Entscheidungsdatum: 22.07.2014
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allg.) vom 30. Januar 2014 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Rüge einer Verletzung der Mitteilungs- und Dokumentationspflichten im Hinblick auf die Bekanntgabe des Inhalts eines in einer Verhandlungspause erfolgten Gesprächs zur Herbeiführung einer Verständigung
a) Insoweit ist die Rüge schon nicht zulässig erhoben. Es fehlt an der Behauptung eines bestimmten Rechtsfehlers. Die Revision trägt vor, was der Vorsitzende mitgeteilt und protokolliert hat und beanstandet, dass eine darüber hinausgehende Mitteilung nicht erfolgt sei (RB S. 11). Sie behauptet hingegen nicht, dass ausdrücklich oder konkludent zu diesem Zeitpunkt etwas besprochen worden ist oder sich ereignet hat, was nicht Gegenstand der Mitteilung und Protokollierung war (vgl. zu weitergehenden Vortragspflichten hinsichtlich des genauen Inhalts solcher Gespräche BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, NStZ 2013, 610; zu Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO ebenso BGH, Beschluss vom 6. März 2014 - 3 StR 363/13, NStZ 2014, 419). Mithin ist ein Informations- oder Dokumentationsdefizit, das die Transparenz der Verständigung, die Möglichkeit einer effektiven Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht oder die Willensfreiheit des Angeklagten gefährden könnte, entgegen der Vortragspflicht aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht dargetan.
Solches lässt sich auch dem im Übrigen mitgeteilten Verfahrensgeschehen nicht entnehmen. Danach ist mitgeteilt worden, dass das Rechtsgespräch auf Initiative des Gerichts stattfand, für den Fall welchen prozessualen Verhaltens des Angeklagten das Gericht welchen Strafrahmen für einschlägig erachtete und wie die Staatsanwaltschaft für den Fall des vom Gericht in Bezug genommenen prozessualen Verhaltens des Angeklagten reagieren werde. Der Mitteilung entsprechend ist die Protokollierung dessen erfolgt. Zwar lässt sich dem der Standpunkt des an dem Gespräch ebenfalls teilnehmenden Verteidigers nicht entnehmen. Dass dieser aber überhaupt eine in dem Sinne relevante Erklärung abgegeben hat und deswegen ein Mitteilungsdefizit bestehen könnte, versteht sich nicht von selbst. Denn mit den Aufgaben des Verteidigers, dessen Zustimmung für das Zustandekommen einer Verständigung ohnehin nicht konstitutiv ist, ist es ohne weiteres zu vereinbaren, die Standpunkte von Gericht und Staatsanwaltschaft entgegenzunehmen und vor Äußerung eines eigenen Standpunkts den Inhalt der in Aussicht gestellten Verständigung zunächst mit seinem Mandanten zu erörtern, um diesen zu beraten und über die Zustimmung entscheiden zu lassen.
b) Soweit der Revisionsführer durch den fehlenden Vortrag zur Verteidigerreaktion das Ausbleiben der Information darüber beanstanden wollte, dass der Verteidiger sich zu dem Verständigungsvorschlag nicht verhalten hat, greift die Rüge - ungeachtet der Bedenken gegen ihre Zulässigkeit - ebenfalls nicht durch. Entgegen der missverständlichen Formulierung des Protokollvermerks handelte es sich bei dem ohne den Angeklagten stattfindenden „Rechtsgespräch" allein um einen Vorschlag, was auch durch den weiteren Verfahrensablauf, wie z.B. die erst im Anschluss erfolgte Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO, belegt wird. Zwar ist dem Revisionsführer darin Recht zu geben, dass zum mitzuteilenden Inhalt auch solcher Erörterungen gehört, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten worden sind, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., Rn. 85, NJW 2013, 1058; vgl. nur BGH, Beschluss vom 9. April 2014 - 1 StR 612/13). Hat der Verteidiger sich aber nicht in diesem Sinne verhalten, also einen Standpunkt vertreten, Zustimmung oder Ablehnung zum Ausdruck gebracht, sei es ausdrücklich oder konkludent, ergibt sich in der in Rede stehenden Situation daraus nicht die Verpflichtung, dieses Schweigen mitzuteilen und zu dokumentieren.
c) Das Urteil beruht auch nicht auf der unterbliebenen Mitteilung des vom Verteidiger vertretenen Standpunkts. Zwar ist, sofern die Mitteilung sich auf eine unzureichende Darstellung beschränkt, grundsätzlich die Verteidigungsposition des Angeklagten tangiert (vgl. BVerfG aaO, Rn. 97; BGH, Beschlüsse vom 25. November 2013 - 5 StR 502/13, NStZ-RR 2014, 52, und vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418). Vorliegend ist jedoch ausnahmsweise auszuschließen, dass sich der Angeklagte anders eingelassen hätte, wenn ihm durch den Vorsitzenden nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung eine etwaige Reaktion seines Verteidigers, der ohnehin in diesem Zusammenhang keine ihn bindenden Erklärungen abgeben kann, mitgeteilt worden wäre. Denn für den Angeklagten, der sich sowieso stets mit seinem Verteidiger beraten und dessen Rat zu seinem prozessualen Verhalten im Rahmen des § 257c StPO einholen kann (vgl. zum Ausschluss des Beruhens BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, NStZ 2014, 418), hing hiervon in der konkreten Situation nichts ab; selbst bei - hier freilich weder dargetanen, noch sonst ersichtlichen - Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung (vgl. zu diesem Risiko BVerfG aaO, Rn. 114) zum Nachteil des im Übrigen umfassend informierten Angeklagten gilt nichts anderes.
2. Zeitlich nachgelagerte Verstöße gegen Mitteilungs- und Dokumentationspflichten
Etwaige Rechtsverletzungen in diesem Zusammenhang macht der Revisionsführer - auch unter Berücksichtigung des in § 300 StPO enthaltenen Rechtsgedankens (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 1 StR 649/07, NStZ 2008, 418) - mit seiner Rüge nicht geltend. Der Angriff richtet sich gegen den Umfang der Mitteilung des Inhalts des Vorgesprächs und des in einer Verhandlungspause geführten Gesprächs. Der Revisionsführer wendet sich unzweifelhaft allein gegen das Unterlassen einer weitergehenden Mitteilung darüber durch das Gericht. Dies ergibt sich aus den Beanstandungen, dass „eine darüber hinausgehende Mitteilung nicht erfolgte" (RB S. 11) bzw. dass es hätte „des Weiteren mitgeteilt werden müssen, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen sind", was „unterblieben" sei (RB S. 16) und dem Umstand, dass gegen andere Handlungen oder Unterlassungen des Gerichts der Vorwurf der Rechtsverletzung nicht erhoben wird. Dies ist aber Voraussetzung für einen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Vortrag (vgl. schon BGH, Urteile vom 29. Februar 1952 - 2 StR 112/50, BGHSt 2, 168; vom 3. September 2013 - 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671). An die deutlich gemachte Umgrenzung des geltend gemachten Verfahrensmangels ist der Senat hinsichtlich seines Prüfungsumfangs gebunden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161; vom 3. Mai 2011 - 3 StR 277/10, StV 2012, 3).
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