Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 20.05.2011


BGH 20.05.2011 - 1 StR 381/10

Revision im Strafverfahren: Zurechnung des Verschuldens des Verteidigers bei Versäumung der Frist für die Anhörungsrüge


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
20.05.2011
Aktenzeichen:
1 StR 381/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend BGH, 16. November 2010, Az: 1 StR 381/10, Beschlussvorgehend LG Landshut, 19. März 2010, Az: 3 KLs 52 Js 5484/03, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 16. November 2010 wird auf seine Kosten als unzulässig zurückgewiesen.

2. Die Anträge des Verurteilten, ihm gegen die Versäumung der Frist (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO) zur Antragstellung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 356a Satz 2 StPO und gegen die Versäumung der Frist des § 356a Satz 2 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, sind gegenstandslos.

Gründe

1

Mit Urteil des Landgerichts Landshut vom 19. März 2010 wurde C.       wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 31 Fällen und wegen Erschleichens einer Aufenthaltsgenehmigung in elf Fällen zu der Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu jeweils 20 € verurteilt. Gegen dieses Urteil legten sowohl der Angeklagte wie auch die Staatsanwaltschaft Revision ein. Das Rechtsmittel des Angeklagten verwarf der Senat mit Beschluss vom 16. November 2010 als unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Die Entscheidung wurde von der Geschäftsstelle des Senats am 18. November 2010 auch an den Angeklagten zur Übermittlung auf dem Postweg abgeschickt. Die Staatsanwaltschaft nahm ihre Revision zurück. Über die Kosten dieses Rechtsmittels entschied der Senat mit Beschluss vom 2. Dezember 2010.

2

Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2011 erhob der Verteidiger für den Angeklagten Gegenvorstellung gegen den Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2010.

3

Der Berichterstatter richtete dazu folgendes Schreiben an den Verteidiger:

"Nach der Begründung der Gegenvorstellung soll sich diese wohl gegen den Senatsbeschluss vom 16. November 2010 richten, mit dem die Revision des Verurteilten verworfen wurde. Die Gegenvorstellung wäre dann in eine - befristete - Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO umzudeuten (§ 300 StPO). Dies ist bei der Geltendmachung der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs bei Revisionsentscheidungen die speziellere Regelung. Die an keine Frist gebundene Gegenvorstellung ist deshalb daneben ebenso wenig statthaft wie die ebenfalls unbefristete Beanstandung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß § 33a StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2009 - 1 StR 444/08). Die Gehörsrüge dürfte aber verspätet sein (vgl. § 356a Satz 2 StPO). Der Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Senatsentscheidung (vgl. § 356a Satz 3) ist bislang auch nicht glaubhaft gemacht.

Sollte eine über die Frage der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hinausgehende nochmalige rechtliche Überprüfung des Verwerfungsbeschlusses und dessen Abänderung begehrt werden, ist darauf hinzuweisen, dass dem Senat eine Abänderung seiner Entscheidung verwehrt ist. Die Rechtskraft kann nur unter den Voraussetzungen des § 356a StPO durchbrochen werden. Darüber hinausgehende Rechtsbehelfe sind nicht statthaft."

4

Der Verteidiger reagierte hierauf mit Schreiben vom 25. Januar 2011. Er beantragte, seinem Mandanten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 356a Satz 2 StPO, als auch gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO zu gewähren. Den Mandanten treffe an der Säumnis keine Schuld. Der Verteidiger trage hierfür die Verantwortung, wie von ihm im Einzelnen dargelegt wird. Wann der Beschluss des Senats vom 16. November 2010 bei ihm eingegangen sei, wisse er nicht, da er versehentlich keinen Eingangsstempel angebracht habe und der Posteingang bei ihm auch nicht anderweitig erfasst werde. Am 29. November 2010 habe er den Senatsbeschluss seinem Mandanten per E-mail übersandt und darüber auch mit diesem telefoniert. Wann sein Mandant die an diesen von der Geschäftsstelle des Senats am 18. November 2010 abgeschickte Entscheidung erhalten hat, teilt der Verteidiger nicht mit und wird dementsprechend auch nicht glaubhaft gemacht. Er sei von der Möglichkeit einer fristunabhängigen Gegendarstellung ausgegangen; so habe er seinen Mandanten auch informiert. Die Regelung des § 356a StPO habe er übersehen. Das Schreiben des Senats vom 7. Januar 2011 habe er am 10. Januar 2011 erhalten. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen habe er weder die Wiedereinsetzungsfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO, noch eine Wiedervorlagefrist notiert.

5

Die Gehörsrüge ist schon deshalb unzulässig, weil nicht mitgeteilt sowie nicht glaubhaft gemacht wird und auch sonst nicht ersichtlich ist, wann der Verurteilte vom Verwerfungsbeschluss des Senats vom 16. November 2010, der an diesen am 18. November 2010 abgeschickt wurde, Kenntnis erlangt hat.

6

Auf die Wiedereinsetzungsanträge wegen eventueller Fristversäumnisse kommt es daher nicht mehr an. Sie sind gegenstandslos.

7

Ein etwaiges Verschulden des Verteidigers an der Versäumung einer Frist wäre seinem Mandanten im Verfahren über die Gehörsrüge allerdings zuzurechnen. Zwar sind im Strafverfahren schwerwiegende Verteidigerfehler, wie etwa die Unkenntnis von der Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels, die zur Fristversäumung führen, dem Beschuldigten in aller Regel nicht anzulasten. Dies gilt jedoch entsprechend § 93 Abs. 2 Satz 6 BVerfGG nicht bei der Frage, ob die Versäumung der Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO unverschuldet war (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2008 - 1 StR 162/08, Rn. 17 f.).

8

Sollte der Verurteilte - wofür allerdings nichts spricht - doch erst am 29. November 2010 über seinen Verteidiger von der Erfolglosigkeit seines Rechtmittels Kenntnis erlangt haben, wäre die in einen Antrag nach § 356a StPO umzudeutende (§ 300 StPO) Gegenvorstellung seines Verteidigers noch innerhalb der Frist des § 356a Satz 2 StPO beim Senat eingegangen. Die Wiedereinsetzungsanträge wären deshalb auch dann gegenstandslos.

9

Der Anhörungsrüge bliebe aber gleichwohl der Erfolg versagt. Denn eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Der Senat hat bei seiner Entscheidung zum Nachteil des Verurteilten weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen dieser nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen.

Wahl                                   Rothfuß                                 Hebenstreit

                   Elf                                           Jäger