Entscheidungsdatum: 20.11.2013
1. Die Verweisung in § 370 Abs. 6 Satz 2 AO in ihrer geltenden Fassung wie in ihren früheren Fassungen auf unionsrechtliche Vorschriften dient lediglich der begrifflichen Konkretisierung der im Gesetz genannten „harmonisierten Verbrauchsteuern für Waren“. Für diesen Zweck kommt es auf die Geltung der unionsrechtlichen Vorschrift nicht an.
2. Der Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) ist nicht verletzt, wenn eine Begriffskonkretisierung von Straftatbestandsmerkmalen durch Verweisung auf eine inhaltlich eindeutige Rechtsvorschrift erfolgt, die nicht (mehr) in Kraft ist.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. April 2013 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die im Zeitraum 14. Dezember 2010 bis März 2011 durch pflichtwidrige Nichteinreichung von Steuererklärungen bei den zuständigen slowakischen Finanzbehörden herbeigeführte Verkürzung der dort geschuldeten Mineralölsteuer unterfällt dem Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Verbindung mit § 370 Abs. 6 AO (bzgl. letzterer Vorschrift in der bis zum 13. Dezember 2011 geltenden Fassung).
1. Nach der im Tatzeitraum geltenden Fassung des § 370 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 AO finden die Absätze 1 bis 5 des § 370 AO auch dann Anwendung, wenn sich die Tat auf harmonisierte Verbrauchsteuern für die in Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 (ABl. EG Nr. L 76 S. 1) genannten Waren (nämlich Mineralöle, Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren) bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften verwaltet werden. Die in Bezug genommene Richtlinie wurde allerdings bereits mit Wirkung vom 1. April 2010, mithin vor Beginn des Tatzeitraums, aufgehoben und durch die Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14. Januar 2009, S. 12) ersetzt. Diese Richtlinie benennt über die Richtlinie 92/12/EWG hinausgehend weitere Waren, für die harmonisierte Verbrauchsteuern anfallen. Eine Anpassung der Verweisung in § 370 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 AO an das Unionsrecht erfolgte erst mit Wirkung vom 14. Dezember 2011 durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2592).
2. Dies führt jedoch nicht zu der von der Revision geltend gemachten Unanwendbarkeit von § 370 Abs. 1 AO auf die Hinterziehung in einem anderen Mitgliedstaat anfallender, in der Richtlinie 92/12/EWG genannter harmonisierter Verbrauchsteuern für im Zeitraum zwischen Aufhebung der Richtlinie und Anpassung der Verweisung begangene Taten. Die Regelung des § 370 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 AO genügte auch im Zeitraum zwischen dem 1. April 2010 und dem 13. Dezember 2011 mit Blick auf den in Bezug genommenen Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG und erfasste die Hinterziehung von Mineralölsteuer in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, damit auch in der Slowakischen Republik.
a) Das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot verlangt, dass die Strafnorm die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret umschreibt, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Der Wortlaut ist so zu fassen, dass die Normadressaten im Regelfall bereits anhand des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht (vgl. BVerfGE 126, 170, 195 mwN).
b) Diesen Voraussetzungen genügte § 370 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 AO in der im Tatzeitraum maßgeblichen Fassung ungeachtet der Erläuterung der in der Vorschrift selbst enthaltenen Formulierung „harmonisierte Verbrauchsteuern für Waren“ durch den Verweis auf eine nicht mehr in Geltung befindliche europäische Richtlinie. Die genannte gesetzliche Formulierung ermöglicht es, eindeutig zu erkennen, dass die Hinterziehung der Steuerart „harmonisierte Verbrauchsteuern für Waren“ in den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts fällt, wenn die Verbrauchsteuer durch einen anderen Mitgliedstaat verwaltet wird. Die Verweisung auf die Richtlinie dient dazu, die Wendung „harmonisierte Verbrauchsteuern für Waren“ begrifflich zu konkretisieren. Für den Rechtsunterworfenen wird dadurch eindeutig erkennbar, dass die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie genannten Waren diejenigen sind, auf die sich der Anwendungsbereich von § 370 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 AO erstreckt. Die Begriffskonkretisierung knüpft nicht an die Gültigkeit der Richtlinie an (so im Ergebnis auch Jäger in Klein, Abgabenordnung, 11. Aufl., § 370 Rn. 158; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 49. Lief., § 370 Rn. 556; Tully/Merz, wistra 2011, 121, 126), sondern bedient sich ihrer lediglich aus Gründen der Einfachheit, zum Zweck der Festlegung der dort genannten Warenarten. Die Begriffserläuterung hätte auch in § 370 Abs. 6 AO selbst oder durch Verweis auf eine sonstige Quelle erfolgen können, in der die erfassten Waren benannt werden. Auch wenn die Richtlinie 92/12/EWG im hier relevanten Zeitraum nicht mehr in Kraft war, legte sie im Sinne der Begriffskonkretisierung die in den Anwendungsbereich des § 370 Abs. 6 AO fallenden Waren, in Bezug auf die auch die Hinterziehung ausländischer Verbrauchsteuer dem deutschen Strafrecht unterfällt, abschließend fest. Der Umstand des Außerkraftseins der Richtlinie im Tatzeitraum führt nicht dazu, dass der Rechtsunterworfene das unter Strafe stehende Verhalten nicht (mehr) hätte erkennen können.
c) In der Konsequenz wirkt die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Technik der Begriffskonkretisierung durch Verweis auf die Richtlinie 92/12/EWG für im Zeitraum 1. April 2010 bis 13. Dezember 2011 begangene Taten allerdings insoweit tatbestandsbeschränkend, als Verbrauchsteuern, die im maßgeblichen Zeitraum zwar harmonisiert waren, die aber nicht in Art. 3 Abs. 1 der in Bezug genommenen Richtlinie 92/12/EWG genannt sind, nicht von § 370 Abs. 1 bis 5 AO erfasst werden. Dies gilt ungeachtet der Regelung in Art. 3 Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, wonach der in der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 (ABl. EG Nr. L 76 S. 1) genannte Begriff „Mineralöle“ dahin auszulegen ist, dass er neben Mineralölen auch alle Energieerzeugnisse und elektrischen Strom nach Art. 2 der erstgenannten Richtlinie umfasst.
Der Strafbarkeit des dem Angeklagten vorgeworfenen Verhaltens steht dies aber nicht entgegen. Mineralöle waren im Tatzeitraum angesichts der eindeutigen Begriffskonkretisierung über die Richtlinie 92/12/EWG von § 370 Abs. 6 AO erfasst.
Wahl |
Rothfuß |
Cirener |
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RiBGH Prof. Dr. Mosbacher ist |
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Radtke |
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