Entscheidungsdatum: 19.08.2015
1. Auf die Revisionen der Angeklagten K. und G. wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 5. November 2014, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 30 Euro und den Angeklagten G. wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt sowie „wegen überlanger Verfahrensdauer“ bei jedem Angeklagten 60 Tagessätze der Gesamtgeldstrafe für vollstreckt erklärt. Die jeweils mit der Sachrüge begründeten Revisionen der Angeklagten haben Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten in unterschiedlichen Positionen in ein System unzutreffender Rechnungs- und Gegenrechnungslegung zur Ermöglichung mehrerer Subventionsbetrugstaten durch nichtrevidierende Mitangeklagte eingebunden. Im Rahmen monatlicher Umsatzsteuervoranmeldungen sollen der Angeklagte K. als Vorstand der A. AG und der Angeklagte G. als Geschäftsführer der O. GmbH jeweils zu Unrecht Vorsteuer aus „Scheinrechnungen" der Firma M. in Anrechnung gebracht und so Umsatzsteuer verkürzt haben.
Zur Höhe der in den einzelnen Monaten verkürzten Umsatzsteuer verhält sich das Urteil nicht ausdrücklich. Im Rahmen der Feststellungen wird lediglich zum einen dargelegt, welche Abschlags- und Schlussrechnungen durch die einzelnen Firmen gestellt wurden und dass es sich bei den Rechnungen der Firma M. um Scheinrechnungen über insgesamt knapp 700.000 Euro netto gehandelt habe, die entweder nicht erbrachte Leistungen zum Gegenstand hatten oder für erbrachte Leistungen einen weit überhöhten Preis nannten. Zum anderen heißt es im Urteil bei der Darlegung der einzelnen Hinterziehungstaten jeweils pauschal, bei der Berechnung der Vorsteuern seien die Zahlungen auf die den zwei Gesellschaften gestellten Rechnungen berücksichtigt worden, obgleich die Vorsteuern den Gesellschaften nicht in voller Höhe zugestanden hätten.
Welche Vorsteuerbeträge konkret in den einzelnen Umsatzsteuervoranmeldungen zu Unrecht geltend gemacht worden sein sollen, ergibt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils nicht. Vielmehr heißt es unter der Überschrift „Schaden", bei den Subventionsbetrugstaten sei eine konkrete Schadensberechnung nicht möglich, weil sich der Umfang der in geringem Umfang ausgeführten, förderfähigen Arbeiten nicht mehr rekonstruieren lasse. Das Landgericht hat deshalb für die Schadensbestimmung lediglich diejenigen Rechnungen herangezogen, bei denen nachweislich überhaupt keine Leistung erbracht wurde. Ausgehend hiervon hat es eine „faktische Steuerverkürzung" in Höhe von jeweils 16 % dieser Rechnungsbeträge durch die Anmeldung dieser Rechnungspositionen bei der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldung in Höhe von insgesamt 8.251,68 Euro bei der A. AG von insgesamt 24.155,35 Euro bei der O. GmbH angenommen.
2. Den Anforderungen an eine nachvollziehbare Steuerberechnung anhand der festgestellten Besteuerungsgrundlagen (vgl. hierzu Jäger in Klein, AO, 12. Aufl., § 370 Rn. 461 ff. mwN) wird das Urteil demnach nicht gerecht. Der Senat kann anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehen, ob und in welcher Höhe es bei jeder Umsatzsteuervoranmeldung durch die unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern aus Scheinrechnungen zu einer Steuerverkürzung gekommen ist. Unklar bleibt insbesondere auch, ob das Landgericht letztlich den Hinterziehungsumfang anhand der kompletten in den Scheinrechnungen der Firma M. ausgewiesenen Umsatzsteuer berechnet oder nur die von ihm so bezeichnete „faktische Steuerverkürzung“ als Hinterziehungserfolg angesehen hat. Zudem ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb es auf die Zahlungen der Gesellschaften auf die zu Unrecht gestellten Rechnungen ankommen soll und nicht auf die Rechnungen selbst (vgl. demgegenüber § 15 Abs. 1 UStG).
3. Hinzu kommt Folgendes:
a) Das Urteil enthält keine konkreten Feststellungen dazu, weshalb dem Angeklagten G. die Unterzeichnung der Umsatzsteuervoranmeldungen der O. GmbH für die Monate Juni und Juli 2003 durch den Nichtrevidenten H. zugerechnet wird.
b) Hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen der O. GmbH für die Monate Juni, Juli und September 2003 fehlt es an Feststellungen dazu, ob das Finanzamt angesichts des verbleibenden Überschusses seine Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO erteilt hat. Der Senat kann deshalb nicht nachprüfen, ob diese Taten vollendet worden sind (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 StR 196/14, NStZ 2015, 282).
c) Zwar hat die Strafkammer im Rahmen der rechtlichen Würdigung zu treffend darauf abgestellt, dass der Taterfolg der Steuerhinterziehung nicht entfällt, wenn die Umsatzsteuerzahllast aus ihrerseits zum Schein erstellten Rechnungen (vgl. § 14c Abs. 2 UStG) durch die unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuer aus Scheinrechnungen lediglich gleichsam „neutralisiert" werden soll; bei der Strafzumessung ist ihr dieser Gesichtspunkt aber nicht in den Blick geraten, obwohl dies in der vorliegenden Konstellation geboten gewesen wäre.
d) Zudem hat das Landgericht Art und Ausmaß der von ihm angenommenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht benannt (vgl. demgegenüber BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - 1 GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146).
4. Die dargelegten Mängel bedingen eine Aufhebung der zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat die Feststellungen insgesamt auf.
RiBGH Prof. Dr. Jäger ist |
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