Entscheidungsdatum: 06.09.2017
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 2. März 2017 mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Am 24. März 2016 gegen 20.15 Uhr hielt sich der spätere Geschädigte R. im Wohnzimmer der von ihm gemeinsam mit dem Angeklagten bewohnten Wohnung auf und schaute Fernsehen. Der Angeklagte setzte sich zu ihm, wobei es zu einer verbalen Auseinandersetzung kam, in deren Verlauf sich beide erhoben. Der Angeklagte begann nun den Geschädigten zu schubsen. Als dieser ihn daraufhin am Pullover packen wollte, stieß ihn der Angeklagte mit dem Ellenbogen gegen den Oberkörper. Hierdurch ging der Geschädigte zu Boden, wobei er einen Tisch umstieß. Als der Geschädigte sich wieder aufrichten wollte, packte ihn der Angeklagte an der Schulter und schüttelte ihn. Es entwickelte sich eine Rangelei am Boden, in deren Verlauf der Geschädigte unter dem Angeklagten zum Liegen kam. Der Angeklagte presste ihm nun einen elastischen Gegenstand über Nase und Mund, so dass der Geschädigte - wie vom Angeklagten beabsichtigt - keine Luft mehr bekam. Der Geschädigte versuchte sich zu befreien und boxte dem Angeklagten mehrere Male in die Seite. Dieser hielt dem Geschädigten aber weiter Mund und Nase zu bis er nur noch röchelte und sich nicht mehr wehrte. In der Absicht den Geschädigten zu töten, drückte der Angeklagte weitere drei Minuten auf Mund und Nase, so dass dieser weiterhin keine Luft bekam und infolge des vom Angeklagten verursachten Sauerstoffmangels verstarb.
2. Das Landgericht geht davon aus, dass der Angeklagte zwar in der Lage war, das Unrecht seiner Tat einzusehen, aber erheblich in seiner Fähigkeit eingeschränkt war, nach dieser Einsicht zu handeln, und schließt sich dabei den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen an, der beim Angeklagten eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert hatte und damit eine krankhafte seelische Störung im Sinne eines Dauerzustandes als Eingangsmerkmal nach § 20 StGB.
II.
Die Revision des Angeklagten ist überwiegend begründet. Die Schuldfähigkeitsprüfung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Schon dadurch wird auch die Erforderlichkeit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB nicht rechtsfehlerfrei dargelegt.
1. Die Ausführungen des Landgerichts zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft und ermöglichen dem Senat keine Nachprüfung, ob es zu Recht eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit bejaht und eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ausgeschlossen hat.
a) Wenn sich das Landgericht - wie hier - darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss es dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305 mwN). Dies gilt besonders in Fällen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Gerade hier führt die Diagnose einer solchen Erkrankung für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. April 2012 - 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 23. August 2012 - 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98 und vom 29. April 2014 - 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 243). Erforderlich ist vielmehr die Feststellung eines akuten Schubs der Erkrankung sowie die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 - 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305 und vom 29. Mai 2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307).
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe im vorliegenden Fall nicht gerecht. Vor allem fehlt eine nähere Darlegung des Einflusses des diagnostizierten Störungsbildes auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation.
Die Urteilsgründe teilen zwar das Ergebnis der medizinischen Diagnose des psychiatrischen Sachverständigen mit, wonach bei dem Angeklagten seit Jahren eine paranoide Schizophrenie mit ausgeprägten und systematisch ausgestalteten Wahngedanken bestehe, die episodisch verlaufe (UA S. 19). Als Anknüpfungspunkte für diese Diagnose werden Umstände herangezogen, die in der früheren Krankengeschichte des Angeklagten liegen, die nur eine begrenzte Aussagekraft besitzen. So habe der Angeklagte dem Sachverständigen berichtet, bereits vor vielen Jahren von Frau Merkel und Herrn Westerwelle kontaktiert worden zu sein und 2003 von Franz Beckenbauer mit einem Zigeuner besucht worden zu sein. Es sei zu Vorfällen und körperlichen Übergriffen gekommen. Weiter habe der Angeklagte auch geschildert, dass er gehört habe, wie Nachbarn im Garten und in der Wohnung, aber auch Verkäufer in Geschäften schlecht über ihn geredet hätten. Mitarbeiter im Edeka-Markt hätten ihn als "Spezi vom Franz" bezeichnet. Gleichzeitig weist der Sachverständige aber auch darauf hin, dass es dem Angeklagten in der Vergangenheit immer wieder gelungen sei, in verschiedenen Lebensbereichen so weitgehende Anpassungsleistungen zu zeigen, dass er "nicht völlig aus den gesellschaftlichen Bezügen herausgefallen sei" (UA S. 21).
Ein erheblicher Einfluss der Krankheit auf das Handeln des Angeklagten wird aber gleichwohl angenommen, da die realen Konflikte zwischen ihm und dem Geschädigten, mit den wahnhaften Gedanken, dieser rede schlecht über ihn und billige dessen Misshandlung von Dritten, interagierten und sich so in einer erheblichen inneren Anspannung des Angeklagten auswirkten, was "seine Steuerungsfähigkeit maßgeblich eingeschränkt und so die aggressive Tathandlung im Sinne eines Erregungszustandes erheblich begünstigt" habe (UA S. 21). Auch sei beim Angeklagten keine weitreichende Distanzierung von diesen Wahrnehmungen zu erkennen gewesen, so dass "von einem anhaltenden wahnhaften Erleben ausgegangen werden" müsse. Damit wird das Vorliegen eines akuten psychotischen Schubs lediglich abstrakt als Möglichkeit in Betracht gezogen und durch die festgestellten Anpassungsleistungen des Angeklagten in der Vergangenheit auch wieder relativiert. Eine situationsbezogene Erörterung der Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten unter dem Einfluss der psychischen Erkrankung zum Zeitpunkt der konkreten Tatsituation wird aber nicht vorgenommen. Es fehlt damit an ausreichenden tatsächlichen Grundlagen für die Annahme eines aktuellen Schubs der Erkrankung und eines spezifischen Zusammenhangs zwischen der Erkrankung und der Tat. Die überwiegend abstrakten Erwägungen lassen im Hinblick auf die konkrete Tatausführung sowohl die Variante offen, dass der Angeklagte nicht von einem akuten Krankheitsschub betroffen war oder zumindest nur eine Möglichkeit hierfür bestand.
2. Da der Senat umgekehrt nicht gänzlich auszuschließen vermag, dass der Angeklagte im Zustand der Schuldunfähigkeit und nicht nur im Zustand verminderter Schuldfähigkeit handelte, muss über den Schuldspruch und die strafrechtlichen Rechtsfolgen der Tat einschließlich der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus insgesamt neu verhandelt und entschieden werden, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen.
Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen beruhen aber auf einer mangelfreien Beweiswürdigung und sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann insoweit aber ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Dies wird sich vor allem für solche Umstände aufdrängen, die Rückschlüsse auf die Beurteilung der Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt zulassen.
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