Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 31.07.2018


BGH 31.07.2018 - 1 StR 260/18

Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
31.07.2018
Aktenzeichen:
1 StR 260/18
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:310718B1STR260.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Ulm, 24. Januar 2018, Az: 31 Js 989/17 - 2 Ks
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 24. Januar 2018 mit den Feststellungen - mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidungen - aufgehoben; aufrecht erhalten bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - als Schwurgericht zuständige - Strafkammer des Landgerichts Ulm zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen.

2

Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 14. Juni 2018 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte, nachdem er nachts heimlich in das Schlafzimmer des Lebensgefährten seiner früheren Freundin eingedrungen war, und nach deren Äußerung, er solle sich „verpissen“, mit niedrigen Beweggründen handelte, weil die tatauslösende Gefühlsregung nach Auffassung des Landgerichts auf dem exklusiven Besitzanspruch an seiner früheren Freundin beruhte und er ihr mit einem Messer einen kraftvollen Schnitt an der Halsseite zufügte, der vom Kinn bis zur Wirbelsäule reichte und fünf Zentimeter tief sowie 15 cm lang war.

4

Diese Begründung, mit der das Landgericht das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bejaht hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat insoweit den Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt und insbesondere im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht erörtert, welche weiteren Motive bei dem Angeklagten zum Zeitpunkt der mit Tötungsvorsatz ausgeführten Handlung vorgelegen haben.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Beweggründe im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig” sind und in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag als verachtenswert erscheinen, hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2017 - 2 StR 656/13, StV 2017, 516; Urteil vom 19. Oktober 2001 - 2 StR 259/01, BGHSt 47, 128, 130). Bei einer Tötung aus Wut, Ärger, Hass oder Rache kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. März 2017 - 2 StR 656/13, StV 2017, 516 mwN). In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann (BGH, Urteil vom 22. März 2017 - 2 StR 656/13, StV 2017, 516 mwN).

6

b) Diesem Maßstab werden die Erwägungen des Landgerichts zur Bejahung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe nicht gerecht.

7

Das Landgericht hat zum Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe allein darauf abgestellt, dass die tatauslösende Gefühlsregung des Angeklagten auf dem nach seiner Auffassung bestehenden exklusiven Besitzanspruch an     R.    beruhte, was nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehe (UA S. 42). Damit wurden aber nicht im Rahmen einer notwendigen Gesamtwürdigung alle äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Gesichtspunkte in den Blick genommen. Vielmehr ist das Landgericht vom vermeintlichen Besitzanspruch des Angeklagten als einzigem Tatmotiv ausgegangen und hat sich nicht mit den denkbaren weiteren Tatmotiven des Angeklagten hinreichend auseinandergesetzt, obwohl die vom Landgericht festgestellte Tatausführung nach der Äußerung des Tatopfers unmittelbar vor der Tat, dass sich der Angeklagte „verpissen“ solle (UA S. 18), durchaus darauf hindeutet, dass bei dem Angeklagten auch andere Motive bei der Tatbegehung - wie eine Provokation durch das Opfer oder Wut - eine Rolle spielten, die der Angeklagte in einer Bestrafung der Nebenklägerin abreagieren wollte. Bei dieser Sachlage hätte daher im Rahmen einer Gesamtwürdigung erörtert werden müssen, ob die tatauslösende Gefühlsregung des Angeklagten letztlich auf einer Grundhaltung beruhte, die durch eine ungehemmte Eigensucht, exklusive Besitzansprüche und eine unduldsame Selbstgerechtigkeit gekennzeichnet ist. Nur eine solche Grundhaltung steht nach allgemeiner sittlicher Bewertung auf tiefster Stufe.

8

2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt auch zur Aufhebung des an sich rechtsfehlerfreien Schuldspruchs wegen tateinheitlich verwirklichter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen.

9

Die Aufhebung des strafrechtlichen Teils der angefochtenen Entscheidung führt aber nicht zur Aufhebung der zu Gunsten des Adhäsionsklägers G.   ergangenen - für sich rechtsfehlerfreien - Adhäsionsentscheidung (§ 406a Abs. 3 Satz 1 StPO); deren Aufhebung bleibt gegebenenfalls dem neuen Tatrichter vorbehalten (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 26. Juni 2018 - 1 StR 208/18 und vom 7. Juni 2017 - 4 StR 197/17, NStZ-RR 2017, 270 mwN).

10

3. Die Feststellungen des Landgerichts zum objektiven Tatgeschehen sind ordnungsgemäß getroffen und werden durch den aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt. Sie können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Die Feststellungen zur inneren Tatseite werden aufgehoben, um dem neuen Tatrichter insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.

Raum     

        

Fischer     

        

Bär     

        

Hohoff     

        

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