Entscheidungsdatum: 06.07.2018
1. Auf die Revision des Angeklagten Z. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 12. Dezember 2017 mit den Feststellungen in Bezug auf den Angeklagten Z. und den Mitangeklagten B. aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 50 tatmehrheitlichen Fällen, wegen Steuerhinterziehung in 44 Fällen sowie wegen des unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, letzteres in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe, von Munition sowie verbotener Waffen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Im Übrigen wurde der Angeklagte freigesprochen. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten B. hat das Landgericht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zehn Fällen und zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in elf Fällen und zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in jeweils 22 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verhängt.
Der Angeklagte Z. beanstandet seine Verurteilung mit einer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat - gemäß § 357 StPO auch in Bezug auf den Mitangeklagten B. - Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Angeklagte Z. gründete am 2. November 2011 die Ba. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er war. Die Gesellschaft nahm ab März 2012 ihren Betrieb auf. Bereits vor der Inbetriebnahme hatte sich der Angeklagte Z. entschlossen, den von ihm als Geschäftsführer den Mitarbeitern ausgezahlten Lohn gegenüber den Sozial- und Steuerbehörden nicht vollständig anzugeben, um so Aufwendungen für die Entrichtung von Sozialabgaben und Lohnsteuer zu sparen. Da sich der Angeklagte Z. bewusst war, dass es zwischen den Umsätzen der Ba. GmbH einerseits und den gemeldeten „Weißlöhnen“ andererseits zu buchhalterisch auffälligen Diskrepanzen kommen würde, entschloss er sich, die „Schwarzlohnzahlungen“ durch das Einbuchen von Scheinrechnungen „abzudecken“. Hierzu bediente er sich der Mithilfe des Mitangeklagten B. .
Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von März 2012 bis Juni 2016 nahm der Angeklagte Z. als Geschäftsführer der Ba. GmbH Bauaufträge - vor allem im Bereich Trockenbau - in deren Namen an und ließ diese von einer Vielzahl von Arbeitnehmern ausführen. Hierbei beschäftigte er eine nicht näher bestimmbare Anzahl von Personen. Dabei betrug der Stundenlohn etwa 12 bis 14 Euro, soweit der Angeklagte die Arbeitnehmer über seinen Steuerberater bei der Sozialversicherung anmeldete; soweit sie nicht angemeldet wurden, bekamen sie einen Stundenlohn von etwa 15 bis 18 Euro bar „auf die Hand“. Dabei bewegte sich die Monatsarbeitszeit eines Arbeitnehmers der Ba. GmbH im Bereich von mindestens 60 bis etwa 140 Stunden. Die nicht angemeldeten Beschäftigten waren tatsächlich gleichermaßen in die betrieblichen Abläufe integriert wie diejenigen, die formal den Status eines Arbeitnehmers durch ihre teilweise Anmeldung bei der Sozialversicherung erhielten, und ebenso weisungsgebunden.
Entsprechend seiner vorgefassten Absicht meldete der Angeklagte Z. nur einen Teil der im verfahrensgegenständlichen Zeitraum für die Ba. GmbH tätigen Arbeitnehmer - gleichzeitig etwa fünf bis zehn - bei der Sozialversicherung an, wobei auch insoweit die gemeldeten Lohnsummen mit Ausnahme der Monate September 2012 und Januar 2013 hinter den tatsächlich an die gemeldeten Arbeitnehmer gezahlten Lohnsummen zurückblieben.
Da überwiegend keine Lohnbuchhaltung der Ba. GmbH existierte, aus der die tatsächlich an die Beschäftigten ausbezahlten Lohnsummen ermittelt werden konnten, hat das Landgericht insoweit eine Schätzung vorgenommen und die tatsächlich gezahlten Lohnsummen aus den Umsätzen der Ba. GmbH geschlossen, indem eine Nettolohnquote von zwei Dritteln in Bezug auf die mit den Arbeitnehmern der Ba. GmbH erwirtschafteten Nettoumsätze der Ba. GmbH zu Grunde gelegt wurde. Dabei ergab sich nach Abzug der vom Angeklagten Z. geleisteten Abgaben und Lohnsteuer auf die geschätzte Lohnsumme für den gesamten Tatzeitraum ein Gesamtschaden von 3.101.312,29 Euro an Sozialversicherungsleistungen sowie ein Lohnsteuerschaden von 743.599,35 Euro.
2. Der Mitangeklagte B. , mit dem der Angeklagte Z. seit langem befreundet war, gründete auf Betreiben des Angeklagten Z. am 15. März 2012 die T. GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer er war. Von dieser Gesellschaft wurden Scheinrechnungen zu Gunsten der Ba. GmbH erstellt. An die T. GmbH deshalb ausbezahlte Gelder wurden bar an den Angeklagten Z. zurückbezahlt, womit dieser die Bezahlung der „Schwarzlöhne“ der Ba. GmbH vornahm. Im Februar 2014 wurde die bisherige „Servicegesellschaft“ auf Betreiben des Angeklagten Z. durch die neu gegründete O. GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer wiederum der Mitangeklagte B. war, ersetzt, ohne dass es zu Veränderungen der bisherigen Abläufe kam.
3. Der Angeklagte Z. bewahrte in seinem Wohnhaus in Of. am 6. Oktober 2016 verschiedene Gegenstände auf: Im Dachgeschoss war hinter einem Bild eine halbautomatische Pistole der Marke Crvena Zastava inklusive Magazin und Munition versteckt. Ferner waren im Keller des Anwesens ein Perkussionsrevolver, zwei Schlagringe und eine Stahlrute verwahrt, ohne dass der Angeklagte Z. über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügte.
II.
Die Verurteilung des Angeklagten Z. hat keinen Bestand, da das Urteil nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt; es fehlt zu allen abgeurteilten Taten an tragfähigen Feststellungen des Landgerichts als Grundlage für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch.
1. In Bezug auf die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung und das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt hält der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge und der verkürzten Lohnsteuer für das Revisionsgericht nicht nachvollziehbar ist.
a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546, 2547 Rn. 11; Beschlüsse vom 13. Juli 2011 - 1 StR 154/11 Rn. 3 und vom 1. September 2015 - 1 StR 12/15, wistra 2015, 477, 478 Rn. 9 mwN). Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 337 StPO).
Dem Tatgericht obliegt es nach ständiger Rechtsprechung, die geschuldeten Beiträge - für die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte gesondert - nach Anzahl, Beschäftigungszeiten, Löhnen der Arbeitnehmer und der Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Krankenkasse festzustellen, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfung zu ermöglichen, weil die Höhe der geschuldeten Beiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkassen sowie den gesetzlich geregelten Beitragssätzen der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung zu berechnen ist. Falls solche Feststellungen im Einzelfall nicht möglich sind, kann die Höhe der vorenthaltenen Beiträge auf Grundlage der tatsächlichen Umstände geschätzt werden. Die Grundsätze, die die Rechtsprechung bei Taten nach § 370 AO für die Darlegung der Berechnungsgrundlagen der verkürzten Steuern entwickelt hat, gelten insoweit entsprechend. Es genügt nicht, die vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge lediglich der Höhe nach anzugeben. Vielmehr müssen die Urteilsgründe die Berechnungsgrundlagen und Berechnungen im Einzelnen wiedergeben (vgl. hierzu ausführlich BGH, Beschluss vom 20. April 2016 - 1 StR 1/16 Rn. 6, NStZ 2017, 352, 353 mwN).
Bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung müssen die steuerlich erheblichen Tatsachen festgestellt sein. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen, vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546, 2547 Rn. 13). Die auf den festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und Aufgabe des Tatgerichts (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08 aaO Rn. 20 mwN).
b) Den vorgenannten Anforderungen trägt das Urteil nicht ausreichend Rechnung. Zwar bestehen gegen die vom Landgericht vorgenommene Schätzung der Bruttoumsätze keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken, da nach den bisherigen Feststellungen keine Lohnbuchhaltung der Ba. GmbH existierte und auch die Anzahl der „schwarz“ beschäftigten Arbeitnehmer im Tatzeitraum nicht festgestellt werden konnte. Jedoch werden die ermittelten Grundlagen für das Revisionsgericht nicht widerspruchsfrei dargelegt.
So bleibt nach der Darstellung des Landgerichts (UA S. 4) bereits unklar, weshalb angemeldete Arbeitnehmer mit 12 bis 14 Euro einen deutlich niedrigeren Stundenlohn erhalten haben sollen als nicht angemeldete Arbeitnehmer mit 15 bis 18 Euro. Welche konkreten Arbeitnehmer der Angeklagte Z. im maßgeblichen Tatzeitraum bei den Sozialversicherungs- und Steuerbehörden tatsächlich angemeldet hat und welche Arbeitszeit hier zu Grunde gelegt wurde in der Spanne von mindestens 60 bis 140 Stunden monatlich, bleibt ebenfalls offen. Das Landgericht teilt (UA S. 5) nur mit, dass etwa fünf bis zehn Arbeitnehmer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum - offensichtlich bei der AOK H. - angemeldet waren. Gleichzeitig wird insoweit aber auch darauf hingewiesen, dass in den Monaten September 2012 und Januar 2013 die gemeldeten Lohnsummen bei der Sozialversicherung nicht hinter den an die Arbeitnehmer gezahlten Lohnsummen zurückblieben und deshalb für diese beiden Tatzeiträume keine Verurteilung vorgenommen wird, ohne dass aber insoweit weitere Feststellungen dazu getroffen werden. Ebenso werden in Bezug auf die Berechnung der geschuldeten Lohnsteuer die zu Grunde gelegten Lohnsteuerklassen - auch in Bezug auf die angemeldeten Arbeitnehmer - nicht ausdrücklich mitgeteilt, so dass der Senat nicht überprüfen kann, ob der vom Landgericht zu Grunde gelegte Eingangssteuersatz von 14 % für die Arbeitnehmer am Günstigsten gewählt wurde.
2. Auch der Schuldspruch in Bezug auf die waffenrechtlichen Verurteilungen des Angeklagten Z. hat keinen Bestand. Insoweit kann sich der Senat den Ausführungen des Generalbundesanwalts im Ergebnis nicht verschließen.
3. Der Senat hebt die lückenhaften Feststellungen insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem Tatrichter widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
4. Die Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten B. zu erstrecken, soweit dieser wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zehn Fällen und zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in elf Fällen und zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in jeweils 22 Fällen verurteilt worden ist. Auch dessen Verurteilung beruht - ebenso wie beim Angeklagten Z. - auf einer unzureichenden Darstellung der Besteuerungsgrundlagen und einer damit nicht nachvollziehbaren Berechnung der Sozialversicherungs- und Steuerschäden.
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