Entscheidungsdatum: 05.11.2013
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Amberg vom 22. März 2013 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten dadurch entstanden Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen
Die Angeklagte wurde wegen 34 Fällen des (gewerbsmäßig begangenen) Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die höchste Einzelstrafe (Einsatzstrafe) beträgt ein Jahr und vier Monate Freiheitsstrafe, die niedrigste Einzelstrafe beträgt zwei Monate Freiheitsstrafe.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe und die Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt.
Sie bleibt im Ergebnis erfolglos.
1. Die Angeklagte und ihre (hier als Gehilfin rechtskräftig abgeurteilte) Schwester waren Anteilseigner und Geschäftsführer einer GmbH. Seit 2007 hatte die GmbH mit einer Bank „einen Rahmenvertrag CB Factoring für den Mittelstand über den Ankauf von Forderungen - Factoring aus Warenlieferungen und Dienstleistungen -“ abgeschlossen. Die Geschäftsbeziehungen zwischen GmbH - Gesamtumsatz 2008 noch 4 Mio. € - und Bank entwickelten sich zunächst problemlos. Als die GmbH jedoch nachfolgend „infolge der Wirtschaftskrise in Schieflage geriet“, verschaffte sich die Angeklagte zwischen Februar und Juli 2009 durch in 34 Fällen erfolgte Vorlage von insgesamt 86 Rechnungen über fingierte, verrechnete, beglichene oder einredebehaftete Forderungen zwischen 105 € und mehr als 18.000 € „Luft“ und schädigte so die Bank um insgesamt rund 700.000 €. Auf die Idee zu diesen Taten war die Angeklagte zunächst durch ein näher beschriebenes Versehen der Bank gekommen. Unmittelbar nachdem die Taten entdeckt waren, erfolgten Ersatzleistungen wie z.B. durch die Abtretung von Forderungen der GmbH, eines Pkws, Lebensversicherungen, den - noch im Streit befindlichen - Ansprüchen gegen die Brandversicherung. Nachdem diese Bemühungen (ohne etwaige Ansprüche gegen die Brandversicherung) zwar zu einer Schadensverminderung von rund 300.000 €, aber nicht zur vollständigen Schadenswiedergutmachung geführt hatten, erstattete die Bank nach etwa einem Jahr Strafanzeige.
Die durch ihre Selbständigkeit erheblich verschuldete Angeklagte, die zuletzt in einem Büro tätig war, lebt seither von dem Verdienst ihres Ehemannes. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Landgericht stand die Geburt ihres zweiten Kindes unmittelbar bevor.
2. Das gegen die Gesamtstrafenbildung gerichtete Vorbringen der Staatsanwaltschaft beschränkt sich in seinem Kern letztlich auf die Darlegung, die aus den - nicht angefochtenen - Einzelstrafen gebildete Gesamtstrafe sei unangemessen niedrig, weil die Strafkammer einige - von ihr nicht übersehene - Strafzumessungsgesichtspunkte anders hätte gewichten müssen. Revisible Rechtsfehler zeigt die Staatsanwaltschaft, die letztlich eine eigene Wertung an die Stelle der tatrichterlichen Beurteilung setzt, damit jedoch nicht auf. Dies hat der Generalbundesanwalt, auch schon in seinem Terminsantrag, zutreffend näher dargelegt.
Ergänzend ist lediglich Folgendes zu bemerken:
a) Die Staatsanwaltschaft bemängelt, die Strafkammer habe nicht berücksichtigt, dass die Angeklagte die Bank nicht auf deren Versehen (vgl. oben 1.) hingewiesen, sondern stattdessen die abgeurteilten Taten begangen hat. Damit ist verkannt, dass der Umstand, dass ein Angeklagter straffällig geworden ist, statt sich gesetzestreu zu verhalten, Voraussetzung für seine Strafbarkeit, aber kein schulderhöhender Umstand ist (BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 532/10 mwN).
b) Die Staatsanwaltschaft meint, „man (käme) nicht umhin, vergleichbare Strafen“ - damit dürfte wohl die Höhe sonst verhängter Strafen gemeint sein - „bei vergleichbar hohen Schäden und vergleichbar angewandter krimineller Energie heranzuziehen.“ Dies verkennt, dass für Vergleiche mit der Strafzumessung in anderen Urteilen bei Tatbeteiligten - etwa den Mitgliedern derselben Bande - regelmäßig kein Raum ist (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 1 StR 282/11, BGHSt 56, 262, 263). Für allgemeine Vergleiche mit nur gedachten Fällen gegen unbekannte Angeklagte wegen unbekannter Taten kann erst recht nichts anderes gelten.
3. Dennoch ist die Gesamtstrafenbildung nicht rechtsfehlerfrei.
a) Gegen die Angeklagte war am 4. April 2011 ein (rechtskräftig gewordener) Strafbefehl über 90 Tagessätze zu je 15 € ergangen. Obwohl sie spätestens seit 10. Dezember 2009 gewusst hatte, dass die oben genannte GmbH zahlungsunfähig war, hatte sie erst am 5. März 2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Die Geldstrafe war zum Zeitpunkt des vorliegenden Urteils vollständig vollstreckt, eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung also nicht mehr möglich. Deshalb wurde der Angeklagten bei der Gesamtstrafenbildung ein sog. Härteausgleich zugebilligt.
b) Wäre die Geldstrafe noch nicht vollstreckt gewesen, so hätte die Strafkammer zwei Möglichkeiten gehabt:
(1) Sie hätte die Geldstrafe gesondert neben der hier verhängten Freiheitsstrafe bestehen lassen können (§ 55 Abs. 1 Satz 1 StGB i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB).
Es bedarf keiner Darlegung, dass es keine Härte darstellt, dass diese Möglichkeit nicht mehr bestand.
(2) Andernfalls hätte die nachträgliche Einbeziehung der Geldstrafe in die Freiheitsstrafe diese erhöht, § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB und § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB. Eine Freiheitsstrafe ist jedoch gegenüber einer Geldstrafe das schwerere Strafübel. Es ist regelmäßig keine Härte, wenn deshalb, weil eine Geldstrafe bereits vollstreckt ist, eine Freiheitsstrafe nicht erhöht wird (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 - 3 StR 59/89). Anderes gilt nur dann, wenn die Geldstrafe durch Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wurde (BGH aaO; BGH, Beschluss vom 30. Januar 2001 - 4 StR 587/00; Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 27 mwN). Dies ergibt sich hier aus den Feststellungen nicht.
4. Ergibt eine Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten einen diesen begünstigenden Rechtsfehler bei der Festsetzung der Strafhöhe, so entfällt auch eine Strafaussetzung zur Bewährung; ein neuer Tatrichter wäre nicht an das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) gebunden. Daher kann an sich auf sich beruhen, ob die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung hier auch für sich genommen die Angeklagte begünstigende Rechtsfehler aufweist. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat jedoch, dass die Staatsanwaltschaft derartige Rechtsfehler weder zu § 56 Abs. 2 StGB noch zu § 56 Abs. 3 StGB aufzeigt.
5. Gleichwohl (vgl. oben 3.) hat das Urteil hier gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO Bestand. Diese Bestimmung ist auch anwendbar, wenn eine Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten ihn begünstigende Rechtsfehler ergibt (BGH, Urteil vom 16. März 2006 - 4 StR 536/05, BGHSt 51, 18). Der Senat hält die hier ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung in Übereinstimmung auch mit dem Generalbundesanwalt unter Berücksichtigung der dargelegten Feststellungen zu Taten und Täter und aller sonst aus den Urteilsgründen ersichtlichen für die Rechtsfolgenentscheidung bedeutsamen Umstände trotz des aufgezeigten Fehlers (vgl. oben 3.) für angemessen. Sonstige Gründe, die dies in Frage stellen könnten, sind weder geltend gemacht noch sonst erkennbar.
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