Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 22.03.2012


BGH 22.03.2012 - 1 StR 618/11

Strafverfahren: Verwertbarkeit eines Geständnisses bei Drohung mit "Sanktionsschere" durch die Staatsanwaltschaft


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
22.03.2012
Aktenzeichen:
1 StR 618/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Duisburg, 31. Mai 2011, Az: 34 KLs - 141 Js 91/08 - 36/10
Zitierte Gesetze

Tenor

1. In den Fällen 10a, 10b und 10c der Urteilsgründe wird das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

2. Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 31. Mai 2011 mit der Maßgabe gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte schuldig ist der Steuerhinterziehung in sieben Fällen, der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen, der versuchten Steuerhinterziehung, des Kreditbetruges, des Betruges in zwei Fällen und der vorsätzlichen Verletzung der Insolvenzantragspflicht.

3. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen, Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen, versuchter Steuerhinterziehung, Kreditbetruges, Betruges in zwei Fällen, vorsätzlichen Bankrotts in drei Fällen, vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht in zwei Fällen und vorsätzlicher Verletzung der Insolvenzantragspflicht in vier Fällen zu vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten.

2

1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren in den Fällen 10a, 10b und 10c der Urteilsgründe aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein; die bisherigen Feststellungen des Landgerichts belegen nicht zweifelsfrei die Annahme der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung zu den für die Taten maßgeblichen Zeitpunkten.

3

Dies führt zu einer entsprechenden Änderung des Schuldspruchs. Trotz Wegfalls der für die eingestellten Taten verhängten Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten hat die Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren Bestand. Der Senat kann im Hinblick auf die verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen in Höhe von einmal drei Jahren, einmal zwei Jahren und drei Monaten, einmal zwei Jahren, zweimal einem Jahr und zehn Monaten, dreimal einem Jahr und neun Monaten, zweimal einem Jahr und sechs Monaten, zweimal einem Jahr und drei Monaten, einmal einem Jahr und einmal sechs Monaten trotz der Bestimmung des § 54 Abs. 2 Satz 2 StGB ausschließen, dass das Landgericht auf eine noch niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte, wenn es die für die eingestellten Fälle verhängten Einzelstrafen nicht in die Gesamtstrafenbildung einbezogen hätte.

4

2. Im verbleibenden Umfang der Verurteilung hat die Überprüfung des Urteils aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Die erhobenen Verfahrensrügen sind - unbeschadet der Frage ihrer Zulässigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09 Rn. 20 ff., und die umfassende Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft) - jedenfalls unbegründet.

5

Zur Rüge, das Geständnis des Angeklagten sei wegen Verstoßes gegen § 136a StPO, gegen § 257c StPO und gegen den Grundsatz fairen Verfahrens unverwertbar, weil seitens der Staatsanwaltschaft für den Fall des Bestreitens eine Freiheitsstrafe zwischen acht und neun Jahren „angedroht“ worden war, für den Fall des Geständnisses und umfassender Schadenswiedergutmachung indes eine solche zwischen vier und fünf Jahren, bemerkt der Senat: Angesichts der Vielzahl der Taten, der Höhe der jeweils erzielten Steuerhinterziehungserfolge und der deswegen zu beachtenden Grundsätze bei der Strafzumessung in Steuersachen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11) einerseits, einer gemäß § 46 Abs. 2 StGB zu beachtenden Strafmilderung eines umfassenden Geständnisses und einer mit besonderem Einsatz geleisteten Schadenswiedergutmachung andererseits erscheinen die von der Staatsanwaltschaft geäußerten Strafvorstellungen keinesfalls unrealistisch. Die Strafkammer hatte sich jedenfalls durch den protokollierten Hinweis, dass sie selbst keine Straferwartung geäußert und auch keine Straferwartungen anderer akzeptiert habe, hinreichend deutlich von den seitens der Staatsanwaltschaft in den Raum gestellten Straferwartungen distanziert. Die Strafkammer selbst hat im Rahmen einer dann - rechtsfehlerfrei - erfolgten Verständigung nach § 257c StPO eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen vier Jahren und vier Jahren und neun Monaten in Aussicht gestellt; durch die Verhängung einer der Untergrenze entsprechenden, den Rahmen schuldangemessenen Strafens nach unten gerade noch nicht verlassenden Freiheitsstrafe ist der Angeklagte nicht beschwert.

Nack    

       

Wahl    

       

    Hebenstreit

       

RiBGH Prof. Dr. Jäger ist

urlaubsabwesend und

deshalb an der Unterschrift    

gehindert.

       

       

       

       

Nack

       

Sander