Entscheidungsdatum: 25.03.2014
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. Oktober 2013
a) im Fall 1 der Urteilsgründe im Strafausspruch und
b) im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung (Tat 2) sowie wegen einer weiteren gefährlichen Körperverletzung (Tat 1) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Sein Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung der für die Tat 1 festgesetzten Einzelstrafe und der gebildeten Gesamtstrafe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Das Landgericht hat festgestellt, dass sich der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe zunächst mit Bekannten auf dem Altstadtfest in H. aufhielt, später aber allein in den E. garten ging und sich dort hinsetzte, da er befürchtete, aufgrund seiner Alkoholisierung bei einem weiteren Auf- enthalt auf dem Altstadtfest Unruhe zu stiften. Von ihm unabhängig gelangte auch der Zeuge O. , mit dem der Angeklagte vorher zusammen war, dorthin. O. geriet im E. garten in eine eher zufällige Auseinandersetzung mit dem späteren Geschädigten A. . Als diese durch das Einschreiten anderer Personen bereits beendet war, näherte sich der Angeklagte, der das Geschehen wohl beobachtet hatte, und schlug den Geschädigten völlig überraschend mit der Faust zu Boden. Danach trat er mindestens einmal gegen den Kopf des am Boden liegenden Geschädigten, wobei der Tritt generell geeignet war, das Leben des Geschädigten zu gefährden. Bei seinem Vorgehen war nach den getroffenen Feststellungen wegen der Alkoholisierung des Angeklagten zwar seine Einsichtsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB weder erheblich vermindert oder aufgehoben, jedoch seine Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich vermindert.
Das Landgericht hat wegen dieser Tat den Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zugrunde gelegt und einen minder schweren Fall aufgrund der Umstände des Tatbildes abgelehnt. Eine Milderung gemäß § 21 StGB hat es erkennbar nicht geprüft.
II.
1. Ob bei Annahme des § 21 StGB eine Milderung vorzunehmen oder zu versagen ist, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei ist bei verminderter Schuldfähigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass der Schuldgehalt der Tat verringert ist, so dass eine Strafrahmenmilderung vorzunehmen ist, wenn nicht andere, schulderhöhende Gesichtspunkte dem entgegenstehen (BGH, Urteil vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40; Urteil vom 26. Mai 2004 - 2 StR 386/03, NStZ 2004, 619; st. Rspr.).
2. Aus den Urteilsgründen ergibt sich vorliegend nicht, warum die Strafkammer bezüglich der Tat 1 den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB nicht gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert oder unter Berücksichtigung des § 21 StGB keinen minder schweren Fall des § 224 Abs. 1 StGB angenommen hat.
Zwar führt die erheblich verminderte Schuldfähigkeit eines Täters nach § 21 StGB nicht zwingend, sondern nur fakultativ zu einer Strafrahmenmilderung. So kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Strafrahmenverschiebung u.U. dann abgelehnt werden, wenn der Täter schon früher unter Alkoholeinfluss straffällig geworden ist und deshalb wusste, dass er in einem solchen Zustand zu Straftaten neigt (BGH, Urteil vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40; Urteil vom 30. Oktober 1986 - 4 StR 501/86; Beschluss vom 9. Dezember 1986 - 4 StR 658/86, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 6). Von der Strafmilderung kann weiterhin auch dann abgesehen werden, wenn die nach § 21 StGB geringere Schuld durch anderweite schulderhöhende Momente ausgeglichen wird (BGH, Beschluss vom 18. Juni 1985 - 4 StR 232/85). Allein der Umstand, dass der Angeklagte das Altstadtfest verließ und in den E. garten ging, da er befürchtete, aufgrund seiner Alkoholisierung bei einem weiteren Aufenthalt auf dem Altstadtfest Unruhe zu stiften, muss nicht zwingend zur Versagung der Milderungsmöglichkeit führen, weil der Angeklagte sich gerade an einen vermeintlich ruhigeren Platz zurückzog, um Auseinandersetzungen zu vermeiden.
3. Da somit nicht erkennbar ist, warum hier - anders als im Fall 2 der Urteilsgründe - eine Berücksichtigung des § 21 StGB unterblieben ist, waren der diesbezügliche Strafausspruch sowie die damit gebildete Gesamtfreiheitsstrafe aufzuheben.
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RiBGH Prof. Dr. Radtke befindet |
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