Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 27.01.2015


BGH 27.01.2015 - 1 StR 142/14

Steuerhinterziehung: Prüfung der Beihilfe im besonders schweren Fall


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
27.01.2015
Aktenzeichen:
1 StR 142/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Rostock, 9. Juli 2013, Az: 11 KLs 140/12
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 9. Juli 2013 aufgehoben

a) in den Strafaussprüchen und

b) in den Aussprüchen über den Verfall von Wertersatz.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen 69 Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten K.    deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, den Angeklagten D.      zu einer solchen von drei Jahren und den Angeklagten S.        zu einer solchen von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der gegen die Angeklagten K.    und S. verhängten Gesamtfreiheitsstrafen hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es gegen die Angeklagten den Verfall von Wertersatz angeordnet, gegen den Angeklagten K.    in Höhe von 60.000 Euro, gegen den Angeklagten D.      in Höhe von 30.000 Euro und gegen den Angeklagten S.        in Höhe von 7.500 Euro.

2

Die Angeklagten wenden sich gegen ihre Verurteilung mit auf die Beanstandung der Verletzung materiellen und (ohne dies näher auszuführen) formellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben lediglich zum Strafausspruch und zum Ausspruch über den Verfall von Wertersatz mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

3

Zu den Schuldsprüchen sind die Revisionen der Angeklagten aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Nachprüfung des Urteils auf die Revisionsrechtfertigungen der Angeklagten hat insoweit keinen sie beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

II.

4

Die Strafaussprüche haben insgesamt keinen Bestand.

5

1. In den Fällen 1 bis 24 der Urteilsgründe hat das Landgericht bei allen drei Angeklagten besonders schwere Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO, § 27 Abs. 1 StGB) angenommen, weil die Angeklagten jeweils das Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Tatbegehung als Mitglied einer Bande (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO) erfüllt haben und zum Teil auch noch das Regelbeispiel einer Steuerverkürzung in großem Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) verwirklicht ist.

6

Bereits die Strafrahmenwahl in diesen Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Ausführungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, dass dem Landgericht die Notwendigkeit einer eigenen Gesamtwürdigung der jeweiligen Beihilfehandlung als solcher bewusst war. Entscheidend ist nicht, dass sich die Tat des Haupttäters, zu der Beihilfe geleistet wird, als besonders schwerer Fall erweist; zu prüfen ist vielmehr, ob das Gewicht der Beihilfehandlung selbst die Annahme eines besonders schweren Falles rechtfertigt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2000 - 3 StR 225/00, wistra 2001, 105). Dies gilt nicht nur in Fällen unbenannter besonders schwerer Fälle, sondern auch dann, wenn im Wege einer Gesamtwürdigung zu klären ist, ob die Indizwirkung eines oder mehrerer Regelbeispiele für besonders schwere Fälle widerlegt ist. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft auch nicht bedacht, dass das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes Beihilfe Anlass sein kann, einen besonders schweren Fall zu verneinen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen auf diesen Rechtsfehlern beruhen.

7

2. Der Senat hebt die Einzelstrafen insgesamt auf, weil nicht auszuschließen ist, dass die in den Fällen 1 bis 24 der Urteilsgründe verhängten Strafen (darunter die Einsatzstrafen) die übrigen Einzelstrafen beeinflusst haben. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafen nach sich.

III.

8

Auch die Aussprüche über den Verfall von Wertersatz haben keinen Bestand. Das Landgericht hat nach der Feststellung des von den Angeklagten aus den Taten Erlangten den Verfallsbetrag gemäß § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bei dem Angeklagten K.    auf 60.000 Euro, bei dem Angeklagten D.      auf 30.000 Euro und bei dem Angeklagten S.        auf 7.500 Euro beschränkt, weil eine Verfallsanordnung in voller Höhe der erlangten Beträge eine unbillige Härte darstellen würde (UA S. 47). Dabei hat es die Härtefallregelung des § 73c StGB nicht ausschließbar zum Nachteil der Angeklagten rechtsfehlerhaft angewendet.

9

a) Die Annahme einer "unbilligen Härte" im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Situation voraus, nach der die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin "ungerecht" wäre. Die Auswirkungen müssen im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen; es müssen besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 - 4 StR 153/08, wistra 2009, 23).

10

b) Die Aussprüche über den Verfall von Wertersatz können hier schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht die gebotene Prüfungsreihenfolge nicht beachtet hat. Dies kann die Angeklagten beschweren.

11

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zwischen der bei "unbilliger Härte" zwingend zum Ausschluss der Verfallsanordnung führenden Regelung in § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einerseits und der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB andererseits, dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder Verfalls von Wertersatz abgesehen werden kann. Denn gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden sind. Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der jeweilige Angeklagte für die Tat oder aus ihr erlangt hat, sodann ist diesem Betrag der Wert seines noch vorhandenen Vermögens gegenüberzustellen. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

12

Das Landgericht hat zunächst die Beträge festgestellt, welche die Angeklagten im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB für die von ihnen begangenen Taten erhalten haben. Es hat sodann den Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) jeweils auf einen niedrigeren Betrag beschränkt. Als Begründung hierfür hat es lediglich angeführt, dass in Anbetracht der wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten und des Umstands, dass sie mit einer Inanspruchnahme für die Steuerschulden der Firma Sy.    aus § 71 AO zu rechnen haben, eine Verfallsanordnung in voller Höhe der erlangten Beträge eine unbillige Härte darstellen würde.

13

Ohne nähere Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen kann der Senat jedoch nicht prüfen, ob das Erlangte jeweils noch im Vermögen der Angeklagten vorhanden war und ob sogar ein gänzliches Absehen von einer Verfallsanordnung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB in Betracht kam.

14

c) Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da sie von den Rechtsfehlern, die zur Teilaufhebung des Urteils geführt haben, nicht betroffen sind. Das neue Tatgericht wird jedenfalls zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten ergänzende, mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehende weitere Feststellungen zu treffen haben.

IV.

15

Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat zur Möglichkeit der Verhängung kurzer (Einzel-)Freiheitsstrafen:

16

Im Rahmen der Anwendung des § 47 Abs. 1 StGB dürfen auch generalpräventive Erwägungen vorgenommen werden. Nach dieser Vorschrift ist es ausreichend, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe entweder zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Damit genügt es, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe aus generalpräventiven Gründen unerlässlich ist (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 47 Rn. 7, 10).

Rothfuß                       Graf                            Jäger

                  Radtke                   Mosbacher