Entscheidungsdatum: 27.08.2010
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10. Dezember 2009 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat zur Strafbarkeit wegen Hinterziehung von Antidumpingzöllen:
Der Umstand, dass die von dem Angeklagten hinterzogenen Antidumpingzölle nicht mehr erhoben werden, steht entgegen der Auffassung der Revision nicht gemäß § 2 Abs. 3 StGB einer Bestrafung des Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Schmuggels entgegen. Bei der im Rahmen der Strafnorm des § 373 AO anzuwendenden EG-Verordnung, auf der die Erhebung der Antidumpingzölle beruht, handelt es sich um ein Zeitgesetz i. S. v. § 2 Abs. 4 StGB, das für den Zeitraum seiner Gültigkeit auch nach seinem Außerkrafttreten weiterhin anwendbar bleibt.
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts kaufte die I. KG, bei der der Angeklagte einer der Komplemen-täre war, im Zeitraum von Februar bis November 2002 von einer Firma mit Sitz in der Volksrepublik China mehr als 1,4 Millionen dort hergestellter integrierter elektronischer Kompakt-Leuchtstofflampen (Energiesparlampen). Da die Einfuhr dieser Lampen chinesischen Ursprungs mit Antidumpingzöllen in Höhe von 59,5% des Nettopreises belegt war, wurden die Energiesparlampen bei der Einfuhr in die Europäische Union über die Häfen Bremerhaven und Hamburg mit Wissen und Wollen des Angeklagten und weiterer Verantwortlicher der I. KG bei den Zollbehörden unter Angabe einer falschen Warennummer und unter der unzutreffenden Angabe von Vietnam als Ursprungsland zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet.
2. Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 StGB steht einer Verurteilung des Angeklagten nicht entgegen; denn bei der der Verurteilung des Angeklagten zugrunde liegenden Verordnung (EG) Nr. 1470/2001 des Rates vom 16. Juli 2001 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren integrierter elektronischer Kompakt-Leuchtstofflampen (CFL-i) mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. EG 2001 Nr. L 195 S. 8) handelt es sich um ein Zeitgesetz i.S.v. § 2 Abs. 4 StGB, das auch nach seiner Aufhebung für den Tatzeitraum weiter anwendbar bleibt. Diese EG-Verordnung ist schon deshalb ein Zeitgesetz, weil ihre Geltungsdauer gemäß Art. 11 Abs. 2 der zugrunde liegenden Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. EG 1996 Nr. L 56 S. 1, im Folgenden: Grund-Verordnung) eine von vornherein definierte, kalendermäßig eindeutig bestimmbare Befristung erfuhr. Wenn nicht aufgrund einer Überprüfung in einem besonders geregelten Verfahren eine neue Regelung getroffen wird, treten nach dieser Grund-Verordnung endgültige Antidumping-Maßnahmen fünf Jahre nach ihrer Einführung außer Kraft.
Der Umstand, dass die vorliegende Antidumping-Maßnahme, die auch nach ihrer Zielrichtung nur für die Dauer einer Ausnahmesituation geschaffen wurde, eine zeitliche Verlängerungsmöglichkeit (in einem festgelegten Verfahren) enthielt, ändert an ihrer Befristung ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass die Geltung der Antidumpingzölle vorliegend durch Verordnung (EG) Nr.1205/2007 des Rates vom 15. Oktober 2007 (ABl. EU 2007 Nr. L 272 S. 1) mit Blick auf das bevorstehende Außerkrafttreten der Maßnahme für ein weiteres Jahr, nämlich bis zum 18. Oktober 2008 auch tatsächlich verlängert wurde. Würde man § 2 Abs. 3 StGB auf eine solche Regelung anwenden, würde diese gegen Ende ihrer Geltungsdauer nach und nach die erforderliche Achtung verlieren. Je näher der Zeitpunkt käme, zu dem sie außer Kraft tritt, umso begründeter wäre die Erwartung, dass eine Strafe für eine Übertretung der Vorschrift nicht mehr während seiner Geltungsdauer ausgesprochen werden könnte. Dies wollte der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 2 Abs. 4 StGB vermeiden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 1954 - 3 StR 12/54, BGHSt 6, 30, 38). Der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschrift bleibt daher auch nach ihrem Außerkrafttreten erhalten.
Ein Entfallen der Zollpflicht für zurückliegende Zeiträume mit dem Außerkrafttreten der Antidumping-Maßnahme, mithin ein Erlöschen einer bereits entstandenen Zollschuld, wurde mit den genannten EG-Verordnungen nicht bestimmt und war erkennbar auch nicht gewollt. Der Generalbundesanwalt hat mit Recht darauf hingewiesen, dass eine Regelung, mit der - anders als etwa für mit Gleichstrom betriebene Lampen mit Ursprung in der Volksrepublik China (vgl. Verordnung [EG] Nr. 1322/2006 des Rates vom 1. September 2006, ABl. EU 2006 Nr. L 244 S. 1) - Waren rückwirkend aus dem Anwendungsbereich des Antidumpingzolls herausgenommen wurden, für die verfahrensgegenständlichen Energiesparlampen gerade nicht getroffen worden ist.
Der Umstand, dass die unrichtigen Anmeldungen gegenüber den Zollbehörden in den zeitlich begrenzten Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Antidumpingzölle fielen, war dem Angeklagten auch bekannt.
3. Der von der Revision beantragten Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Die Strafbarkeit wegen Hinterziehung von Antidumpingzöllen vorstößt nicht gegen Unionsrecht.
Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein Verbot der Bestrafung der Hinterziehung von Antidumpingzöllen auch weder aus dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT 1994) noch aus dem zur Durchführung des Artikels VI des GATT 1994 geschlossenen Antidumping-Übereinkommen vom 22. Dezember 1994 (ABl. EG 1994 Nr. L 336 S. 103). Das mit der Strafnorm des gewerbsmäßigen Schmuggels (§ 373 AO) unter Strafe gestellte Verhalten ist allein die Verkürzung von Einfuhrabgaben, zu denen auch die Antidumpingzölle gehören (vgl. auch BFH, Urteil vom 12. Juli 2007 - VII R 59/05, BFHE 217, 351). Bestraft wird nicht etwa die Beteiligung des Importeurs an der Mitwirkung am Dumping des chinesischen Lieferanten. Die Strafbarkeit knüpft auch nicht an der Einfuhr von Waren zu Dumpingpreisen an, sondern an die unrichtige Anmeldung der eingeführten Waren mit falschen Angaben, um eine Erhebung der anfallenden Einfuhrabgaben zu vermeiden. Die Antidumpingzölle haben nicht dadurch ihre Qualität als Einfuhrabgaben verloren, dass mit ihnen von der Europäischen Union - zeitlich befristet - das Ziel der Bekämpfung des von Lieferanten aus der Volksrepublik China betriebenen Preisdumpings und damit wirtschaftspolitische Zwecke verfolgt worden sind (vgl. BFH aaO sowie § 3 Abs. 1 letzter Halbsatz, Abs. 3 AO).
Mit der Strafandrohung für die Hinterziehung von Zöllen auf gedumpte Einfuhren werden für diese Gegenstände auch keine unzulässigen Handelshemmnisse aufgestellt. Denn die Einfuhr von Waren zu Dumpingpreisen wird hierdurch nicht erschwert. Das Handelshemmnis liegt allein in der Erhebung von Antidumpingzöllen, die nach Artikel VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT 1994) aber gerade zulässig sind. Ein Verbot der Bestrafung der Hinterziehung von Einfuhrabgaben im Allgemeinen und von Antidumpingzöllen im Besonderen ist diesem Abkommen nicht zu entnehmen. Im Gegenteil wird dadurch gerade die Wirksamkeit der auch nach dem Antidumping-Übereinkommen 1994 (ABl. EG 1994 Nr. L 336 S. 103) ausdrücklich für zulässig erklärten Antidumpingzölle strafrechtlich abgesichert und damit noch erhöht. Die Einfuhr von Waren zu Dumpingpreisen, bei der die anfallenden Antidumpingzölle abgeführt werden, wird dadurch weder erschwert noch unter Strafe gestellt (aA, aber nicht überzeugend Dannecker [in: Leitner (Hrsg.), Finanzstrafrecht 2004, 2005 S. 67, 106 f.], der zu Unrecht annimmt, Antidumpingzölle würden vom Rechtsgut des § 370 AO nicht erfasst).
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander