Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 23.07.2014


BGH 23.07.2014 - 1 StR 207/14

Tateinheit bei Steuerhinterziehungen durch Unterlassen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
23.07.2014
Aktenzeichen:
1 StR 207/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Stuttgart, 29. Oktober 2013, Az: 11 KLs 182 Js 100459/11
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2013

a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in 51 Fällen schuldig ist,

b) im Strafausspruch aufgehoben

aa) hinsichtlich der Einzelstrafen für die Tatkomplexe 14 und 15 der Urteilsgründe und

bb) bezüglich der Gesamtfreiheitsstrafe.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Umsatzsteuerhinterziehung in 15 Fällen, davon in einem Fall in 30 tateinheitlichen Fällen und in einem Fall in acht tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge erhebt. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die verfahrensrechtlichen Beanstandungen bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen ohne Erfolg.

3

2. Mit Ausnahme der konkurrenzrechtlichen Einordnung der Taten in den Tatkomplexen 14 und 15 der Urteilsgründe hat auch die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge zum Schuldspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Indes stehen die Taten in den Komplexen 14 und 15 der Urteilsgründe nicht wie vom Landgericht angenommen in Tateinheit, sondern jeweils in Tatmehrheit.

4

a) Den Tatkomplexen 14 und 15 der Urteilsgründe liegt die unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern (§ 15 UStG) aus Scheineingangsrechnungen durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Firmen A.    F.     S.     GmbH (im Folgenden: A.  ) für die Voranmeldungszeiträume Juli 2008 bis Dezember 2010 und für die P.                    GmbH (im Folgenden: P.     ) für die Voranmeldungszeiträume Oktober 2011 bis April 2012 zugrunde. Zudem wurden für die P.     für die Voranmeldungszeiträume Mai und Juni 2012 keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, obwohl auch in diesen Monaten steuerpflichtige Umsätze getätigt wurden.

5

Das Landgericht hat die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen für die A.   (Tatkomplex 14) als 30 tateinheitlich begangene Taten der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) gewertet. Für die zugunsten der P.     entweder durch Abgabe unrichtiger Voranmeldungen (Voranmeldungszeiträume Oktober 2011 bis April 2012) oder pflichtwidriges Unterlassen (Voranmeldungszeiträume Mai und Juni 2012) begangenen Taten (Tatkomplex 15) hat es ebenfalls Tateinheit angenommen; es hat den Angeklagten deswegen insoweit wegen Steuerhinterziehung in acht tateinheitlichen Fällen verurteilt.

6

b) Bei mehreren Steuerstraftaten gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf die Konkurrenzen folgendes: Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. Von Tatmehrheit ist also dann auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, dass die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. März 1985 - 1 StR 583/84, BGHSt 33, 163 und vom 20. September 1995 - 1 StR 197/95, wistra 1996, 62; Urteil vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 276/04, wistra 2005, 30; Beschluss vom 2. April 2008 - 5 StR 62/08, wistra 2008, 266).

7

Auch bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) ist grundsätzlich im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von selbständigen Taten im Sinne des § 53 StGB auszugehen. Allein ein einheitlicher Tatentschluss, seinen steuerlichen Pflichten für mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume künftig nicht nachzukommen, begründet noch keine Tateinheit zwischen den einzelnen Steuerhinterziehungen durch Unterlassen. Tateinheit ist nur dann ausnahmsweise anzunehmen, wenn die erforderlichen Angaben, die der Täter pflichtwidrig unterlassen hat, durch ein und dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 276/04, wistra 2005, 30 mwN).

8

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen standen in den Tatkomplexen 14 und 15 der Urteilsgründe die Taten der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen weder untereinander noch zu den Unterlassungstaten der Nichtabgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume Mai und Juni 2012 im Verhältnis der Tateinheit. Der Senat ändert den Schuldspruch daher auf Tatmehrheit ab. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen; der Senat schließt aus, dass sich der Angeklagte gegen die Annahme von Tatmehrheit effektiver als geschehen hätte verteidigen können.

9

3. Die Änderung des Schuldspruchs in den Tatkomplexen 14 und 15 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der für die Taten 14 und 15 verhängten Einzelstrafen nach sich. Dies führt auch zum Wegfall der vom Landgericht festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe. Die übrigen Einzelstrafen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und haben Bestand.

10

Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei der hier allein fehlerhaften konkurrenzrechtlichen Einordnung einzelner Taten nicht. Das neue Tatgericht ist allerdings nicht gehindert, weitere Feststellungen zu treffen, die zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehen.

Raum                       Rothfuß                           Jäger

             Cirener                          Radtke