Entscheidungsdatum: 29.01.2014
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29. November 2012 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (Umsatz-)Steuerhinterziehung in neun Fällen und in einem weiteren Fall des Versuchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiervon wurden zwei Monate als vollstreckt erklärt.
Sämtliche Taten stehen im Zusammenhang mit internationalem Handel mit hochwertigen Neufahrzeugen. Allen Fällen liegt im Kern zu Grunde, dass der Angeklagte für die von ihm geführte A. in Umsatzsteuervoranmeldungen Vorsteuern aus Fahrzeugrechnungen mit Umsatzsteuerausweis geltend gemacht hatte, denen keine Fahrzeuglieferungen der rechnungsausstellenden Unternehmen zu Grunde lagen. Zudem hatte der Angeklagte, von einem Fall abgesehen, bei Fahrzeuglieferungen an italienische Fahrzeughändler im Benehmen mit diesen die Fahrzeugrechnungen nicht auf diese, sondern auf Scheinabnehmer ausgestellt und sich zu Unrecht auf die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen berufen.
Insgesamt machte der Angeklagte unberechtigt Vorsteuern aus mehr als 200 Scheinrechnungen geltend. Soweit die Taten vollendet wurden, belief sich der durch den Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen entstandene Steuerschaden zusammen auf rund 1,4 Mio. Euro und der Gesamtsteuerschaden auf rund 2,6 Mio. Euro.
Die auf die näher ausgeführte Sachrüge und Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten bleibt im Ergebnis erfolglos.
II.
Näher auszuführen ist lediglich Folgendes:
1. Einige der von der Strafkammer als Scheinrechnungen bewerteten Fahrzeugrechnungen waren von Firmen ausgestellt, deren Geschäftsführer der Zeuge G. war und die die Strafkammer deshalb als "G. - firmen" bezeichnet hat (im Folgenden daher: "G. firmen").
Dem liegt Folgendes zugrunde:
a) Der Angeklagte betätigte sich als "Wiederverkäufer" von Neufahrzeugen. Den Vertragshändlern war es von den Fahrzeugherstellern untersagt, Neufahrzeuge an "Wiederverkäufer" zu veräußern. "Wiederverkäufer" wie die vom Angeklagten geführte A. wurden in "schwarze Listen" aufgenommen, die die Fahrzeughersteller den Vertragshändlern überließen. Dementsprechend war es dem Angeklagten nicht möglich, für die A. Neufahrzeuge von Vertragshändlern zu erwerben.
Um dies zu umgehen, hatte G. Fahrzeuge nach vom Angeklagten vorgegebenen Ausstattungsmerkmalen ausgesucht und im Namen einer der "G. firmen" von verschiedenen Verkäufern erworben; das hierfür erforderliche Geld hatte ihm der Angeklagte zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt. Bei Lieferung des Fahrzeugs überließ G. das Fahrzeug dem Angeklagten für die A. und erteilte unter dem Namen der entsprechenden "G. firma" der A. eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis (Rechnungen lfd. Nummern 3 bis 4, 6 bis 8, 10 bis 12 und 14 bis 15 der tabellarischen Darstellung, UA S. 24).
Ob und ggf. inwieweit die jeweiligen Fahrzeugverkäufer Kenntnis vom Angeklagten und seinen Absprachen mit G. gehabt hatten, ist nicht festgestellt.
b) Die Strafkammer hat diese Rechnungen als Scheinrechnungen angesehen, weil die "G. firmen" bei der Belieferung der Firma des Angeklagten jeweils "nicht in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung" und damit nicht "unternehmerisch" tätig gewesen seien. Den Umstand, dass diese Firmen gegenüber den Fahrzeugverkäufern im eigenen Namen aufgetreten sind, hat die Strafkammer demgegenüber nicht als maßgeblich erachtet. Der Sache nach hat die Strafkammer, ohne diesen Ausdruck zu verwenden, die von dem Zeugen G. vertretenen Firmen erkennbar als "Strohmannfirmen" angesehen.
2. Allerdings kann auch ein "Strohmann", der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum "Hintermann" jedoch auf dessen Rechnung handelt, Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein. Ein "Strohmann", der von einem Dritten im eigenen Namen Leistungen bezieht, ist daher nicht etwa deshalb nicht selbständig i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG tätig, weil er die Leistungen auf Rechnung des "Hintermanns" empfängt und er dessen Weisungen verpflichtet ist (vgl. BFH, Urteil vom 18. Februar 2009 - V R 82/07, DStRE 2009, 739, 740 f.; zu Leistungen durch einen "Strohmann" vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, NJW 2013, 2449 mwN; BFH, Urteil vom 26. Juni 2003 - V R 22/02, DStRE 2004, 153 mwN). Dementsprechend kann es bei "Strohmanngeschäften" zu einer Verdoppelung der Leistungsbeziehungen kommen, so dass z.B. der Verkäufer an den "Strohmann" und dieser an den "Hintermann" liefert oder leistet (vgl. für Fälle der Verkaufskommission BFH, Urteil vom 12. Mai 2011 - V R 25/10, DStRE 2011, 1326 Rn. 21; vgl. auch Korn in Bunjes, UStG, 12. Aufl., § 2 Rn. 40 ff.).
"Vorgeschobene" Strohmanngeschäfte hingegen sind dann umsatzsteuerrechtlich (wie auch zivilrechtlich) unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein abgeschlossen sind, also die Vertragsparteien einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen eintreten sollen (vgl. § 41 Abs. 2 AO; vgl. BGH, Urteile vom 9. April 2012 - 1 StR 586/12, NJW 2013, 2449; vom 22. Mai 2003 - 5 StR 520/02, BGHR UStG § 2 Unternehmer 4, jeweils mwN).
a) Gemessen hieran ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die unter Einschaltung der "G. firmen" eingegangenen vertraglichen Beziehungen insgesamt ernst gemeint waren. Hierfür könnte sprechen, dass die Einbindung der "G. firmen" auf den dargelegten wirtschaftlichen Interessen beruhte, so dass deren Verhalten dem "Bild des Handels" nicht erkennbar zuwiderlief (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, BGHR UStG § 15 Abs. 1 Unternehmer 1 mwN, vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 - 5 StR 520/02, BGHR UStG § 2 Unternehmer 4).
Anders könnte es sich dann verhalten, wenn die ursprünglichen Verkäufer von den Absprachen zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen G. Kenntnis hatten. Diese Möglichkeit hat die Strafkammer nicht erkennbar erwogen, ebenso wenig, wie sie etwaiges Wissen der Verkäufer behandelt hat.
3. Letztlich kann dies aber auf sich beruhen. Selbst wenn sich nämlich der Schuldumfang im Hinblick auf den Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen, damit also um insgesamt rund 78.000 Euro verminderte, beträfe dies allenfalls jeweils nur einen geringfügigen Anteil der im jeweiligen Abrechnungszeitraum hinterzogenen Steuern; die für die Strafzumessung wesentliche Größenordnung des Steuerschadens bliebe jeweils unberührt.
Auf der Grundlage der Strafzumessungserwägungen der Strafkammer kann der Senat daher ausschließen, dass diese gegebenenfalls geringere Einzelstrafen verhängt hätte.
Raum Wahl Rothfuß
Jäger Radtke