Entscheidungsdatum: 07.08.2012
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 9. Februar 2012 wird
a) das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt, soweit der Angeklagte wegen vier tatmehrheitlich begangener Vergehen des Betrugs verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen;
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Entziehung Minderjähriger, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie wegen - jeweils tateinheitlich begangener - Freiheitsberaubung, zweifacher Vergewaltigung und Nötigung schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Entziehung Minderjähriger, Betrugs in vier Fällen, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie - jeweils tateinheitlich begangener - Freiheitsberaubung, zweifacher Vergewaltigung und Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zu den aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderungen (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren in den Fällen II Taten 2 bis 5 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt wurde, gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 28. Juni 2012 ausgeführt:
„Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betrugs verstößt gegen den Spezialitätsgrundsatz, normiert in Artikel 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten - 2002/584/JI - (RbEUHb).
Der Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger. Der Lebenssachverhalt der von ihm begangenen Betrugstaten war weder Gegenstand des Europäischen Haftbefehls vom 9. November 2009 (vgl. Verfahrensakten Bd. I, Bl. 220ff), noch des Internationalen Haftbefehls vom 30. Oktober 2009 (vgl. Verfahrensakten Bd. I, Bl. 84ff). Ein entsprechendes Nachtragsersuchen wurde nicht gestellt. Nach Aktenlage hat der Angeklagte auch nicht auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet. Seine ausdrückliche Zustimmung zur Übergabe wegen der im Europäischen Haftbefehl genannten Taten (vgl. Verfahrensakten Bd. I, Bl. 312,313) kann mangels anderweitiger Anhaltspunkte nicht zugleich als „ausdrücklicher Verzicht“ auch auf den Grundsatz der Spezialität nach Art. 13 Abs. 1 RbEUHb interpretiert werden (vgl. BGH 1. Strafsenat, Urteil vom 08.08.1989 - 1 StR 296/89 -, Fundstelle juris Rdnr. 2 m.w.N. zu Art. 14 EuALÜbK). Ein Entfallen der Spezialität nach Art. 27 Abs. 3 b) RbEUHb ist ebenfalls nicht gegeben.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich bei einer Auslieferung aufgrund Europäischen Haftbefehls aus einem Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz kein Verfahrenshindernis, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis und ein Verbot freiheitsbeschränkender Maßnahmen (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08 [Leymann und Pustovarov], NStZ 2010, 35 mit Anm. Dr. Heine; konkludent zustimmend: BGH 1. Strafsenat, Beschluss vom 09.02.2012 - 1 StR 152/11 -, Fundstelle juris Rdn. 20).
Gleichwohl erscheint im vorliegenden Fall - auch aus Gründen der gebotenen Verfahrensbeschleunigung in Haftsachen - kein Innehalten zur Stellung eines Nachtragsersuchens veranlasst, sondern die beantragte Teileinstellung des Verfahrens opportun.“
Dem tritt der Senat bei.
Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe bleibt von der teilweisen Einstellung des Verfahrens unberührt. Der Senat schließt im Hinblick auf die Einsatzstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe und die übrigen in die Gesamtstrafe einzubeziehenden Einzelstrafen von vier Jahren sowie zwei Jahren und acht Monaten aus, dass sich der Wegfall der Verurteilungen im Fall II. mit zweimal drei Monaten sowie vier und sieben Monaten Freiheitsstrafe auf den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt hätte.
Im Hinblick auf den lediglich geringfügigen Erfolg des Rechtsmittels erscheint es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den verbliebenen Kosten zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
RiBGH Rothfuß ist urlaubsabwesend |
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