Entscheidungsdatum: 14.06.2016
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Dezember 2015 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 17. Mai 2016 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts (UA S. 8) war der Angeklagte vom Landgericht Stuttgart am 1. September 2010 erstmals rechtskräftig wegen versuchter Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden, weil er im Juli 2009 die M. AG mit der Drohung einer Weitergabe von vier Millionen Datensätzen von Bankkunden, die er während seiner Tätigkeit als selbständiger Softwareberater bei dieser Bank entwendet hatte, zur Zahlung eines Betrags von 201 Millionen Euro nötigen wollte. Da der Angeklagte identifiziert und festgenommen werden konnte, kam es zur geforderten Zahlung jedoch nicht.
Aus der Untersuchungshaft heraus hatte sich der Angeklagte ab Oktober 2010 erneut über einen bevollmächtigten Rechtsanwalt erfolglos an die Bank gewandt, um für die Abtretung sämtlicher Rechte an "diesem Fall und dem Erlebten" nochmals einen Geldbetrag zu fordern, der aus Sicht des Angeklagten den Betrag erreichen sollte, "der bereits einmal im Raum stand". Er wurde vom Landgericht Stuttgart am 31. Januar 2012 wegen versuchter Erpressung rechtskräftig zu einer weiteren Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt (UA S. 10).
Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft am 15. Mai 2014 forderte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Tat ab 29. Juli 2014 wiederum durch mehrfache Schreiben sowie E-Mails von der M. AG jeweils mit einer Frist bis zum 8. September 2014 nochmals die Zahlung eines Gesamtpreises von neunundzwanzig Millionen Euro zum Erwerb der Presse-, Buch- und Filmrechte mit dem Arbeitstitel "Datenskandal D. Bank", um sein Wissen über die Entwendung der vier Millionen Kundendatensätze nicht an die Öffentlichkeit zu bringen. Die Vertreter der Bank nahmen die Schreiben des Angeklagten ernst, zu einer Zahlung seitens der Bank kam es jedoch nach Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden auch in diesem Fall nicht. Die Bank teilte dem Angeklagten mit Schreiben vom 3. September 2014 mit, dass sie keinerlei Zahlungen an ihn leisten werde, so dass sein Erpressungsvorhaben gescheitert war.
Das Landgericht geht - dem psychiatrischen Sachverständigen folgend - davon aus (UA S. 34 ff.), dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tat weder aufgehoben noch wesentlich vermindert gewesen sei. Es legt für die zu bestimmende Rechtsfolge den Strafrahmen der besonders schweren Erpressung zu Grunde und mildert diesen wegen des vertypten Milderungsgrunds des Versuchs.
II.
Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch; ergänzend verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils ist aber rechtsfehlerhaft. Die Ausführungen zur Verneinung einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten und zur Strafrahmenwahl halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Nach den vom sachverständig beratenen Landgericht zur Schuldfähigkeit des Angeklagten getroffenen Feststellungen leidet dieser zum einen an hyperthymen Persönlichkeitseigenschaften. Diese zeigten sich durch Betriebsamkeit, ein positiv-naives Selbstwertgefühl und die deutliche Neigung, sich und die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. Zum anderen bestehe bei dem Angeklagten eine Bipolar-II-Störung, die durch ein Nebeneinander von einer oder mehreren depressiven oder hypomanischen Episoden gekennzeichnet sei und das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung i.S.d. § 20 StGB erfülle.
Allerdings haben sich nach Auffassung des Sachverständigen, dem das Landgericht folgt, keine Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass diese Störungen weder für sich allein noch zusammen Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten gehabt haben könnten. Der Angeklagte habe sich zwar zu Beginn des Tatgeschehens in einer "Hochphase" befunden, bei einer Kontrolluntersuchung durch einen Psychiater im Rahmen der durch die Strafvollstreckungskammer erteilten Weisung am 28. Juli 2014 unmittelbar vor den ersten Schreiben sei aber nichts Auffälliges festgestellt worden. Im Übrigen habe der Angeklagte bei der Tat planvoll und geordnet gehandelt sowie adäquat auf Schreiben der Gegenseite reagiert. Das Verhalten des Angeklagten vor, bei und nach der Tat belege daher, dass ihm trotz seiner besonderen Persönlichkeitseigenschaften und der bestehenden affektiven Störung noch in ausreichendem Maß Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten und gerade kein Kontrollverlust eingetreten sei. Gleichzeitig stellt das Landgericht aber auch fest (UA S. 6), dass der Angeklagte seit 2011 bis zu seiner Haftentlassung am 15. Mai 2014 medikamentös behandelt wurde. Nachdem er auf freien Fuß gekommen war, habe er die Behandlung aber nicht mehr konsequent fortgesetzt.
2. Diese Ausführungen des Landgerichts, mit denen das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB verneint hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die vom Landgericht vorgenommenen Wertungen weisen Lücken auf und lassen besorgen, dass das Landgericht einzelne für bzw. gegen die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit sprechende Indizien übersehen oder falsch gewichtet hat und infolgedessen zu einer rechtsfehlerhaften Gesamtwürdigung gelangt ist.
Das Landgericht hat zwar zunächst zutreffend das vom Sachverständigen bei dem Angeklagten diagnostizierte Störungsbild einem der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zugeordnet, eine konkretisierende Darstellung und Würdigung aller für die Beurteilung der Schuldfähigkeit relevanter Gesichtspunkte erfolgt aber nicht. Insbesondere lässt das Urteil bereits eine eingehende Darstellung des Zustands des Angeklagten zu den Tatzeiten unter Berücksichtigung seines Lebenslaufs und seiner Vorbelastungen vermissen. Dazu hätte aber Veranlassung bestanden, da der Angeklagte nach den festgestellten Vorahndungen bereits zweimal durch eine gleichartige Tatbegehungsweise aufgefallen war. Unerörtert bleibt auch, welche Auswirkungen sich dadurch ergeben, dass der Angeklagte die während der Haftzeit durchgeführte medikamentöse Behandlung nicht mehr konsequent fortgeführt hat. Insoweit werden notwendige Anknüpfungstatsachen vom Landgericht zu Art und Umfang der Medikation nicht mitgeteilt.
Hinzu kommt, dass bei bipolaren Störungen eine große Bandbreite von Ausprägungen und Schweregraden besteht, so dass hier ein nur allgemeiner Hinweis auf die Diagnose nicht ausreichend aussagekräftig ist (BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; vom 13. August 2013 – 2 StR 128/13, NStZ-RR 2013, 368, 369 und vom 23. August 2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98). Gerade in manischen Phasen kann es, je nach Ausprägung und Schwere, zu Beeinträchtigungen der Steuerungsfähigkeit, aber auch der Einsichtsfähigkeit kommen. Dies umso mehr als der Angeklagte, wie vom Landgericht (UA S. 36) festgestellt, selbst angegeben hat, sich zu Beginn des Tatgeschehens in einer "Hochphase" befunden zu haben. Soweit das Landgericht (UA S. 37) allein aus dem planvoll und geordneten Vorgehen des Angeklagten und den adäquaten Reaktionen auf die Äußerungen der Gegenseite aber letztlich zum Ausschluss einer Verminderung der Steuerungsfähigkeit kommt, wird hier nur ein Aspekt berücksichtigt, ohne im Rahmen der notwendigen Gesamtbewertung die dargestellten weiteren Gesichtspunkte mit einzubeziehen. Vielmehr spricht die – wie dem Angeklagten aus zwei ergebnislosen Vorversuchen bekannt war – bereits von vornherein zum Scheitern verurteilte Tat schon gegen eine rational bestimmte Vorgehensweise des Angeklagten. Aufgrund dieser Erörterungsmängel bedarf die Frage der verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB – gegebenenfalls unter vertiefender sachverständiger Hilfe – neuer tatrichterlicher Prüfung.
Angesichts des Störungsbildes schließt der Senat aus, dass sich im Rahmen der neuen Verhandlung Erkenntnisse ergeben, die zur Annahme von Schuldunfähigkeit führen.
3. Unabhängig davon konnte der Strafausspruch auch deshalb nicht bestehen bleiben, weil die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens weitere Rechtsfehler aufweist.
Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung (UA S. 40) die Anwendung des Regelstrafrahmens von § 253 Abs. 1 StGB nicht als angemessen angesehen und nach einer Gesamtschau der Persönlichkeit des Angeklagten und der Tatumstände auf den erhöhten Strafrahmen des § 253 Abs. 4 Satz 1 StGB zurückgegriffen. Im Rahmen der hier vorzunehmenden Gesamtwürdigung wurde vom Landgericht aber nicht geprüft, ob die Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs hier nicht bereits zu einer Verneinung eines besonders schweren Falls der Erpressung führen kann. In diesem Fall wäre der Strafrahmen des § 253 Abs. 1 StGB maßgeblich, der eine geringere Mindest- und Höchststrafe vorsieht als der wegen Versuchs geminderte Strafrahmen des besonders schweren Falls gemäß § 253 Abs. 4 Satz 1 StGB.
4. Der Senat hebt deshalb den Strafausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen auf, um dem Tatrichter eine umfassende widerspruchsfreie Entscheidung über den neuen Strafausspruch zu ermöglichen.
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RiBGH Prof. Dr. Jäger |
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Mosbacher |
Bär |