Entscheidungsdatum: 19.11.2014
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 22. November 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten B. betrifft.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, die er auf die Rügen der Verletzung sachlichen und des Verfahrensrechts stützt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Rüge der Verletzung formellen Rechts kommt es nicht mehr an.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Angeklagte B. war von der Mitangeklagten S. , seiner Verlobten, zum Handel mit „fast moving consumer goods" inspiriert worden. Er gründete zu diesem Zweck die Sm. , eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, mit Sitz in Zypern, deren Inhaber und Geschäftsführer er war. Kontakte zu Lieferanten und Kunden bekam er durch die Mitangeklagte vermittelt, die ihn eingehend in den Handel einführte und ihn bei Anbahnung, Abschluss und Abwicklung der einzelnen Geschäfte unterstützte.
Der Angeklagte B. war über die Sm. in vier „Fällen in die umsatzsteuerbetrügerischen Ketten" eingebunden. Diesen lag folgendes Muster zugrunde: Die Mitangeklagte erwarb die tatsächlich existierende Ware von jeweils einem von insgesamt drei in das System eingebundenen inländischen Zwischenhändlern mit Sitz in Deutschland, die die Funktion eines sogenannten „missing trader" einnahmen. Diese hatten die Ware von in anderen EU-Staaten ansässigen Händlern als innergemeinschaftliche Lieferung erworben und veräußerten sie anschließend zu unauffälligen Preisen unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer an die Firmen der Angeklagten. Dabei unterhielten die von den Initiatoren des Umsatzsteuerbetrugs gesteuerten „missing trader" keinen Geschäftsbetrieb und entfalteten keine Geschäftstätigkeit; sie gaben gegenüber dem Finanzamt gar keine oder falsche Erklärungen ab und waren nur für einen begrenzten Zeitraum aktiv. Den Initiatoren des „Umsatzsteuerbetrugs" kam es dabei darauf an, dass die missing trader keine Umsatzsteuer erklären bzw. abführen, um auf diese Weise die vom inländischen Erwerber infolge des Weiterverkaufs mitüberwiesene Umsatzsteuer für sich zu vereinnahmen. Sie bemühten sich jedoch darum, diese Absicht den Angeklagten gegenüber zu verbergen und sich als „redliche Kaufleute" zu gerieren.
Der Angeklagte B. verkaufte Waren an einen der „missing trader", die R. , von denen die Mitangeklagte ihre Waren erwarb. Er hatte sie um- satzsteuerfrei erworben. Mit Rechnung vom 1. November 2010 verkaufte er über die Sm. Rasierklingen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an die R. , die die Ware sodann an die E. GmbH der Mitangeklagten S. veräußerte. Die R. erklärte den Umsatz gegenüber den Finanzbehörden nicht und führte auch die Umsatzsteuer nicht ab. Die Mitangeklagte S. hingegen machte die Umsatzsteuer in Höhe von 16.051,20 Euro aus der Rechnung der R. im Voranmeldungszeitraum November 2010 geltend, obwohl sie ihre fehlende Berechtigung hierzu billigend in Kauf nahm, was wiederum der Angeklagte B. billigend in Kauf nahm, obwohl er für möglich hielt und billigte, dass die R. in eine „Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen ist".
II.
Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach den Feststellungen ist eine durch die Mitangeklagte S. begangene Haupttat nicht tragfähig belegt.
1. Zwar stellt die Strafkammer im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung fest, dass die Angeklagte S. schon bei Abschluss der Geschäfte mit den „missing trader", mithin der R. , die Einbindung ihrer Firmen in ein Umsatzsteuerkarussell billigend in Kauf genommen hat. Dies wird jedoch von den beweiswürdigenden Erwägungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten S. nicht getragen. Denn dort ist als Ergebnis der von der Strafkammer angestellten Würdigung festgehalten, dass aufgrund der Gesamtheit der Indizien keine Zweifel daran bestünden, dass „die Angeklagte bei Abgabe der Umsatzsteuererklärungen einen unberechtigten Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der „missing trader" bzw. „buffer" um ihrer Geschäfte willen zumindest billigend in Kauf nahm". Bei den allein die hier relevante, als „missing trader" agierende R. betreffenden Erwägungen ist dann zwar noch festgestellt, dass die Angeklagte „auch während der Geschäftsbeziehungen" dieses Vorstellungsbild hatte. Damit ist aber nicht hinreichend nachvollziehbar gemacht, dass die Angeklagte S. dieses Vorstellungsbild auch zum relevanten Zeitpunkt hatte.
2. Abzustellen gewesen wäre vielmehr auf den Zeitpunkt des Bezuges der Waren. Hierzu gilt Folgendes:
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Vorsteuerabzug dann zu versagen, wenn der Steuerpflichtige - im unionsrechtlichen Sinne - selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist (EuGH, Urteil vom 6. Juli 2006 in den Rechtssachen C-439/04 und C-440/04 „Kittel und Recolta Recycling", Slg. 2006, I-6161, Rn. 53, 55 f.; BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331 ff. mwN).
Für die Frage, wann die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen müssen, kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung an, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird. Vielmehr ist ein Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dann zulässig, wenn dessen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen vorgelegen haben. Eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug entfällt auch nicht etwa deshalb nachträglich wieder, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die einem Vorsteuerabzug entgegengestanden hätten, wenn er sie bereits beim Bezug der Waren gekannt hätte (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 334).
3. Ob die Angeklagte S. beim Bezug der Rasierklingen, die sie von der R. bezog, die die Waren wiederum von der Sm. des Angeklagten B. erworben hatte, ein Vorstellungsbild hatte, das zur Versagung des Vorsteuerabzugs führt, wird von den beweiswürdigenden Erwägungen nicht tragfähig belegt. Die Wertung, sie habe „während der Geschäftsbeziehung", die nach den Feststellungen am 6. September 2010 begannen und bis zum 25. Februar 2011 andauerten, eine entsprechende Vorstellung gehabt, ist zeit- lich nicht ausreichend bestimmt. Dass das Landgericht damit schon den Zeitpunkt des Bezugs der Rasierklingen abdecken wollte, ist durchgreifend zweifelhaft. Denn hierbei war Folgendes zu berücksichtigen:
a) Zum einen differenziert die Strafkammer hinsichtlich des Zeitpunkts des Vorliegens eines bedingten Vorsatzes der Mitangeklagten S. . Hat sie sich betreffend der Handelsbeziehungen zum „missing trader" Ra. davon überzeugt, dass dieser schon zu deren Beginn vorlag, so ist für die Feststellung zum Vorstellungsbild in Bezug auf den „missing trader" R. ein anderer, späterer Zeitpunkt gewählt. Dies verbot die Annahme einer nur ungenauen Formulierung.
b) Aber auch die von der Strafkammer herangezogenen Indizien lassen besorgen, dass sie sich des rechtlich relevanten Zeitpunkts für das Vorstellungsbild der Mitangeklagten S. nicht bewusst war und sich mithin auch keine entsprechende Überzeugung gebildet hat. So gründet sie ihre Überzeugung maßgeblich auf Fehler und Mängel, die sich aus den Rechnungen der jeweils betroffenen Firmen ergeben. Das Landgericht stellt aber nicht fest, wann der Angeklagten diese Unterlagen zugegangen sind. Ob dies tatsächlich vor der hier relevanten Lieferung erfolgte, ist weder festgestellt, noch kann es den sonstigen Umständen der Handelstätigkeit der Angeklagten, die die Waren erst nach dem Weiterverkauf an ihre Kunden selber erwarb, entnommen werden.
4. Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler. Der Senat hebt das Urteil mitsamt den Feststellungen auf; das neu zuständige Tatgericht kann die erforderlichen Feststellungen umfassend neu treffen.
Graf Cirener Radtke
Mosbacher Fischer