Entscheidungsdatum: 04.12.2018
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. März 2018 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts erschien der Geschädigte S. am 26. September 2017 kurz vor 16.00 Uhr im Kinderhort der Sp. am H. in N. , um dort seine Tochter abzuholen. Die Leiterin des Kinderhortes gab dem Geschädigten, der an diesem Tag aufgrund der bestehenden Umgangsregelung keinen Umgang mit dem bei der Mutter lebenden Mädchen hatte, das Kind nicht heraus, sondern verständigte dessen Mutter, die Zeugin R. , mit der sich der Geschädigte seit einiger Zeit in einer heftig geführten Umgangsstreitigkeit befand. Nach Eintreffen der Zeugin R. kam es zwischen dieser und dem Geschädigten vor dem Kinderhort zu einer verbalen Auseinandersetzung, in deren Folge die Zeugin R. den Angeklagten, mit dem sie zu dieser Zeit eine Beziehung unterhielt, über ihr Mobiltelefon anrief und ihm mitteilte, dass der Geschädigte sie und das Kind nicht gehen lasse.
Der Angeklagte begab sich hierauf ebenfalls vor den Kinderhort in den H. , der zu dieser Zeit aufgrund des schönen Wetters stark frequentiert war, und traf dort gegen 16.10 Uhr auf die Zeugin R. und den Geschädigten mit deren gemeinsamen Kind. Da sich sofort eine aggressive Atmosphäre entwickelte, zog sich die Zeugin R. mit ihrer Tochter in den nahegelegenen Kinderhort zurück. Der Angeklagte, der aufgrund früherer Äußerungen der Zeugin R. annahm, dass es sich bei dem Geschädigten um einen gewalttätigen Menschen handele, der zudem in der Vergangenheit professionell geboxt habe und im Krieg gewesen sei, versetzte diesem unmittelbar, nachdem sich die Zeugin R. mit dem Kind entfernt hatte, einen äußerst wuchtigen Faustschlag auf das linke Auge, wodurch der Geschädigte kurzzeitig bewusstlos wurde und zu Boden ging. Anschließend schlug der Angeklagte dem Geschädigten noch mindestens einmal mit der Faust in das Gesicht, würgte ihn von hinten mit dem Unterarm und trat ihm mindestens fünfmal mit dem Fuß, an dem er einen leichten Sommersportschuh trug, gegen den Kopf. Aufgrund dieser weiteren Gewalteinwirkung wurde der Geschädigte, dem es nicht mehr gelang, wieder auf die Füße zu kommen, noch einmal kurz bewusstlos.
Als der Geschädigte infolge der Tätlichkeiten des Angeklagten bereits im Gesicht blutverschmiert und durch ein Monokel-Hämatom mit intensiver Weichteilschwellung über dem linken Auge deutlich gezeichnet und sichtlich benommen war, packte der Angeklagte den am Boden kauernden Geschädigten an den Haaren und hielt dessen Kopf vor seine Handykamera, mit der er einen Videoclip drehte, während er ihm weiter gegen den Körper trat und schlug. Dabei redete der Angeklagte auf den Geschädigten ein, während von dessen Seite nur ein Keuchen und Stöhnen zu hören war. Auch nach der Videoaufnahme, durch die der Angeklagte den Geschädigten demütigen und die er der Zeugin R. zeigen wollte, setzte er die Fußtritte gegen den Kopf des Geschädigten fort. Die allgemeine Gefährlichkeit seines Tuns für das Leben des Geschädigten in der konkreten Situation war dem Angeklagten bewusst.
Der Angeklagte ließ schließlich von dem Geschädigten ab, noch bevor die wegen der außerordentlichen Brutalität des Vorgehens von mehreren unbeteiligten Tatzeugen und der Leiterin des Kinderhortes gerufene Polizei eintraf.
Der Geschädigte erlitt durch die Tat verschiedene Hauteinblutungen und Defekte im Kopfbereich, zudem trug er ein intensives Monokel-Hämatom links mit ausgeprägter Weichteilschwellung und Einblutung im Augenweiß, Einblutungen und Hautdefekte am Hals und an der rechten Kniestreckseite sowie einen verschobenen Bruch der rechten Elle davon.
II.
Die Revision, die keinen Rechtsfehler im Schuldspruch aufzeigt, führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs.
1. Die Strafbemessung (Strafrahmenbestimmung und Festsetzung der konkreten Strafe) ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, sie von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 2. Februar 2017 - 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106 und vom 16. April 2015 - 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240 jeweils mwN; Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 mwN).
2. Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs hält die Strafzumessung vorliegend revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat bei der Bemessung der Strafe rechtsfehlerhaft zu Lasten des Angeklagten darauf abgestellt, dass die am „helllichten Tag“ in einem zur Tatzeit „stark frequentierten“ Park begangene Tat geeignet sei, „das Rechtsempfinden und Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich zu stören“ (UA S. 16, 17).
Schon die strafschärfende Berücksichtigung von Tatzeit und Tatort begegnet durchgreifenden Bedenken, weil es sich hierbei - soweit nicht die Besonderheiten des Falles ausnahmsweise eine andere Betrachtung rechtfertigen - um ambivalente Umstände handelt, die für sich gesehen nichts über die Schuld des Täters besagen (LK/Theune, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 127). Besondere Umstände, aus denen sich gerade mit Blick auf Zeit und Ort der Tat eine schwerere Schuld des Angeklagten ergibt und die daher geeignet wären, eine höhere Strafe zu rechtfertigen, werden vom Landgericht weder benannt noch sind solche sonst ersichtlich.
Mit der strafschärfend berücksichtigten Wertung, die Tat sei geeignet, das Rechtsempfinden und Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich zu stören, hat zudem eine Erwägung Eingang in die Strafzumessung gefunden, die besorgen lässt, dass sich die Strafkammer rechtsfehlerhaft von generalpräventiven Erwägungen zur Verteidigung der Rechtsordnung (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 803, 809) leiten ließ und damit der erforderliche Bezug zur konkreten Tat und ihren tatsächlichen Bezügen aus dem Blick geraten ist. Die Annahme, die Tat sei geeignet, das Rechtsempfinden und Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich zu stören, ist im Übrigen auch nicht hinreichend belegt.
b) Gleiches gilt für die strafschärfend in die Strafzumessung eingeflossene Erwägung des Landgerichts, in der Herstellung des Videoclips von dem Geschädigten komme eine Verrohung der Sitten zum Ausdruck, der in aller Deutlichkeit Grenzen zu setzen seien. Zwar ist die strafschärfende Erwägung, dass von dem Geschädigten ein Videoclip gefertigt wurde, zulässig und wegen der damit für den Geschädigten verbundenen zusätzlichen Demütigung sogar naheliegend. Der weitere hieran angeschlossene Gesichtspunkt, dass dem in aller Deutlichkeit Grenzen zu setzen seien, ist jedoch ebenfalls rein generalpräventiv und in seiner Notwendigkeit nicht näher belegt.
Zudem enthalten diese Ausführungen eine moralisierende Äußerung, die in der Strafzumessung zu unterbleiben hat (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2018 - 2 StR 173/17; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 46 Rn. 107 mwN; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1444 mwN).
c) Das Landgericht hat schließlich die Schuld des Angeklagten bestimmende strafmildernde Erwägungen bei der Bemessung der Strafe unberücksichtigt gelassen.
Zwar ist eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen weder vorgeschrieben noch möglich, die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände sind aber gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO in den Urteilsgründen darzulegen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 2. Februar 2017 - 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106 und vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 jeweils mwN). Dem wird das landgerichtliche Urteil nicht in vollem Umfang gerecht.
Die Strafkammer hat nämlich nicht in die Strafzumessung einfließen lassen, dass der Angeklagte durch - teilweise wahrheitswidrige - Erzählungen der Zeugin R. in seinem Vorstellungsbild von der Person des Geschädigten als gewaltbereitem und gewalterfahrenem Menschen voreingestellt war. Dies lässt die unvermittelte und massive Einwirkung auf den Geschädigten durch den Angeklagten weniger unverständlich erscheinen. Denn der Angeklagte wollte nach seiner durch die Zeugin bewirkten Fehlvorstellung die Zeugin R. bei der Abwehr des Versuchs des Geschädigten unterstützen, sich entgegen der bestehenden Umgangsregelung Umgang mit dem Kind zu verschaffen.
3. Das Urteil beruht auf den aufgezeigten Rechtsfehlern, denn der Senat kann nicht ausschließen, dass sich diese bei der Bemessung der Strafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben.
4. Die zugrunde liegenden Feststellungen sind von den aufgezeigten Wertungsfehlern nicht betroffen und werden daher von der Aufhebung nicht umfasst. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Raum |
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