Entscheidungsdatum: 28.09.2011
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 25. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten von den in der Anklage der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg näher bezeichneten Vorwürfen, eine Vielzahl von Schusswaffen, wesentliche Teile von Schusswaffen, Munition, Kriegswaffenmunition sowie Explosionsstoffe und Zündmittel besessen zu haben, wegen Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB freigesprochen und eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB wegen fehlender Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit abgelehnt.
Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft im Wesentlichen gegen die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts.
II.
1. Der 1953 geborene Angeklagte, welcher nach seiner Schulausbildung gerne Büchsenmacher geworden wäre, was aber an den finanziellen Verhältnissen seiner Familie scheiterte, beging nach einer wegen der Verbüßung von Freiheitsstrafe abgebrochenen Dachdeckerlehre von 1967 an eine Vielzahl unterschiedlicher Straftaten und wurde zuletzt in den Jahren 1998 und 1999 wegen verschiedener Waffendelikte zu Freiheitsstrafen von einem Jahr vier Monaten bzw. einem Jahr sechs Monaten verurteilt, welche er jeweils verbüßte. Die Vollstreckung der letzten Freiheitsstrafe endete am 16. März 2001. Dazwischen war er immer wieder und auch bis heute als Dachdecker berufstätig.
Im Jahr 1998 wurde bei ihm ein Hauttumor festgestellt, welcher folgenlos entfernt wurde. Außer einer Hörminderung wurden sonstige gesundheitliche Einschränkungen bis zur Festnahme in der vorliegenden Sache am 9. Juli 2009 nicht festgestellt.
2. Zu den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
In der Zeit nach seiner Entlassung nach Verbüßung der letzten Freiheitsstrafe am 16. März 2001 bis zu seiner Festnahme am 9. Juli 2009 kaufte der als Waffennarr bekannte Angeklagte zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten auf Antiquitätenausstellungen und Waffenbörsen im Ausland unterschiedliche Waffen, Waffenteile und Munition sowie Explosionsstoffe und Zündmittel und verbrachte sie nach Deutschland, obwohl er wusste, dass das Verbringen und der Besitz solcher Gegenstände in Deutschland ohne entsprechende Erlaubnis, über die er nicht verfügte, verboten ist.
Die erworbenen Gegenstände, darunter funktionstüchtige Pistolen und Revolver, neugefertigte Läufe für Selbstladepistolen und eine Maschinenpistole, Griffstücke unterschiedlicher Art, Patronen für Pistolen und Maschinenpistolen, Sprengschnüre und Sprengzünder sowie eine als Kriegswaffenmunition einzuordnende Leuchtspurmunitionspatrone lagerte der Angeklagte, wie auch bereits bei den genannten Vortaten, teilweise museumsartig (UA S. 56) und ohne weitere Schutzvorrichtungen in seiner Wohnung.
Der Angeklagte äußerte hierzu, er wisse, dass es für ihn verboten sei, diese Waffen zu besitzen. Jedoch sei der Waffenbesitz sein verfassungsmäßiges Recht, für das er eintreten und kämpfen werde. Wenn ihm die Gerichte sein Recht nicht geben würden, werde er „in ein Land umziehen, wo man mir das mir zustehende Recht auch gibt. Ein Verbot würde ich nicht akzeptieren“ (UA S. 58).
3. Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen, da er nach Überzeugung der Strafkammer wegen Vorliegens einer wahnhaften Störung ohne Schuld i.S.d. § 20 StGB handelte. Weil das Landgericht sich nicht in der Lage sah, in der Hauptverhandlung den konkreten Verlauf der angenommenen Krankheit des Angeklagten aufzuklären, ging es davon aus, dass die wahnhafte Störung bereits schon beim Erwerb der ersten Waffen bzw. Waffenteile und auch in dem gesamten Zeitraum zwischen 2001 und 2009 vorlag.
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat das Landgericht abgelehnt, weil der Angeklagte zwar als notorischer Rechtsbrecher anzusehen sei, aber als solcher mangels Eingriffs in die Rechte Dritter keine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.
III.
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist das freisprechende Urteil aufzuheben.
Dabei kann dahinstehen, ob die Staatsanwaltschaft, wenn auch nicht ausdrücklich ausgesprochen, die Revision auf die Frage der Nichtanordnung der Unterbringung beschränken wollte. Eine etwaige Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist vorliegend unwirksam, weil die Feststellungen des Landgerichts keine tragfähige Grundlage für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bieten. Sie ermöglichen dem Revisionsgericht deshalb auch nicht die isolierte Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 63 StGB für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2001 - 2 StR 500/00, BGHSt 46, 257, 259).
Das Urteil leidet an durchgreifenden Darstellungsmängeln. Zunächst wird ausgeführt, dass der Angeklagte durchaus weiß, dass der Besitz von Waffen in der Bundesrepublik Deutschland ohne besondere Genehmigung verboten ist, weshalb er zum Ankauf der Waffen und Waffenteile jeweils auf Waffenmessen ins Ausland fuhr. Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass der Angeklagte der Auffassung ist, dieses Verbot gelte aus verfassungsrechtlichen Gründen ihm gegenüber nicht. Auch wenn die Strafkammer weiter mitteilt, der Sachverständige sei zum Schluss gekommen, der Angeklagte unterliege insoweit einer wahnhaften Störung, weshalb der Tatrichter der Überzeugung sei, dass die Voraussetzungen des § 20 StGB vorliegen, vermag der Senat aufgrund allein dieser Feststellungen nicht nachzuvollziehen, weshalb das vom Angeklagten ohne nähere Begründung behauptete Recht auf Waffenbesitz trotz der gleichzeitig vorhandenen Kenntnis des gesetzlichen Verbots seine Unfähigkeit begründet, das Unrecht seiner Handlungen einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht auch nicht erörtert, dass der Angeklagte durchaus sieht, dass die Gerichte ihm sein Recht nicht geben könnten, weshalb er dann in ein anderes Land umziehen wolle, wo ihm das Recht zusteht, Waffen zu besitzen. Auch war ihm offensichtlich genau bewusst, dass der Besitz von Sprengkabeln und Sprengzündern auf Grund von deren Gefährlichkeit und Bestimmung nicht erlaubt war und er deswegen durch die Polizei „womöglich Ärger bekommen“ hätte (UA S. 57), was darauf hindeuten könnte, dass er jedenfalls insoweit das Unrecht seiner Tat einsieht. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Angeklagte über viele Jahre seine Besuche auf ausländischen Waffenmessen etc. plante und durchführte, gerade weil er wusste, dass solche Käufe und der daraus folgende Besitz von Waffen im Inland verboten sind. Auch hielt er es für möglich, dass er seine Auffassung vor Gericht nicht durchsetzen würde, und plante für diesen Fall seine Auswanderung. Angesichts dieser Umstände waren entsprechende Erörterungen im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 StGB keinesfalls entbehrlich.
Unabhängig davon ist auch nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte während des gesamten möglichen Tatzeitraums an der angenommenen wahnhaften Störung litt und dass er bei keinem seiner zahlreichen Waffenkäufe und dem sich anschließenden Besitz nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Taten einzusehen. Erstreckt sich das Handeln eines Täters, wie hier der jahrelange Ankauf und die sich daran anschließende Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die sichergestellten Waffen, Waffenteile und Munition über einen längeren Zeitraum, findet § 20 StGB nur dann Anwendung, wenn der die Schuldunfähigkeit begründende Zustand während des gesamten Tatzeitraums gegeben ist (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 - 4 StR 176/04). Bei nur teilweiser Schuldunfähigkeit ist umgekehrt die Verantwortlichkeit des Täters für die Taten gegeben, bei denen die wahnhafte Störung noch nicht den Grad erreicht hatte, dass er das gesetzliche Verbot des unerlaubten Waffenbesitzes nicht mehr erkennen konnte.
Das Landgericht hat sich insoweit auf die Feststellung beschränkt, in der Hauptverhandlung habe der konkrete Krankheitsverlauf nicht aufgeklärt werden können. Weshalb solche Feststellungen unmöglich gewesen seien, wird nicht näher ausgeführt, obwohl es gerade angesichts der Einlassungen des Angeklagten und der festgestellten Umstände seiner Käufe dafür Anlass gegeben hätte. So weist das vom Angeklagten eingeräumte Verhalten durchaus planvolle Überlegungen auf, indem er schilderte, weshalb und wie er seine Waffenkäufe im Ausland durchführte, um die Verbote in Deutschland zu umgehen. Hinzu kommt, dass offenbar bei den beiden Vorverurteilungen der Jahre 1998 und 1999 keine Anzeichen für eine wahnhafte Störung festzustellen waren, so dass nicht unbedingt etwas dafür spricht, dass der Angeklagte bereits unmittelbar im Anschluss an den Vollzug der letzten Freiheitsstrafe schon die bejahte wahnhafte Störung aufgewiesen hätte.
IV.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
1. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB setzt die Prognose voraus, dass vom Täter infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Insoweit hat die Strafkammer festgestellt, dass eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades vorliegt, dass der Angeklagte auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Diese Feststellung findet ihre zusätzliche Begründung darin, dass der Angeklagte offensichtlich der festen Überzeugung ist, er habe das Recht dazu, Waffen zu besitzen (UA S. 57 f.), und deswegen auch in Zukunft kaum davon absehen wird, sich erneut den Besitz von Waffen zu verschaffen.
2. a) Hinsichtlich der weiteren Prognose einer Gefährlichkeit für die Allgemeinheit kann neben anderen Merkmalen auch Art und Schutzgut der erwarteten Straftaten nicht außer Acht bleiben. Hinsichtlich der Vorschriften des Waffengesetzes sind dies die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§ 1 Abs. 1 WaffG), also die sicherheitsrechtlichen Interessen des Staates und seiner Bürger (vgl. MüKo-StGB/Heinrich, § 1 WaffG Rn. 2). Insoweit ist jeder verbotene Besitz von Waffen ein Sicherheitsrisiko, insbesondere dann, wenn die Waffen nicht so aufbewahrt werden, dass ein Zugriff Dritter darauf ausgeschlossen ist. In diesem Fall kommt es dann nicht mehr allein auf eine mögliche geringere Gefährlichkeit des Besitzers an, weil er eine zufällige Änderung der Gefahrenlage nicht mehr beherrschen kann. Dies gilt gerade auch für den Angeklagten, welcher die Waffen in seiner Wohnung museumsartig gelagert hatte, so dass jeder Besucher oder auch Einbrecher bei dem als „Waffennarr“ bekannten Angeklagten ungehindert hätten zugreifen können.
b) Zur berücksichtigen wird auch sein, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen 20 % der Betroffenen, welche unter einer wahnhaften Störung leiden, im Laufe der Zeit schizophren und damit für ihre Umwelt ungleich gefährlicher werden (UA S. 68). Die insoweit fehlende Auseinandersetzung hiermit und mit der Frage, inwieweit man beim Angeklagten mit einer solchen Entwicklung rechnen muss, wird vom neuen Tatrichter zu beantworten sein, soweit sich die Entscheidung über die Anordnung einer Unterbringung gemäß § 63 StGB erneut stellt.
3. Keinen Einfluss kann vorliegend der Umstand haben, dass der Angeklagte seit mehr als zehn Jahren nicht mehr verurteilt wurde (UA S. 69), nachdem das Landgericht festgestellt hat, dass er jedenfalls einen erheblichen Teil dieses Zeitraums unerlaubt Waffen in den Geltungsbereich des Waffengesetzes verbracht und hier besessen hat.
Nack Wahl Graf
Jäger Sander