Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 16.09.2013


BGH 16.09.2013 - 1 StR 264/13

Strafverfahren: Verzicht auf ein Beweisverwertungsverbot


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
16.09.2013
Aktenzeichen:
1 StR 264/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 3. Dezember 2012, Az: 13 KLs 751 Js 60511/12nachgehend BGH, 13. Januar 2015, Az: 1 StR 454/14, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten Z.     wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 3. Dezember 2012, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben

a) im Schuldspruch, soweit die Angeklagte wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion verurteilt worden ist, jedoch mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen,

b) im gesamten Strafausspruch.

2. Auf die Revision des Angeklagten T.   wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben.

3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

1. Das Landgericht hat die Angeklagte Z.     wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren sechs Monaten, den Angeklagten T.   wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren elf Monaten verurteilt.

2

Nach den Feststellungen der Strafkammer betrieb die Angeklagte Z.     bis zum Jahr 2012 auf einem ihr gehörenden Grundstück innerhalb  der denkmalgeschützten Klosteranlage in P.       die Gastwirtschaft „   K.    “. Die ursprünglich rentable Gastwirtschaft warf ab dem Jahr 2005 immer weniger Gewinne ab. Bis zum Jahr 2011 verschlechterte sich die Situation so sehr, dass die Angeklagte laufende Verbindlichkeiten, insbesondere ein ihr gewährtes Darlehen in Höhe von 260.000 Euro, nicht mehr regelmäßig bedienen konnte. Daneben ordnete die Lebensmittelüberwachung seit dem Jahr 2010 wiederholt Instandsetzungsmaßnahmen an und setzte im Jahr 2011 ein Bußgeld gegen sie fest. Alle Bemühungen der Angeklagten, Grundstück und Gastwirtschaft zu verkaufen, schlugen fehl.

3

Bereits seit 2010 hatte die Angeklagte Z.     deshalb erwogen, sich der finanziellen Lasten durch die Verursachung eines Brandes oder einer Explosion des „K.    “ zu entledigen. Ende 2011 gewann sie den Angeklagten T.   , der im „K.    “ als Hilfskoch beschäftigt war, für die Durchführung  ihres Planes. Nach ihrer Vorstellung sollte der Angeklagte T.   während der jährlichen Betriebsruhe zum Jahreswechsel 2011/2012 durch Manipulationen an der Gas- oder Stromleitung eine Explosion oder einen Brand auslösen. Die Angeklagte Z.     beabsichtigte, die Entschädigungsleistungen aus den für das „K.    “ abgeschlossenen Versicherungsverträgen, insgesamt ca. 630.000 Euro, zu kassieren. Dem Angeklagten T.   , der für seine Mitwirkung ein Überbrückungsgeld in Höhe von 1.000 Euro gefordert hatte, bot sie ein Drittel der Versicherungssumme als Belohnung an.

4

Am 3. Januar 2012 trafen sich die Angeklagten gegen 18:00 Uhr in der Gaststube des „K.    “. Nach Aushändigung einer Teilsumme des geforderten Überbrückungsgeldes erklärte der Angeklagte T.   der Angeklagten Z.    , er werde die Gasleitung in der Küche an zwei Stellen öffnen. Entweder entzünde sich das Gas über Nacht von selbst, oder er werde es am Folgetag mittels eines langstieligen Feuerzeugs von einem Nachbarraum aus anzünden. Während sich die Angeklagte Z.     in der Folge bis etwa 19:00 Uhr in ihrer über der Gaststube gelegenen Wohnung aufhielt, öffnete der Angeklagte T.   die Gasleitung. Als die Angeklagte Z.     nach dem Abschluss seiner Tathandlungen nicht erschien, wartete er zunächst innerhalb, sodann außerhalb des Hauses auf sie, entfernte sich aber schließlich allein vom Gelände. Die Angeklagte Z.     verließ dieses zu einem nicht genauer bestimmbaren Zeitpunkt während des Abends, um bei ihrem Lebensgefährten zu übernachten.

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Am 4. Januar 2012 um 4:15 Uhr kam es durch eine nicht näher bekannte Zündquelle zur Explosion, die das gesamte Gebäude bis zur Abbruchreife beschädigte. Durch die Druckwelle und herumfliegende Trümmer wurden die im Umkreis von acht bis vierzig Meter stehenden, teils bewohnten Gebäude erheblich beschädigt. Die in der angrenzenden Reithalle untergestellten Pferde kamen nur durch einen Zufall nicht zu Schaden. Eine konkrete Gefahr für Menschen bestand nur deshalb nicht, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine Personen im Umkreis des Gebäudes tätig waren.

6

Nach den Feststellungen der Strafkammer war die für eine Explosion ausreichende Menge ausgeströmten Propangases bereits unmittelbar nach dem Öffnen der Gasleitung erreicht und dadurch ein für die Angeklagten, wie von ihnen gebilligt, im Weiteren unkontrollierbarer Verlauf in Gang gesetzt worden. Beide wussten, dass es sich um einen für sie völlig unkontrollierbaren Vorgang handelte; sie nahmen zugleich billigend in Kauf, dass die Explosion auch wesentlich stärker hätte ausfallen können und dadurch nicht nur das „K.    “ selbst, sondern auch Menschen, die sich zufällig gerade in der Nähe aufhielten, und fremde Nachbargebäude sowie die Pferde im Reitstall jedenfalls erheblich hätten gefährdet werden können.

7

In den Tagen nach der Tat ließ die Angeklagte Z.     durch ihren Cousin und ihre Rechtsanwältin bei zwei Versicherern Ansprüche erheben. Wegen des bereits kurz nach der Tat aufkommenden Manipulationsverdachts erfolgten jedoch bis heute keine Entschädigungsleistungen.

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2. Mit ihren Revisionen rügen beide Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts, die Angeklagte Z.     darüber hinaus die Verletzung von Verfahrensrecht. Beide Revisionen erzielen mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

II.

9

Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte Z.     die Unverwertbarkeit zweier Mitschnitte eines Gesprächs beider Angeklagter am 8. März 2012 beanstandet, das mit Wissen und unter Mithilfe des Angeklagten T.   von den Ermittlungsbehörden abgehört und aufgezeichnet worden war, bleibt erfolglos.

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Mit ihrem Vortrag, der Verteidiger habe zum Abspielen des zunächst am 11. Hauptverhandlungstag eingeführten ersten Mitschnitts („Kurzversion“) eine „Erklärung“ abgegeben, genügt die Revision bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Sie teilt nicht mit, ob die Angeklagte durch diese „Erklärung“ ihres Verteidigers der Verwertung der Aufzeichnung rechtzeitig widersprochen oder ihr zugestimmt hat. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, weil ein etwa bestehendes Verwertungsverbot für sie disponibel war (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2006 - 1 StR 316/05, BGHSt 51, 1). Die von der Revision für ihre abweichende Auffassung in Bezug genommene Entscheidung des Senats vom 22. August 1995 (1 StR 458/95) ist auf Fälle wie den vorliegenden nicht anwendbar.

11

Soweit die Revision zudem die Verwertung eines am 16. Hauptverhandlungstag eingeführten weiteren Mitschnitts desselben Gesprächs („Langversion“) beanstandet, ist die Rüge unbegründet. Die Revision trägt vor, der Verteidiger habe diese Aufzeichnung zunächst eigens von einem Tontechniker bearbeiten lassen und sie sodann am 16. Hauptverhandlungstag dem Gericht übergeben. Gegen das angekündigte Abspielen dieser Aufzeichnung wurden allseits „keine Einwendungen erhoben“. Durch dieses Geschehen hat die Angeklagte jedoch deutlich gemacht, dass sie den Mitschnitt gerade in die Hauptverhandlung einzuführen wünschte; infolgedessen ist ihr die Berufung auf ein Verwertungsverbot in der Revisionsinstanz versagt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 1 StR 447/05, BGHSt 50, 272 mwN).

III.

12

Bei sachlich-rechtlicher Überprüfung des Urteils hält der Schuldspruch wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion hinsichtlich beider Angeklagter revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

13

1. Die Wertung der Strafkammer, die Angeklagten hätten nicht nur vorsätzlich die Explosion des „K.    “ herbeigeführt, sondern auch die Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert billigend in Kauf genommen, beruht nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung.

14

Die hierzu von der Strafkammer getroffenen Feststellungen,

- die Angeklagten hätten zumindest billigend in Kauf genommen, dass aufgrund der Öffnung der Gasleitung so viel Propangas in die Küche ausströmte, dass die hinsichtlich einer Explosion „gefahrdrohende Gasmenge bereits unmittelbar mit dem manipulativen Aufdrehen der Gaszufuhr praktisch erreicht“ war, und

- die Angeklagten hätten gewusst, „dass es sich nach dem Öffnen der Gasleitungen um einen für sie völlig unkontrollierbaren Vorgang handelte“, und dabei zugleich billigend in Kauf genommen, „dass die Explosion auch wesentlich stärker ausfallen könnte und dadurch (…) nicht nur das ‚K.    ‘ selbst (…), sondern auch Menschen, die sich  zufällig gerade in der Nähe aufhielten, und fremde Nachbargebäude sowie die Pferde im Reitstall jedenfalls erheblich gefährdet (…) werden würden“,

werden von der Beweiswürdigung nicht getragen.

15

a) Zum Beleg eines Fremdgefährdungsvorsatzes stützt sich die Strafkammer - auch hinsichtlich der insgesamt bestreitenden Angeklagten Z.    - auf die Angaben des Angeklagten T.   .

16

Nach dessen subjektiver Vorstellung, über die er auch die Angeklagte Z.     informiert hatte, habe es zwei mögliche Geschehensabläufe gegeben: Entweder komme es nach dem Öffnen der Gasleitung ohne weitere Einwirkung im Verlauf der Nacht zur Explosion, oder er selbst werde das Gas am nächsten Tag durch eine Verbindungstür zur Küche mittels eines langstieligen Feuerzeugs anzünden. Den zweiten Geschehensablauf habe er für wahrscheinlicher gehalten; die Angeklagte Z.     habe ihm deshalb auch einen Hausschlüssel  ausgehändigt. Nach dem Abschluss der Arbeiten an der Gasleitung, während derer die Angeklagte Z.     mehrfach aus ihrer im Obergeschoss gelegenen Wohnung herunter gekommen sei und sich danach erkundigt habe, wie lange es noch dauere, habe er - zunächst im Haus und sodann außerhalb des Hauses - noch einige Zeit auf sie gewartet; sie sei jedoch nicht gekommen, weshalb er alleine weggegangen sei. Am Folgetag habe sie ihm telefonisch mitgeteilt, er brauche nicht mehr zu kommen, weil „es“ schon passiert sei.

17

Zu seiner Vorstellung von den zu erwartenden Schäden und Gefahren hat der Angeklagte T.   angegeben, es sei entweder eine Explosion oder ein Brand geplant gewesen. Vorrangig habe die Küche brennen sollen, das Übergreifen des Feuers auf andere Gebäudeteile sei aber ebenso wie eine Explosion einkalkuliert gewesen. Die Angeklagte Z.     habe ihm gegenüber geäußert, es habe „bumm“ machen und die Küche bzw. das Gasthaus habe brennen sollen. Er habe mit dem tatsächlichen Ausmaß der Explosion nicht gerechnet; erst durch die Berichterstattung in den Fernsehnachrichten sei ihm bewusst geworden, dass er selbst hätte getötet werden können.

18

b) Aus diesen von der Strafkammer als glaubhaft erachteten Angaben ergibt sich indes nicht, dass der Angeklagte T.   davon ausging, bereits unmittelbar nach dem Öffnen der Gasleitung sei die für eine Explosion erforderliche Gasmenge erreicht gewesen. Gleiches gilt für die Angeklagte Z.    , die ihr  Wissen über den technischen Ablauf des Vorhabens ausschließlich über den Angeklagten T.   bezog. Die Beweiswürdigung belegt vielmehr für beide Angeklagte eine auf einen späteren, gegebenenfalls sogar zusätzliches aktives Eingreifen erfordernden Erfolg ausgerichtete subjektive Vorstellung.

19

c) Es ist im Übrigen nicht nachvollziehbar, dass der Angeklagte T.   einerseits von einer für ihn selbst gefahrlosen späteren Entzündung des Gases aus dem Nachbarraum, andererseits aber von einem von Beginn an unkontrollierbaren Vorgang ausgegangen sein soll, der eine erhebliche Gefährdung außerhalb des Hauses befindlicher fremder Sachwerte mit sich brachte. Gleiches gilt für die Angeklagte Z.     , die nicht nur aufgrund des ihr von T.   in Aussicht gestellten Geschehensablaufs diesem den Haustürschlüssel ausgehändigt, sondern sich selbst noch über einen längeren Zeitraum in dem Gebäude aufgehalten hat, ohne sich in Gefahr zu wähnen.

20

2. Im Übrigen hat die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils Rechtsfehler weder zum Nachteil der Angeklagten Z.      noch zum Nachteil des Angeklagten T.   ergeben.

IV.

21

1. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion bedingt hinsichtlich des Angeklagten T.   auch die Aufhebung der Verurteilung wegen der tateinheitlich begangenen Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen und der verhängten Freiheitsstrafe.

22

Auch bei der Revision der Angeklagten Z.      führt die Aufhebung der Verurteilung wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs einschließlich der für die beiden versuchten Betrugstaten verhängten Einzelstrafen. Die Höhe dieser Einzelstrafen ist durch die aufgehobene Verurteilung wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion ersichtlich beeinflusst, denn die Strafkammer hat jeweils die Voraussetzungen eines (unbenannten) besonders schweren Falles (§ 263 Abs. 3 Satz 1 StGB) bejaht und dies maßgeblich mit der Anknüpfung dieser Taten an die Explosionstat und an die dadurch bewirkte, wegen des von den Angeklagten in Kauf genommenen „nicht mehr zu kontrollierenden Geschehensablaufes“ bestehende Gefährdung fremder Rechtsgüter begründet.

23

2. Die Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf werden von den dargestellten Mängeln nicht berührt; sie können daher bestehen bleiben.

V.

24

Die Abfassung des Urteils gibt Anlass zu dem Hinweis, dass die Urteilsgründe nicht die Aufgabe haben, den Gang der Ermittlungen oder der Hauptverhandlung sowie mit der Tat nicht im Zusammenhang stehendes Randgeschehen in allen Einzelheiten wiederzugeben. Eine detaillierte Wiedergabe sämtlicher Aussageinhalte ist regelmäßig nicht veranlasst; darin liegt eine Beweisdokumentation, aber keine Beweiswürdigung (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2009 - 2 StR 147/09; Urteil vom 17. August 2001 - 2 StR 167/01, NStZ 2002, 49).

VI.

25

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass unter Berücksichtigung der neu zu treffenden Feststellungen zur inneren Tatseite auch eine Verurteilung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines (versuchten) Brandstiftungsdelikts in Betracht kommen kann.

Raum                   Rothfuß                            Graf

             Radtke                    Mosbacher