Entscheidungsdatum: 14.02.2016
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung einer Rechtsanwältin wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Verweisung eines Eilantrags durch das Sozialgericht an das Verwaltungsgericht und gegen die Entscheidung über die dagegen gerichtete Beschwerde und die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landessozialgericht.
1. Der minderjährige Beschwerdeführer leidet am Asperger-Syndrom. Für den Schulbesuch bedarf er einer Förderung durch spezialisierte Fachkräfte. Im Zusammenhang mit einem Schulwechsel beantragte er eine Eingliederungshilfe, zuletzt konkretisiert als "Einzelfallhilfe gemäß §§ 53, 54 SGB XII" durch Stellung eines Schulhelfers im Stundenumfang von 30 Stunden wöchentlich bis zum Einsatz eines Schulhelfers durch die Senatsverwaltung des Landes Berlin. Nachdem über seinen Antrag zu Beginn des Schuljahres auch aufgrund von Unklarheiten über die Zuständigkeit nicht entschieden worden war, stellte er bei dem Sozialgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Das Sozialgericht verwies das Verfahren nach Anhörung an das Verwaltungsgericht. Bei der Eingliederungshilfe gäbe es mit §§ 53 ff. SGB XII und § 35a SGB VIII zwei sich ausschließende Anspruchsgrundlagen. Hier sei § 35a SGB VIII vorrangig und daher das Verwaltungsgericht zuständig. Für die Frage, welche Anspruchsgrundlage Anwendung finde, sei die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstelle, entscheidend, also die beim Beschwerdeführer vorliegende seelische Behinderung.
Eine hiergegen gerichtete Beschwerde stützte der Beschwerdeführer darauf, dass die Anspruchsgrundlagen nebeneinander bestünden. Das Vor- und Nachrangverhältnis wirke sich nur auf die Kostenerstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander aus. Das Landessozialgericht wies die Beschwerde zurück. Die Leistungen nach dem SGB VIII gingen den Leistungen nach dem SGB XII vor. Zwar gelte dies nach § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII nicht für die Eingliederungshilfe für junge Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen, so dass diese neben und anstelle von Ansprüchen nach dem SGB VIII auch solche nach dem SGB XII haben könnten. Lägen aber wie hier, weil der Beschwerdeführer mit einer seelischen, nicht aber einer körperlichen oder geistigen Behinderung lebe, die Voraussetzungen für diese Ausnahme nicht vor, sei einzig und vorrangig der Träger nach dem SGB VIII zuständig. Nur wenn Leistungsverpflichtungen nach dem SGB XII und dem SGB VIII in Betracht kämen, könne ein mögliches Vor- und Nachrangverhältnis nicht zur Verneinung einer Angelegenheit der Sozialhilfe führen. Dieser Beschluss sei nicht anfechtbar. Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde an das Bundessozialgericht lägen nicht vor, denn in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren sei eine weitere Beschwerde nach § 17a Abs. 4 GVG nicht zulässig (Hinweis auf BSG, Beschluss vom 24. Januar 2008 - B 3 SF 1/08 R -, juris; BVerwG, Beschluss vom 8. August 2006 - BVerwG 6 B 65.06 -, juris). Das Eilbedürfnis und die entsprechende Ausgestaltung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bedingten, dass in dem hier betriebenen Zwischenverfahren kein weitergehender Instanzenzug eröffnet sei als in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren selbst.
2. Mit seiner mit einem Prozesskostenhilfeantrag verbundenen Verfassungs-beschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3, aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 sowie des Justizgewährungsanspruchs aus Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Weder kommt ihr grundsätzliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Dem Vortrag des Beschwerdeführers ist nicht zu entnehmen, dass die Gerichte eine die Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennende oder offensichtlich unhaltbare Auslegung von Zuständigkeitsnormen vorgenommen hätten. Das Landessozialgericht konnte nach § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII bereits aufgrund des Vorrangs kinder- und jugendhilferechtlicher Eingliederungshilfe bei seelischen Behinderungen, auf die sich auch die Verwaltung bezogen hatte, von der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ausgehen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Verweisung des Antrags auf vorläufigen Einsatz eines Schulhelfers an das Verwaltungsgericht das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt. Der Beschwerdeführer trägt keine Tatsachen vor, die seine Sorge begründen würden, die Anspruchsgrundlagen der §§ 53, 54 SGB XII würden vor dem Verwaltungsgericht nicht in verfassungsrechtlich hinreichender Weise geprüft. Insbesondere fehlt jede Auseinandersetzung mit § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach das Gericht des zulässigen Rechtswegs verpflichtet ist, den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Diese Regelung erzwingt in Streitigkeiten über Eingliederungshilfeleistungen eine Prüfung sowohl des § 35a SGB VIII als auch der §§ 53, 54 SGB XII (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 2. August 2006 - 4 OB 171/06 -, SRa 2007, S. 184 <184>; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Mai 2012 - 12 B 438/12 -, juris, Rn. 17).
2. Die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. In der Verweisung auf den Verwaltungsrechtsweg ist jedenfalls keine Benachteiligung zu erkennen (vgl. BVerfGE 96, 288 <303>). Bereits nach dem Vortrag des Beschwerdeführers kann die Rechtswegzuweisung sowohl rechtlich vorteilhaft als auch nachteilig wirken.
3. Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landessozialgericht überschreitet nicht die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. Es setzt sich insbesondere nicht über den erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinweg (vgl. BVerfGE 132, 99 <127 f. Rn. 75> m.w.N.). Das Landessozialgericht begründet seine einschränkende Auslegung der § 17a Abs. 4 Satz 4 bis 6 GVG in Verbindung mit § 177 SGG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Zweck des Eilrechtsschutzes und der Erwägung, dass in einem Zwischenverfahren kein weitergehender Rechtsschutz als im Verfahren selbst eröffnet werde. Das orientiert sich am gesetzgeberischen Regelungswillen, denn das Landessozialgericht verweist auf einen Beschluss des Bundessozialgerichts, in dem dieses wiederum auf die Entstehungsgeschichte der Norm zurückgreift (vgl. BSG, Beschluss vom 24. Januar 2008 - B 3 SF 1/08 R -, juris). Die Beschwerdemöglichkeit bei Rechtswegstreitigkeiten nach § 17a Abs. 4 Satz 4 bis 6 GVG in Verbindung mit § 177 SGG solle nach der Begründung des Regierungsentwurfs (BTDrucks 11/7030, S. 37 f.) die nun durch § 17a Abs. 5 GVG ausgeschlossene revisionsgerichtliche Kontrolle der Rechtswegfrage in der Hauptsache ersetzen; im einstweiligen Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren könne dieser Zweck jedoch von vornherein nicht eintreten, weil Beschlüsse des Landessozialgerichts über Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundessozialgericht nach § 177 SGG ohnehin nicht überprüft werden könnten. Damit ist nicht erkennbar, inwiefern das Landessozialgericht mit der Nichtzulassung der weiteren Beschwerde Verfassungsrecht verkannt haben soll.
4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.