Entscheidungsdatum: 13.07.2018
1. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 4. September 2017 - soweit es ihn betrifft - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten M. , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten E. gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 4. September 2017 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Angeklagte E. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten E. wegen Steuerhinterziehung in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten M. wegen Steuerhinterziehung in 20 tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensrügen gestützten Revisionen der Angeklagten. Während die Revision des Angeklagten M. mit einer Verfahrensrüge Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO), ist das Rechtsmittel des Angeklagten E. gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
I.
1. Die Revision des Angeklagten M. hat mit der Rüge der Verletzung des § 265 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StPO in der Fassung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I, 3202) in vollem Umfang Erfolg. Eines Eingehens auf die weitere Verfahrensrüge und die Sachrüge bedarf es daher nicht.
a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage waren dem Angeklagten M. drei Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung hinsichtlich der C. Ltd. für die Jahre 2006 bis 2009 und 17 Fälle der mittäterschaftlichen Steuerhinterziehung hinsichtlich der L. GmbH zur Last gelegt worden. Die Anklageschrift war jeweils von Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) sowie davon ausgegangen, dass für eine mittäterschaftliche Begehung eine rein faktische Geschäftsführerstellung nicht ausreichend sei. Die erforderliche Rechtspflicht zur Aufklärung über steuerliche Tatsachen (§ 35 AO) habe für den Angeklagten M. erst ab dem 11. November 2011 bestanden, so dass diesem nur für die nach diesem Zeitpunkt eingereichten Steuererklärungen mittäterschaftliches Handeln zur Last gelegt wurde.
In einem noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgten Gespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten gemäß § 202a StPO wies der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer darauf hin, dass das Gericht entgegen der rechtlichen Wertung in der Anklageschrift Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) für gegeben erachte, so dass es auf eine Organ- oder Pflichtenstellung des Angeklagten M. für eine täterschaftliche Strafbarkeit nicht ankomme. Weitere Ausführungen zur Beteiligungsform des Angeklagten M. erfolgten in diesem Rahmen nicht. Diese Einschätzung wiederholte der Vorsitzende in einem weiteren Gespräch am dritten Hauptverhandlungstag.
Am 20. Hauptverhandlungstag erteilte der Vorsitzende sodann den rechtlichen Hinweis, dass bei dem Angeklagten M. „auch eine Verurteilung wegen mittäterschaftlicher Umsatzsteuerhinterziehung für die Jahre 2006 - 2009 in Betracht“ komme.
Nach weiteren sieben Hauptverhandlungstagen wurde die Beweisaufnahme geschlossen, ohne dass bis dahin weitere Hinweise erfolgt wären. Im unmittelbaren Anschluss hielt der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft seinen Schlussvortrag und beantragte darin, den Angeklagten M. wegen 20 (tatmehrheitlichen) Fällen der mittäterschaftlich begangenen Steuerhinterziehung zu verurteilten.
Die Plädoyers der Verteidiger waren für den nächsten Hauptverhandlungstag in der Folgewoche vorgesehen. In diesem Termin trat die Strafkammer jedoch wieder in die Beweisaufnahme ein. Sie erteilte den rechtlichen Hinweis,
„dass beim Angeklagten M. in Abweichung von der Anklage auch eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in 20 tateinheitlichen Fällen in Betracht kommt unter dem Gesichtspunkt eines uneigentlichen Organisationsdelikts. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Anknüpfungspunkt für die strafbare Handlung nicht eine individualisierte Tathandlung ist, die jeder einzelnen Tat zugeordnet werden kann, sondern der Täter die organisatorische Grundlage für eine Vielzahl von Taten des Vordermanns schafft“.
In der Folge wurde die Beweisaufnahme erneut geschlossen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hielt seinen Schlussvortrag. Anschließend trat die Strafkammer, da die Verteidigung des Angeklagten E. verschiedene Anträge angekündigt hatte, wieder in die Beweisaufnahme ein. Nach Stellung der Anträge wurde die Hauptverhandlung für 24 Minuten unterbrochen und danach fortgesetzt. Die Verteidigung des Angeklagten M. beantragte im Hinblick auf den o.g. Hinweis, die Hauptverhandlung auszusetzen, hilfsweise zu unterbrechen und am selben Tag nicht mehr fortzusetzen. Die Verteidigung sei zur Frage der Zurechnung über die Konstruktion des uneigentlichen Organisationsdelikts nicht vorbereitet, so dass insofern eine angemessene Verteidigung nicht gewährleistet werden könne.
Die Strafkammer wies diesen Antrag nach einer weiteren 19-minütigen Unterbrechung der Hauptverhandlung unter Verweis auf den Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen zurück; der erteilte Hinweis betreffe „lediglich die Frage der zutreffenden Beurteilung der Konkurrenzen und die rechtliche Einordnung täterschaftlicher Begehungsweise“. Auch sei eine Beurteilung als tateinheitliche Begehung nicht geeignet, zu einer Erhöhung der Strafe zu führen.
Nachdem die Beweisaufnahme wiederum geschlossen worden war, plädierten zunächst der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft durch Wiederholung seiner Anträge und die Verteidiger des Angeklagten E. . Nach einer 55-minütigen Mittagspause erhielten die Verteidiger des Angeklagten M. das Wort. Diese stellten im Rahmen ihrer Schlussvorträge sechs Hilfsbeweisanträge, die darauf ausgerichtet waren, dass dem Angeklagten M. keine für eine mittäterschaftliche Tatbegehung erforderlichen, individualisierbaren Tatbeiträge nachgewiesen werden könnten.
Der Angeklagte M. wurde schließlich in dem Folgetermin, der fünf Tage später stattfand, entsprechend des oben genannten Hinweises verurteilt, d.h. die Strafkammer ging von der Beteiligungsform der mittelbaren Täterschaft in Form eines uneigentlichen Organisationsdelikts aus. Die Hilfsbeweisanträge wurden im Wesentlichen als tatsächlich bedeutungslos abgelehnt; daraus, dass der Angeklagte nicht als Verantwortlicher nach außen aufgetreten sei, folge nicht zwingend, dass er nicht der Verantwortliche im Hintergrund gewesen sei.
b) Mit der Verfahrensrüge macht die Verteidigung geltend, wenn sie die Möglichkeit erhalten hätte, ihr Verteidigungsverhalten an den Hinweis anzupassen, hätte sie zum einen ihr Plädoyer entsprechend überarbeitet, insbesondere ihre Mitschriften und die Ergebnisse der Beweisaufnahme mit Fokus auf die Anforderungen des uneigentlichen Organisationsdelikts ausgewertet.
Zum anderen hätte sie weitere Beweisanträge gestellt und dargelegt, dass der Angeklagte M. keine auf Steuerhinterziehung ausgerichtete Organisationsstruktur geschaffen habe. Diese weiteren Beweisanträge, die die Revision mitgeteilt hat, betreffen im Wesentlichen die Themenkomplexe Anweisung des Angeklagten E. , steuerliche Probleme zu klären und sich fachkundig beraten zu lassen, Kündigung des Angeklagten E. infolge der Kassenmanipulationen sowie mangelnder Einfluss des Angeklagten M. auf die gegenüber den Prostituierten verwendeten Mietverträge.
Schließlich hätte sich der Angeklagte M. ergänzend mit Blick auf die Zurechnungserfordernisse des uneigentlichen Organisationsdelikts eingelassen.
2. Diese Verfahrensweise verletzt § 265 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 StPO.
a) Sinn und Zweck des § 265 Abs. 1 StPO ist es, den Angeklagten vor Überraschungen zu schützen und eine Beschränkung seiner Verteidigung zu verhindern. Deshalb verlangt das Gesetz, dass er und seine Verteidiger in die Lage versetzt werden, ihre Verteidigung auf den neuen rechtlichen Gesichtspunkt einzurichten (vgl. BGH, Urteile vom 27. Mai 1952 - 1 StR 160/52, BGHSt 2, 371, 373; vom 3. November 1959 - 1 StR 425/59, BGHSt 313, 320 f.; vom 16. Oktober 1962 - 5 StR 276/62, BGHSt 18, 56, 57; vom 19. Januar 1965 - 5 StR 578/64 Rn. 7 und vom 30. Oktober 1979 - 1 StR 570/79, NJW 1980, 714; vgl. auch LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 1 ff.).
Auf einer ähnlichen Überlegung basiert § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO, der das Gericht zu einem Hinweis verpflichtet, wenn es von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will; dadurch sollen Überraschungsentscheidungen entgegen dem durch die vorherige Mitteilung bei den Verfahrensbeteiligten geschaffenen Vertrauenstatbestand vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 18/11277, 37).
Nach beiden Vorschriften ist daher zweierlei erforderlich: Zum einen muss der erforderliche Hinweis so beschaffen sein, dass der Angeklagte und sein Verteidiger aus ihm allein oder in Verbindung mit dem Inhalt der Anklage und des Eröffnungsbeschlusses erkennen können, welche Tat der Hinweis betrifft, welches Strafgesetz nach Auffassung des Gerichts auf sie anzuwenden ist und durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale als erfüllt ansieht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 StR 140/98, NStZ 1998, 529, 530). Zum anderen muss dem Angeklagten nach Erteilung des Hinweises ausreichend Gelegenheit zur Verteidigung gegeben werden. Dem zweiten Erfordernis wird die Verfahrensweise des Landgerichts nicht gerecht.
b) Zunächst war vorliegend sowohl nach § 265 Abs.1 StPO als auch nach Abs. 2 Nr. 2 StPO ein Hinweis erforderlich.
Eine Hinweispflicht gemäß § 265 Abs. 1 StPO besteht, wenn sich die rechtliche Beurteilung der Tat gegenüber der zugelassenen Anklage ändert, der Angeklagte also auf Grund eines anderen Strafgesetzes oder eines dort nicht angeführten straferhöhenden Umstandes verurteilt oder eine dort nicht angegebene Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn verhängt werden soll (LR/Stuckenberg, aaO Rn. 9). Entsprechendes gilt gemäß § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO nunmehr, wenn das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will.
Dies ist regelmäßig der Fall, wenn das Gericht im Urteil von einer anderen Teilnahmeform ausgehen will als die unverändert zugelassene Anklage (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 8. Oktober 1957 - 1 StR 318/57, BGHSt 11, 18, 19 und vom 21. November 1991 - 1 StR 552/90, NStZ 1992, 292, 293; Beschlüsse vom 12. April 1984 - 4 StR 160/84, StV 1984, 368; vom 17. Mai 1990 - 1 StR 157/90 Rn. 3, NStZ 1990, 449; vom 14. September 1994 - 5 StR 478/93, NStZ 1994, 46; vom 26. September 1995 - 1 StR 547/95, StV 1996, 82; vom 22. März 2012 - 4 StR 651/11 Rn. 3, StV 2012, 710 [nur redaktioneller Leitsatz]; vom 30. Juli 2013 - 2 StR 150/13 StraFo 2013, 480 und vom 14. Juni 2016 - 3 StR 196/16 Rn. 4, StV 2016, 778 [nur redaktioneller Leitsatz]) bzw. der erteilte Hinweis. Darauf, dass die Urteilsformel nicht mitteilt, welche Form der Alleintäterschaft vorliegt, kommt es nicht an; entscheidend ist, dass der Schuldvorwurf eine andere oder eine weitere Grundlage erhält (BGH, Beschluss vom 17. Mai 1990 - 1 StR 157/90, aaO). Dies gilt auch bei einem Wechsel von Mittäterschaft zu mittelbarer Täterschaft, da gegenüber diesem Vorwurf regelmäßig eine andere Verteidigung geboten ist. So kommt es bei Annahme eines uneigentlichen Organisationsdelikts, wenn also die Tathandlung in der Entwicklung eines einheitlichen Systems oder einer organisatorischen und planerischen Grundlage für eine Vielzahl von Taten besteht, auf Grund derer der Tatmittler mehrere selbständige gleichartige Taten begeht, gerade nicht mehr auf eine Beteiligung an Einzelakten an (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183 f. und Beschluss vom 29. November 2017 - 5 StR 335/17 Rn. 7, NStZ-RR 2018, 312 [nur redaktioneller Leitsatz]).
Dementsprechend scheint das Landgericht es nicht als erwiesen angesehen zu haben, dass der Angeklagte M. bei den verfahrensgegenständlichen Taten überhaupt irgendwie nach außen hin tätig geworden ist. Unter diesen Umständen konnte er sich vor einer Verurteilung solange sicher fühlen, als er nicht auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hingewiesen worden war (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 1952 - 5 StR 525/52, NJW 1952, 1385). Dies zeigen auch die von der Verteidigung im Rahmen der Schlussvorträge gestellten Hilfsbeweisanträge mit Blickrichtung auf das Fehlen individualisierbarer Tatbeiträge des Angeklagten M. , die vor dem Hintergrund des neuen Hinweises „quasi ins Leere“ gingen.
c) Zwar hat das Landgericht dem Angeklagten einen entsprechenden Hinweis erteilt. Es hat ihm und seinen Verteidigern anschließend aber nicht ausreichend Gelegenheit zur Verteidigung gegeben. Der Vorsitzende muss durch sein Verhalten zum Ausdruck bringen, dass das Gericht bereit ist, mit Rücksicht auf die eingetretene Veränderung Erklärungen und Anträge entgegenzunehmen und zu prüfen, und es muss dem Angeklagten zu solchen Erklärungen und Anträgen Zeit gelassen werden (vgl. bereits RG, Urteile vom 20. Februar 1891 - 12/91, RGSt 21, 372, 374 und vom 25. April 1894 - 1370/94, RGSt 25, 340, 342; Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 265 Rn. 89). Wie viel Zeit dem Angeklagten und seinen Verteidigern hierzu einzuräumen ist, lässt sich zwar nicht allgemein bestimmen. Jedenfalls muss sie aber unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse als ausreichend angesehen werden können (BGH, Urteil vom 19. Januar 1965 - 5 StR 578/64 Rn. 7).
Das war hier nicht der Fall. Die anwesenden Verteidiger des Angeklagten M. hatten, nachdem der Vorsitzende den Hinweis erteilt hatte, einen Aussetzungs- bzw. hilfsweisen Unterbrechungsantrag gestellt und darin ausdrücklich erklärt, die Verteidigung sei auf die Frage der Zurechnung über die Konstruktion des uneigentlichen Organisationsdelikts nicht vorbereitet und benötige dafür jedenfalls Zeit bis zum nächsten Hauptverhandlungstermin. Damit brachten sie zum Ausdruck, dass sie sich nach der bis dahin 28 Tage andauernden Hauptverhandlung nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und kurz vor den eigenen Schlussvorträgen außerstande fühlten, die Verteidigung gegenüber den veränderten rechtlichen Gesichtspunkten ordnungsgemäß zu führen.
Das war unter den dargelegten Umständen plausibel. Bei dem Gewicht der Veränderung und bei der Schwierigkeit des veränderten rechtlichen Gesichtspunktes, der nicht alltäglich ist und auf den sich die Verteidigung auch nach Kenntnis der Anklage und des Eröffnungsbeschlusses sowie des zwischenzeitlich erteilten rechtlichen Hinweises besonders hätte vorbereiten müssen, war zumindest eine längere Unterbrechung unerlässlich, die der Verteidigung eine hinreichend gründliche Vorbereitung auf die rechtliche Beurteilung des uneigentlichen Organisationsdelikts nebst allen dabei zu bedenkenden Verknüpfungen ermöglicht hätte. Die 55-minütige Mittagspause war hierfür jedenfalls nicht ausreichend. Auch konnte nicht erwartet werden, dass die Verteidigung während der laufenden Hauptverhandlung und unter Inkaufnahme, dieser nicht folgen zu können, unter Berücksichtigung der veränderten Rechtslage vorbereitet wird. Durch die Fortsetzung der Hauptverhandlung ohne nennenswerte Unterbrechung und Ablehnung des weitergehenden Unterbrechungsantrags, hat das Landgericht dem Angeklagten entgegen dem Willen des Gesetzgebers keine ausreichende Gelegenheit zur Vorbereitung einer Verteidigung gegenüber der veränderten Rechtslage gewährt und gegen § 265 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StPO verstoßen. Zugleich liegt darin eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung im Sinne von § 265 Abs. 4 i.V.m. § 338 Nr. 8 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1965 - 5 StR 578/64 Rn. 7 und Beschluss vom 1. März 1993 - 5 StR 698/92, NStZ 1993, 400).
§ 265 Abs. 4 StPO enthält einen über die voranstehenden Absätze hinausgehenden Grundsatz, der besagt, dass das Gericht im Rahmen seiner Justizgewährungspflicht für eine Verfahrensgestaltung zu sorgen hat, die die Wahrung der Verfahrensinteressen aller Verfahrensbeteiligten, vor allem aber die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht verkürzt. Der Begriff der „veränderten Sachlage“ darf daher nicht eng ausgelegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1958 - 4 StR 725/57, NJW 1958, 1736, 1737; Radtke in Radtke/Hohmann, aaO Rn. 106; LR/Stuckenberg, aaO Rn. 99; KK/Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 265 Rn. 29). Eine Veränderung der Sachlage ist daher auch anzunehmen, wenn das Gericht - wie vorliegend - aus den dem Angeklagten bereits aus der zugelassenen Anklage bekannten Tatsachen andere rechtliche Folgerungen zieht (BGH, Beschluss vom 1. März 1993 - 5 StR 698/92, aaO; so auch KK/Kuckein, aaO). Indem das Landgericht den hilfsweise gestellten Unterbrechungsantrag im Wesentlichen unter Hinweis auf das Beschleunigungsgebot und mit dem Argument ablehnte, der erteilte Hinweis betreffe lediglich Fragen der Konkurrenzen und der Art der Alleintäterschaft, übte es das ihm gemäß § 265 Abs. 4 StPO zustehende Ermessen nicht pflichtgemäß aus (zur Revisibilität der Ermessensausübung vgl. z.B. BGH, Urteil vom 19. Juni 1958 - 4 StR 725/57, NJW 1958, 1736, 1738 und Beschluss vom 27. Februar 2007 - 3 StR 44/07, StraFo 2007, 243); denn es nahm nicht ausreichend in den Blick, dass sich die Anforderungen an den Nachweis von Alleintäterschaft und mittelbarer Täterschaft in Form des uneigentlichen Organisationsdelikts deutlich unterscheiden, dass der Hinweis erst nach 28 Hauptverhandlungstagen erfolgte, nachdem die Beweisaufnahme bereits geschlossen worden war, und zeitnah bereits weitere Hauptverhandlungstermine anberaumt waren, so dass sich die Verzögerung durch eine weitergehende Unterbrechung in Grenzen gehalten hätte.
d) Auf diesem prozessualen Mangel beruht das Urteil. Die Möglichkeit einer anderen Verteidigung braucht nicht nahe zu liegen; es genügt, dass sie nicht mit Sicherheit auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 1989 - 1 StR 24/89, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 5). Bei einem Verstoß gegen § 265 Abs. 4 StPO ist dies nur ausnahmsweise der Fall (vgl. Radtke in Radtke/Hohmann, aaO Rn. 139). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben; angesichts der unterschiedlichen Anforderungen an den Tatnachweis für Mittäterschaft einerseits und mittelbare Täterschaft in Form eines uneigentlichen Organisationsdelikts kann der Senat nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können.
II.
Das Rechtsmittel des Angeklagten E. ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet; die Nachprüfung des Urteils aufgrund seiner Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
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