Entscheidungsdatum: 04.09.2014
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 19. Mai 2014 mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen schweren räuberischen Diebstahls verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren räuberischen Diebstahls und wegen eines weiteren Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren zwei Monaten verurteilt.
1. Der Verurteilung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Der Angeklagte, der seinen Lebensunterhalt aus dem Diebstahl kleinteiliger Elektroartikel bestritt, entwendete zunächst am 14. Dezember 2013 gegen 16.55 Uhr aus den Geschäftsräumen eines Warenhauses in Bayreuth ein Parfum, ein LED-Leuchtband und vier Speicherkarten im Gesamtwert von 99,85 Euro.
Am 18. Januar 2014 entwendete er sodann gegen 14.45 Uhr aus dem M. markt in Bayreuth 17 Speicherkarten im Gesamtwert von 637,92 Euro. Bei dieser Tat führte er wissentlich ein scharfes Taschenmesser sowie eine Schere bei sich. Im Kassenbereich wurde der Angeklagte, der die Ware in seinem Jackenärmel verborgen hielt, von einem Detektiv gestellt. Nach den Feststellungen des Landgerichts wollte er nun "mitsamt seiner Diebesbeute fliehen" und versuchte dabei, "den Detektiv zur Seite zu stoßen" (UA S. 4). Dieser hielt ihn jedoch mit erheblichem Kraftaufwand fest und verbrachte ihn nach einem kurzen Gerangel unter Mithilfe eines anderen Mitarbeiters in das Detektivbüro. Auch dort versuchte der Angeklagte, "sich zu entreißen und mit der Beute zu fliehen" (UA S. 5), was nur unter Mithilfe eines dritten Mitarbeiters des Fachgeschäfts verhindert werden konnte.
In beiden Fällen beabsichtigte der Angeklagte, die entwendeten Speicherkarten gewinnbringend weiter zu verkaufen, um sich dadurch eine Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen.
2. Das Landgericht hat die Tat vom 14. Dezember 2013 als gewerbsmäßig begangenen Diebstahl gewertet und den Angeklagten insoweit unter Anwendung des Strafrahmens aus § 243 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Tat vom 18. Januar 2014 hat es als schweren räuberischen Diebstahl, qualifiziert durch das Merkmal des Beisichführens eines gefährlichen Werkzeugs (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB), gewertet und gegen den Angeklagten deswegen unter Anwendung des Strafrahmens aus § 250 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängt.
II.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen des am 14. Dezember 2013 begangenen Diebstahls weist - auch vor dem Hintergrund des gegen die Annahme gewerbsmäßiger Begehung gerichteten Revisionsvorbringens - aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 24. Juli 2014 zutreffend dargelegten Gründen keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf.
III.
Demgegenüber hält die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren räuberischen Diebstahls revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Urteilsausführungen enthalten hinsichtlich der subjektiven Tatseite durchgreifende Rechtsfehler.
1. Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen tragen die Annahme der für § 252 StGB erforderlichen Besitzerhaltungsabsicht nicht.
Der Täter eines räuberischen Diebstahls muss in Besitzerhaltungsabsicht handeln; dies bedeutet, dass die Gewaltanwendung oder Drohung zum Ziel haben muss, sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten (vgl. OLG Köln NJW-RR 2004, 299). Diese Absicht muss nicht der einzige Beweggrund des Täters für die Gewaltanwendung oder den Einsatz des Nötigungsmittels sein (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 4 StR 170/05, NStZ-RR 2005, 340 mwN). Eine bloße Fluchtabsicht genügt jedoch nicht (vgl. OLG Köln, aaO).
Bereits die von der Strafkammer gefundene Formulierung, der Angeklagte habe "mitsamt seiner Diebesbeute fliehen" wollen, lässt offen, ob es dem Angeklagten gerade auch auf die Erhaltung der Beute ankam, oder ob er lediglich fliehen wollte und hierbei die Beute - ohne dies in seine subjektive Vorstellung aufzunehmen - mitnahm. Gleiches gilt für die im Zusammenhang mit dem späteren Geschehen im Büro des Detektivs getroffene Feststellung, der Angeklagte habe versucht, "sich zu entreißen und mit der Beute zu fliehen". Die Flucht unter (objektiver) Mitnahme der Beute begründet die für den Tatbestand des § 252 StGB erforderliche Besitzerhaltungsabsicht nicht ohne weiteres, sondern legt sie allenfalls nahe (OLG Köln, aaO; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 252 Rn. 9 mwN).
2. Die Annahme einer Besitzerhaltungsabsicht fände im Übrigen auch keine Grundlage in der Beweiswürdigung der Strafkammer.
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, der sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2014 - 1 StR 649/13; Urteil vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 403/13 jew. mwN). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich soweit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (st. Rspr.; vgl. BGH, jew. aaO mwN).
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Beweiswürdigung der Strafkammer jedenfalls als lückenhaft, denn die Urteilsausführungen lassen nicht erkennen, woraus die Strafkammer den Schluss gezogen hat, der - die Umstände des Geschehens im Kassenbereich insgesamt bestreitende - Angeklagte habe sich durch die Anwendung von Gewalt gegen den Kaufhausdetektiv den Besitz der entwendeten Speicherkarten erhalten wollen. Allein aus dem - erwiesenen - Umstand, dass er sich seiner Beute nicht entledigte, sondern diese bis zum Eintreffen der Polizei im Büro des Kaufhausdetektivs bei sich trug, lässt sich eine Besitzerhaltungsabsicht nicht ableiten (Fischer, aaO, Rn. 9 mwN).
3. Der Schuldspruch wegen schweren räuberischen Diebstahls unterliegt deshalb mit den hierzu getroffenen Feststellungen der Aufhebung. Dies zieht die Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
Raum Graf Jäger
Cirener Mosbacher