserveoffiziers oder Unteroffiziers nach Nr. 213 Buchst. e ZDv 20/6. Alle diese "Anforderungen" sollen lediglich den Disziplinarvorgesetzten veranlassen, eine dienstliche Beurteilung zu erstellen. Sie richten sich daher nicht an den Soldaten, sondern an die für die Erstellung der Beurteilung zuständigen Vorgesetzten und dienen ausschließlich der Vorbereitung einer künftigen truppendienstlichen Maßnahme.

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2. a) Sollte die im Sachantrag formulierte Verpflichtung zur Neubescheidung so zu verstehen sein, dass der Antragsteller damit seinen im Beschwerdeschreiben vom 5. Januar 2010 hilfsweise gestellten Antrag, auf die Neufassung der Beurteilung zu verzichten, weiter verfolgen will, wäre auch dieser Antrag unzulässig. Dieses Begehren ist nicht Gegenstand des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens geworden, weil weder die Stammdienststelle über den Antrag entschieden hat, noch der Bundesminister der Vereidigung als Beschwerdeinstanz sich im Beschwerdebescheid zu diesem Antrag verhalten hat.

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b) Der Antrag wäre im Übrigen aber auch unabhängig davon unzulässig. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass Entscheidungen der personalbearbeitenden Stelle im Wege der Dienstaufsicht nach Nr. 901 ZDv 20/6 einer wehrdienstgerichtlichen Nachprüfung entzogen sind. Die Dienstaufsicht obliegt dem zuständigen Vorgesetzten nicht gegenüber dem Untergebenen und dient damit nicht im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO der Wahrung der Rechte eines Soldaten. Der betroffene Soldat hat keinen Anspruch darauf, dass seine Beurteilung und/oder die Stellungnahme eines nächsthöheren Vorgesetzten zu dieser Beurteilung außerhalb eines förmlichen Beschwerdeverfahrens in Ausübung der Dienstaufsicht durch einen höheren Vorgesetzten oder durch personalbearbeitende Stellen aufgehoben werden (stRspr., vgl. Beschlüsse vom 26. Juni 2007 - BVerwG 1 WB 3.07 - m.w.N. und vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 11.08). Das Ergebnis einer dienstaufsichtlichen Prüfung in Gestalt eines Bescheides stellt ebenso wie die Unterlassung einer dienstaufsichtlichen Prüfung deshalb gegenüber dem betroffenen Soldaten keine anfechtbare truppendienstliche Maßnahme gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) dar. Dies gilt in gleicher Weise dann, wenn der Soldat die dienstaufsichtliche Prüfung beantragt hat (Beschlüsse vom 14. Dezember 2000 - BVerwG 1 WB 107.00, 113.00 - und vom 26. Juni 2007 - BVerwG 1 WB 3.07 -). An dieser Rechtsprechung hält der Senat (auch unter Berücksichtigung der insoweit nur redaktionell geringfügig geänderten Nr. 901 ZDv 20/6 in der Fassung vom 17. Januar 2007) fest (ebenso schon Beschluss vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 11.08 -).

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Im Kapitel 12 der ZDv 20/6 werden die Folgen einer aufgehobenen Beurteilung und deren Neufassung geregelt. Die Entscheidung der personalbearbeitenden Stelle nach Nr. 1204 ZDv 20/6, ob auf eine Neufassung verzichtet werden soll, stellt sich daher als Teil der dienstaufsichtlichen Prüfung dar, sodass auch die Ablehnung eines Antrages, auf die Neufassung zu verzichten, keine gerichtlich überprüfbare Maßnahme darstellt. An der in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren vertretenen gegenteiligen Ansicht (Beschluss vom 1. September 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 13.08 -) hält der Senat nicht fest.

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Allerdings kann die Aufhebung einer - bestandskräftigen - Beurteilung oder Stellungnahme im Wege der Dienstaufsicht durch die personalbearbeitende Stelle als dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO qualifiziert und wehrdienstgerichtlich angefochten werden, wenn sie gegen den Willen des Soldaten erfolgt ist und damit in seine Rechtsposition als Beurteilter eingreift (Beschlüsse vom 18. August 2004 - BVerwG 1 WB 8.04 - NZWehrr 2005, 118 und vom 26. Juni 2007 - BVerwG 1 WB 3.07 -). Das gleiche gilt für eine gegen den Willen des Soldaten getroffene Entscheidung, auf die Neufassung der Beurteilung zu verzichten, die das Recht des Soldaten auf regelmäßige Beurteilung gemäß § 2 Abs. 1 SLV/ Art. 3 Abs. 1 GG verletzen kann (vgl. dazu Beschluss vom 14. Januar 1997 - BVerwG 1 WB 86.96 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 3). Im vorliegenden Fall wendet sich der Antragsteller aber gerade nicht gegen die Aufhebung der dienstlichen Beurteilung und den damit verbundenen Eingriff in seine Rechtsposition als Beurteilter, sondern allein gegen die als Folge der Aufhebung angeordnete erneute Erstellung einer Beurteilung. Soweit der Antragsteller meint, auch die erneute Beurteilung werde aus verschiedenen Gründen wiederum rechtswidrig sein, ist er darauf angewiesen, dies in dem - bereits eingeleiteten - Rechtsbehelfsverfahren gegen die neue Beurteilung vorzubringen.