Entscheidungsdatum: 23.10.2018
1. Stößt die gerichtliche Kontrolle nach weitestmöglicher Aufklärung an die Grenze des Erkenntnisstandes naturschutzfachlicher Wissenschaft und Praxis, zwingt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG das Gericht nicht zu weiteren Ermittlungen, sondern erlaubt ihm, seiner Entscheidung insoweit die plausible Einschätzung der Behörde zu der fachlichen Frage zugrunde zu legen. Die Einschränkung der Kontrolle folgt hier nicht aus einer der Verwaltung eingeräumten Einschätzungsprärogative und bedarf nicht eigens gesetzlicher Ermächtigung.
2. In grundrechtsrelevanten Bereichen darf der Gesetzgeber Verwaltung und Gerichten nicht ohne weitere Maßgaben auf Dauer Entscheidungen in einem fachwissenschaftlichen "Erkenntnisvakuum" übertragen, sondern muss jedenfalls auf längere Sicht für eine zumindest untergesetzliche Maßstabsbildung sorgen.
Die Verfassungsbeschwerden werden als unzulässig verworfen.
Die Verfassungsbeschwerden werfen bezüglich des in § 44 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) enthaltenen Tötungsverbots für besonders geschützte Tierarten die Frage nach der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebotenen Reichweite verwaltungsgerichtlicher Kontrolle auf.
Die Beschwerdeführerinnen begehrten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für Windenergieanlagen. Eine Genehmigung wurde in beiden Fällen wegen Unvereinbarkeit mit § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG versagt, der es verbietet, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten zu töten. Das Tötungsverbot steht der Genehmigung entgegen, wenn sich durch das Vorhaben das Tötungsrisiko für die geschützten Tiere signifikant erhöht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 -, juris, Rn. 219; siehe jetzt auch § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG). Die Genehmigungsbehörden nahmen in beiden Fällen an, das Risiko der Kollision von Greifvögeln der Art des Rotmilans mit den beantragten Windenergieanlagen sei signifikant erhöht.
In den Berufungsentscheidungen hat das Oberverwaltungsgericht unter Verweis auf die Entscheidung des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts zur Nordumfahrung Bad Oeynhausen (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, juris, Rn. 65 ff.) ausgeführt, der zuständigen Behörde müsse eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zuerkannt werden, weil zur fachgerechten Beurteilung der Frage der signifikanten Risikoerhöhung ornithologische Kriterien maßgeblich seien, die zu treffende Entscheidung prognostische Elemente enthalte und naturschutzfachlich allgemein anerkannte standardisierte Maßstäbe und rechenhaft handhabbare Verfahren fehlten (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Oktober 2011 - 2 L 6/09 -, juris, Rn. 60; Urteil vom 19. Januar 2012 - 2 L 124/09 -, juris, Rn. 46).
Auf die Revisionen der Beschwerdeführerinnen hin hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, das Berufungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Genehmigungsbehörde für die Prüfung dieses Verbotstatbestandes eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zuerkannt werden müsse. Die behördliche Beurteilung richte sich auf außerrechtliche Fragestellungen, für die allgemein anerkannte fachwissenschaftliche Maßstäbe und standardisierte Erfassungsmethoden fehlten. Wenn und solange die ökologische Wissenschaft sich insoweit nicht als eindeutiger Erkenntnisgeber erweise, fehle es den Gerichten an der auf besserer Erkenntnis beruhenden Befugnis, eine naturschutzfachliche Einschätzung der sachverständig beratenen Zulassungsbehörde als "falsch" und "nicht rechtens" zu beanstanden (BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 - 7 C 40.11 -, juris, Rn. 14). Seien verschiedene Methoden wissenschaftlich vertretbar, bleibe die Wahl der Methode der Behörde überlassen (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 -, juris, Rn. 15).
Die Beschwerdeführerinnen machen mit ihren Verfassungsbeschwerden vor allem geltend, in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt zu sein (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG), weil die Gerichte den Behörden eine nicht zu rechtfertigende Einschätzungsprärogative eingeräumt hätten.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben der 4. Senat und der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein Stellung genommen.
Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig. Sie entsprechen nicht dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (unten I) und sind nicht hinreichend begründet worden (unten II).
Die Verfassungsbeschwerden entsprechen nicht dem Grundsatz der Subsidiarität. Danach genügt es nicht, dass die Beschwerdeführerinnen den Rechtsweg lediglich formell erschöpft haben. Sie hätten vielmehr alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen müssen, um die geltend gemachte Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in dem sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 134, 106 <115 Rn. 27> m.w.N.).
Die Gerichte haben die mit den Verfassungsbeschwerden beanstandete Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle damit begründet, dass es zu den hier durch § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG aufgeworfenen außerrechtlichen Fragestellungen zum Tötungsrisiko für Rotmilane nach derzeitigem Erkenntnisstand der ökologischen Wissenschaft und Praxis keine eindeutigen Antworten gebe. Die Beschwerdeführerinnen machen demgegenüber in ihren Verfassungsbeschwerden geltend, dass die nötigen naturschutzfachlichen Erkenntnisse bereits existierten. Dies hätten sie wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde im fachgerichtlichen Verfahren rechtzeitig substantiiert vortragen müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass sie damit die in ihren Augen verfassungswidrige Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle hätten abwenden können, weil die Gerichte daraufhin, ihrem eigenen Ansatz folgend, möglicherweise die Voraussetzungen einer solchen Kontrollbegrenzung verneint hätten (unten 1). Der Kontrollansatz der Verwaltungsgerichte zu § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist insoweit nicht etwa von vornherein mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar (unten 2).
1. Die Beschwerdeführerinnen hätten mit dem Einwand, ein hinreichender ökologischer Erkenntnisstand zu den durch § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG aufgeworfenen außerrechtlichen Fragestellungen existiere bereits, im fachgerichtlichen Verfahren möglicherweise die mit den Verfassungsbeschwerden beanstandete Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle verhindern können, weil die Gerichte die Begrenzung ihrer Kontrolle der Genehmigungsentscheidung gerade damit begründet haben, dass es nach derzeitigem Erkenntnisstand an eindeutigen Antworten fehle.
a) Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 2523/13 macht im Verfassungsbeschwerdeverfahren geltend, dass es sich bei der Ermittlung des Vorkommens einer besonders geschützten Art und des Grads ihrer Gefährdung um gesicherte Tatsachenfeststellungen handele. Das typische Verhalten von in Deutschland regelmäßig vorkommenden Tierarten, wie hier dem Rotmilan, sei hinreichend erforscht. Die Befunde müssten lediglich herangezogen und genutzt werden. Es lasse sich berechnen, wie hoch die statistische Wahrscheinlichkeit der Kollision eines Rotmilans mit der betreffenden Windenergieanlage sei. Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 595/14 trägt im Verfassungsbeschwerdeverfahren vor, die Problematik der Risikoermittlung sei alltäglich und das Lebensrisiko für Rotmilane könne durch Stichproben innerhalb akzeptabler Fehlergrenzen konkret ermittelt werden.
Der Sache nach machen die Beschwerdeführerinnen mit ihren Verfassungsbeschwerden also geltend, dass sich eine bestimmte Methode oder ein bestimmter Maßstab zur Risikobewertung durchgesetzt habe und einzig vertretbar sei. Träfen diese Einschätzungen der Beschwerdeführerinnen zu, hätte die gerichtliche Kontrolle nach den Prämissen der Verwaltungsgerichte in beiden Ausgangsverfahren nicht beschränkt werden dürfen.
b) Die Frage nach der Existenz anerkannter fachwissenschaftlicher Maßstäbe und Methoden ist eine von der jeweiligen Fachwissenschaft zu beantwortende Tatsachenfrage, die dem Sachverständigenbeweis zugänglich ist (vgl. BVerfGE 88, 40 <58 f.>; BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 - 6 C 38.92 -, juris, Rn. 18). Die Beschwerdeführerinnen legen im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht dar, dass sie diese Frage spätestens in der letzten Tatsacheninstanz des fachgerichtlichen Verfahrens aufgeworfen haben. Auch den beigezogenen Akten lässt sich nicht entnehmen, dass die Beschwerdeführerinnen im fachgerichtlichen Verfahren die Existenz anerkannter Maßstäbe behauptet und auf weitere Sachaufklärung hingewirkt hätten. Ebenso wenig ersichtlich ist im Übrigen, dass die Beschwerdeführerinnen im fachgerichtlichen Verfahren auch nur die Vertretbarkeit der von den Behörden herangezogenen Maßstäbe substantiiert in Frage gestellt hätten.
c) Es war den Beschwerdeführerinnen nicht unzumutbar, bereits im Berufungsverfahren entsprechend vorzutragen und auf weitere Sachaufklärung hinzuwirken. Sie haben weder im Revisionsverfahren oder in ihren Verfassungsbeschwerden geltend gemacht noch ist anderweitig erkennbar, dass sie hieran gehindert gewesen wären. Sie rügen mit ihren Verfassungsbeschwerden auch keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Sie machen insbesondere nicht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die Kontrolle der behördlichen Entscheidungen überraschend beschränkt.
2. Der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde steht nicht etwa entgegen, dass der Ansatz der Verwaltungsgerichte, die gerichtliche Kontrolle der behördlichen Anwendung von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG insoweit zu begrenzen, als es an durch ökologische Wissenschaft und Praxis allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden fehlt, von vornherein verfassungswidrig wäre. Wäre dies der Fall, könnte von den Beschwerdeführerinnen hier nicht ohne Weiteres verlangt werden, sich auf diesen von ihnen mit den Verfassungsbeschwerden gerade angegriffenen Kontrollansatz einzulassen. Der Kontrollansatz der Verwaltungsgerichte ist jedoch im Wesentlichen mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar.
Grundsätzlich kann es zu einer mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbaren Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle führen, wenn die Anwendung eines Gesetzes tatsächliche naturschutzfachliche Feststellungen verlangt, zu denen weder eine untergesetzliche Normierung erfolgt ist noch in Fachkreisen und Wissenschaft allgemein anerkannte Maßstäbe und Methoden existieren (unten a). Dies kann bei der hier in Rede stehenden Anwendung von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zum Tragen kommen (unten b). Die Beschwerdeführerinnen hätten daher ihre Einwände gegen die Annahme, es fehle an gesicherter naturschutzfachlicher Erkenntnis, spätestens im Berufungsverfahren als letzter Tatsacheninstanz geltend machen müssen.
a) Soweit es zur Beantwortung einer sich nach außerrechtlichen naturschutzfachlichen Kriterien richtenden Rechtsfrage an normativen Konkretisierungen fehlt und in Fachkreisen und Wissenschaft bislang keine allgemeine Meinung über die fachlichen Zusammenhänge und die im Einzelfall anzuwendenden Ermittlungsmethoden besteht, stößt die verwaltungsgerichtliche Kontrolle an Grenzen. Dem Verwaltungsgericht ist es dann objektiv unmöglich, den Sachverhalt vollständig aufzuklären und eine abschließende Überzeugung davon zu gewinnen, ob das Ergebnis der Entscheidung der Behörde richtig oder falsch ist. Die Grenzen der gerichtlichen Kontrolle ergeben sich hier nicht daraus, dass der Verwaltung eine Einschätzungsprärogative eingeräumt wäre, sondern rühren schlicht daher, dass sich die naturschutzfachliche Richtigkeit des Ergebnisses der Verwaltungsentscheidung objektiv nicht abschließend beurteilen lässt (unten aa). Indessen unterscheidet sich das gerichtliche Kontrollmaß hier nicht grundlegend von der üblichen gerichtlichen Prüfung. Die Kontrolle ist weitestmöglich durchzuführen und das Gericht muss sich auch im Übrigen von der Plausibilität der behördlichen Entscheidung überzeugen (unten bb).
aa) Wenn die gerichtliche Kontrolle nach weitestmöglicher Aufklärung an die Grenze des Erkenntnisstandes der ökologischen Wissenschaft und Praxis stößt (unten bb), zwingt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG das Gericht nicht zu weiteren Ermittlungen, sondern erlaubt dem Gericht, seiner Entscheidung insoweit die Einschätzung der Behörde zu der fachlichen Frage zugrunde zu legen, wenn diese auch aus gerichtlicher Sicht plausibel ist.
(1) Im Ausgangspunkt folgt aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen (vgl. BVerfGE 129, 1 <20> m.w.N.). Auch wenn die zugrundeliegende gesetzliche Regelung außerrechtliche fachliche Beurteilungen erfordert, überprüft das Verwaltungsgericht die behördliche Entscheidung grundsätzlich vollständig auf ihre Rechtmäßigkeit. Wenn unterhalb der gesetzlichen Vorgabe keine normativen Konkretisierungen für die fachliche Beurteilung solcher gesetzlicher Tatbestandsmerkmale bestehen, müssen sich Behörde und Gericht zur fachlichen Aufklärung dieser Merkmale unmittelbar der Erkenntnisse der Fachwissenschaft und -praxis bedienen.
Fehlt es in den einschlägigen Fachkreisen und der einschlägigen Wissenschaft an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden für die fachliche Beurteilung, kann die gerichtliche Kontrolle des behördlichen Entscheidungsergebnisses mangels besserer Erkenntnis der Gerichte an objektive Grenzen stoßen. Sofern eine außerrechtliche Frage durch Fachkreise und Wissenschaft bislang nicht eindeutig beantwortet ist, lässt sich objektiv nicht abschließend feststellen, ob die behördliche Antwort auf diese Fachfrage richtig oder falsch ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, juris, Rn. 65). Dem Gericht ist durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht auferlegt, das außerrechtliche tatsächliche Erkenntnisdefizit aufzulösen. Gerichte sind nicht in der Lage, fachwissenschaftliche Erkenntnislücken selbständig zu schließen, und auch nicht verpflichtet, über Ermittlungen im Rahmen des Stands der Wissenschaft hinaus Forschungsaufträge zu erteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 -, juris, Rn. 24; Urteil vom 22. September 2016 - 4 C 6.15 -, juris, Rn. 28; siehe auch schon BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, juris, Rn. 66).
Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht trotz des unzureichenden Erkenntnisstandes zu der naturschutzfachlichen Frage tatsächlich auf ähnliche Weise eine selbständige Einschätzung vornehmen könnte wie die Behörde. Diese muss - wenn das Gesetz dies von ihr verlangt - unter denselben Bedingungen eine Entscheidung notgedrungen treffen. Nach Sinn und Zweck der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie ist jedoch über die im Rahmen bestehender Erkenntnis mögliche Überprüfung der Vertretbarkeit der behördlichen Annahmen hinaus keine weitere, von der behördlichen Entscheidung unabhängige, eigenständige Einschätzung durch das Gericht geboten. Vielmehr kann das Gericht seiner Entscheidung insoweit die - auch aus seiner Sicht plausible - Einschätzung der Behörde zugrunde legen.
Nähme das Gericht hingegen über die im Rahmen bestehender Erkenntnis mögliche Überprüfung hinaus eine selbständige Einschätzung vor, bliebe angesichts der unzureichenden Erkenntnislage zwangsläufig immer noch ungeklärt und auch objektiv unaufklärbar, ob die behördliche Einschätzung oder die gerichtliche Einschätzung richtig ist. Unabhängig davon, ob das Gericht zur gleichen Einschätzung gelangte wie die Behörde oder nicht, wären beide Einschätzungen stets mit Unsicherheit behaftet, die hier gerade aus dem objektiven Fehlen gesicherter Erkenntnismaßstäbe resultiert. In außerrechtlichen tatsächlichen Fragen besteht aber zugunsten der Gerichtsbarkeit keine Vermutung, dass sie über mehr Expertise verfügte als die Verwaltung. Weil nichts dafür spricht, dass die gerichtliche Einschätzung wissenschaftlich ungeklärter ökologischer Zusammenhänge eher richtig ist als die der Behörde, vermag die gerichtliche Kontrolle insofern auch nicht zum Schutz der Rechte der Betroffenen beizutragen.
(2) Stößt das Verwaltungsgericht bei der Kontrolle naturschutzrechtlicher Entscheidungen an die objektiven Grenzen der Erkenntnisse der ökologischen Wissenschaft und Praxis, folgt das eingeschränkte Kontrollmaß nicht etwa aus einer der Verwaltung eigens eingeräumten Einschätzungsprärogative, sondern schlicht aus dem Umstand, dass es insoweit am Maßstab zur sicheren Unterscheidung von richtig und falsch fehlt. Es handelt sich damit nicht um eine gewillkürte Verschiebung der Entscheidungszuständigkeit vom Gericht auf die Behörde, sondern um eine nach Dauer und Umfang vom jeweiligen ökologischen Erkenntnisstand abhängige faktische Grenze verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dafür bedarf es nicht eigens der gesetzlichen Ermächtigung, wie sie für die Einräumung administrativer Letztentscheidungsrechte bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe erforderlich ist (dazu BVerfGE 129, 1 <21 ff.>).
Wenngleich das eingeschränkte Kontrollmaß demnach mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in Einklang steht, so kann doch das Gesetz, welches solche auf ungeklärte naturschutzfachliche Zusammenhänge verweisende Tatbestandsmerkmale verwendet, mit Blick auf die materiellen Grundrechte und den aus Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Wesentlichkeitsgrundsatz (vgl. BVerfGE 49, 89 <126>; 137, 350 <363 f. Rn. 33>) verfassungsrechtliche Zweifel aufwerfen. In grundrechtsrelevanten Bereichen darf der Gesetzgeber der Rechtsanwendung nicht ohne weitere Maßgaben auf Dauer Entscheidungen in einem fachwissenschaftlichen "Erkenntnisvakuum" übertragen, das weder Verwaltung noch Gerichte selbst auszufüllen vermögen (vgl. Jacob/Lau, NVwZ 2015, S. 241 <248>). Der Gesetzgeber mag, je nach Grundrechtsbetroffenheit, kurzfristig darauf vertrauen können, dass sich fachliche Wissenslücken durch Erkenntnisfortschritte in Fachkreisen und Wissenschaft schließen. Längerfristig dürfte der Gesetzgeber dem jedoch nicht tatenlos zusehen, weil er sich so seiner inhaltlichen Entscheidungsverantwortung entzieht, privatem Fachwissen ungesteuert weitreichenden Einfluss auf staatliche Entscheidungen eröffnet und eine einheitliche Rechtsanwendung nicht gewährleistet ist. Der Gesetzgeber muss dann, sofern die fachlichen Zusammenhänge weiter ungeklärt sind, für eine zumindest untergesetzliche Maßstabsbildung beispielsweise durch Einsetzung fachkundiger Gremien zur Festlegung einheitlicher Maßstäbe und Methoden sorgen oder wenigstens genauere Regeln für die behördliche Entscheidung zwischen mehreren vertretbaren Auffassungen vorgeben. In den vorliegenden Verfahren kommt es hierauf nicht an.
bb) Auch wenn es in den einschlägigen Fachkreisen und der einschlägigen Wissenschaft an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden für die fachliche Beurteilung fehlt, unterscheidet sich das gerichtliche Kontrollmaß nicht grundlegend von der üblichen gerichtlichen Prüfung. Die Behördenentscheidung muss weitestmöglich gerichtlich kontrolliert werden, bevor das Verwaltungsgericht wegen der objektiven Grenzen des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes von weiterer Aufklärung und Überzeugungsbildung absehen und sich im Weiteren auf die Plausibilität der behördlichen Entscheidung stützen kann.
(1) Naturschutzfachliche Erkenntnisdefizite können das Gericht nur bei der Anwendung außerrechtlicher Kriterien an objektive Entscheidungsgrenzen führen. Selbst bei der außerrechtlichen Beurteilung kann nur insoweit die Grenze gerichtlicher Entscheidung erreicht werden, als das objektiv bestehende fachliche Erkenntnisdefizit die vom Gesetz geforderte fachliche Beurteilung wirklich betrifft; soweit hingegen für einzelne Aspekte der fachlichen Beurteilung Erkenntnisdefizite nicht bestehen, hat das Gericht die Richtigkeit der behördlichen Entscheidung vollständig nachzuprüfen.
(2) Von weiterer Kontrolle abzusehen kommt von vornherein nur dann in Betracht, wenn es tatsächlich an entscheidungsrelevanter, eindeutiger wissenschaftlicher Erkenntnis fehlt. So ist eine Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle hinsichtlich des in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG geregelten Tötungsverbots nicht mehr zulässig, soweit sich für die Bestandserfassung von betroffenen Arten oder für die Ermittlung des Risikos bestimmte Maßstäbe und Methoden durchgesetzt haben und andere Vorgehensweisen nicht mehr als vertretbar angesehen werden können. Ob dem so ist, unterliegt vollständiger gerichtlicher Überprüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 - 7 C 40.11 -, juris, Rn. 19; Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 -, juris, Rn. 25).
(3) Existiert keine allgemein anerkannte fachliche Meinung, kann und muss das Gericht kontrollieren, ob die von der Behörde verwendeten fachlichen Maßstäbe und Methoden vertretbar sind und die Behörde insofern im Ergebnis zu einer plausiblen Einschätzung der fachlichen Tatbestandsmerkmale einer Norm gelangt ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 -, juris, Rn. 128; zum Naturschutzrecht grundlegend BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, juris, Rn. 65; stRspr). Sofern im gerichtlichen Verfahren sachhaltige Einwände gegen die von der Behörde verwendete Methode geltend gemacht werden, muss das Gericht prüfen, ob diese Einwände die Methodik, Grundannahmen und Schlussfolgerungen der Behörde substantiell in Frage stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 -, juris, Rn. 23; siehe auch BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, juris, Rn. 71 ff.; Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 -, juris, Rn. 97 ff.; Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 -, juris, Rn. 132 ff.). Hat die Behörde eine nach aktuellem Erkenntnisstand nicht mehr vertretbare Methode entscheidungstragend zugrunde gelegt, ergibt sich die Rechtswidrigkeit, ohne dass die faktischen Grenzen außerrechtlicher Erkenntnis überhaupt entscheidungsrelevant würden.
Gelangt das Gericht hingegen zu der Einschätzung, dass Einwände und gegenläufige Gutachten die Vertretbarkeit der von der Behörde verwendeten Methode zwar nicht widerlegen können, aber doch ihrerseits einer vertretbaren Methode folgen, sieht es sich letztlich zwei vertretbaren Positionen gegenüber. Welche von beiden richtig ist und ob überhaupt eine von beiden richtig ist, ist dann mangels eindeutiger fachlicher Erkenntnis objektiv nicht zu ermitteln. Das gilt auch, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Gegenpositionen unhaltbar sind. Dann steht zwar konkret nur noch die von der Behörde gewählte Methode zur Debatte, sofern sich das Gericht von deren Vertretbarkeit überzeugt hat. Angesichts der objektiv unzureichenden Erkenntnislage lässt sich aber auch in dieser Situation nicht mit Gewissheit sagen, dass diese Methode richtig ist und zu richtigen fachlichen Beurteilungen führt. Das Verwaltungsgericht ist dann zur weitergehenden Prüfung der Richtigkeit der behördlichen Einschätzung nicht in der Lage und muss sich insoweit auf eine Plausibilitätskontrolle beschränken.
(4) Nach allgemeinen Grundsätzen bleibt aber auch dann noch verwaltungsgerichtlicher Kontrolle unterworfen, ob der Behörde bei der Ermittlung und der Anwendung der von ihr aus dem Spektrum des Vertretbaren gewählten fachlichen Methode Verfahrensfehler unterlaufen, ob sie anzuwendendes Recht verkennt, von einem im Übrigen unrichtigen oder nicht hinreichend tiefgehend aufgeklärten Sachverhalt ausgeht, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt (vgl. nur BVerfGE 84, 34 <53 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. Dezember 2009 - 1 BvR 3151/07 -, www.bverfg.de, Rn. 59; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2011 - 1 BvR 1932/08 -, www.bverfg.de, Rn. 40; vgl. zum Naturschutzrecht etwa BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, juris, Rn. 65 ff.).
b) Die beschriebenen Grenzen gerichtlicher Kontrolle könnten bei der hier in Rede stehenden Anwendung von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zum Tragen kommen. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verlangt naturschutzfachliche Einschätzungen, die nicht etwa im Wege untergesetzlicher Normierung generalisierend vorab erfolgt sind und für die nach den - von den Beschwerdeführerinnen nun freilich bestrittenen - Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch keine in Fachkreisen und Wissenschaft allgemein anerkannten Maßstäbe und Methoden existieren.
aa) Naturschutzfachliche Einschätzungen sind insofern erforderlich, als das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nach ständiger Rechtsprechung der Fachgerichte erst eingreift, wenn sich durch das Vorhaben das Kollisionsrisiko für die geschützten Tiere signifikant erhöht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06-, juris, Rn. 219; siehe jetzt auch § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG). Danach ist der Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht bereits wegen der an keinem Ort völlig auszuschließenden Gefahr erfüllt, dass einzelne Exemplare geschützter Arten durch ein Vorhaben getötet werden. Erfüllt ist der Tatbestand erst dann, wenn das Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren unter Berücksichtigung artspezifischer Verhaltensweisen, häufiger Frequentierung des Einwirkungsbereichs der Anlage und der Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen einen Risikobereich übersteigt, der mit einem Vorhaben der zur Genehmigung stehenden Art im Naturraum immer und an jedem Ort verbunden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 -, juris, Rn. 141 m.w.N.; Beschluss vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 -, juris, Rn. 11). Ob ein solches spezifisches Risiko vorliegt, kann nicht ohne naturschutzfachliche Einschätzung beurteilt werden, soweit sich dies nach außerrechtlichen, nämlich naturschutzfachlichen Kriterien richtet. Nach außerrechtlichen Kriterien beurteilt sich insbesondere, wie der Bestand der geschützten Tiere zu bestimmen und die Wahrscheinlichkeit zu ermitteln ist, dass ein geschütztes Tier bei Realisierung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens getötet wird. Falls insoweit, wie die Gerichte hier angenommen haben, in Fachkreisen und Wissenschaft anerkannte Maßstäbe und Methoden der Ermittlung dieses Tötungsrisikos fehlen, kann dies die verwaltungsgerichtliche Kontrolle begrenzen.
Wenn die Beschwerdeführerinnen nun hingegen mit ihren Verfassungsbeschwerden bestreiten, dass es weiterhin an in Fachkreisen und Wissenschaft anerkannten Maßstäben und Methoden der Ermittlung fehlt, machen sie zwar einen potentiell beachtlichen Einwand gegen die Gerichtsentscheidung geltend, weil die Gerichte ihre Kontrolle gegebenenfalls ohne hinreichenden Grund begrenzt haben könnten. Ob in Fachkreisen und Wissenschaft anerkannte Maßstäbe und Methoden existieren oder nicht, kann aber nicht erst im Verfassungsbeschwerdeverfahren geklärt werden. Die Beschwerdeführerinnen hätten dies schon im fachgerichtlichen Verfahren rechtzeitig vorbringen müssen. Weil der verwaltungsgerichtliche Ansatz im Ausgangspunkt mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar ist, kann das von ihnen verlangt werden.
bb) Sofern hingegen, wie das Oberverwaltungsgericht hier annimmt, die Feststellung, ob im konkreten Fall ein Tötungs- oder Verletzungsrisiko signifikant erhöht ist, auch Elemente wertender, nicht der naturschutzfachlichen Einschätzung unterliegender Betrachtung enthält, die sich daher nicht beweisen lassen (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Januar 2012 - 2 L 124/09 -, juris, Rn. 46), wäre dies eine Frage der weiteren, auf bestimmte Risikoerhöhungen bezogenen normativen Konkretisierung des unbestimmten Kriteriums der Signifikanz der Risikoerhöhung. Diese obliegt grundsätzlich den Verwaltungsgerichten (vgl. Kahl/Burs, DVBl 2016, S. 1222 <1224>; grundlegend BVerfGE 129, 1 <21> m.w.N.). Insoweit bedürfen der Verwaltung überlassene Beurteilungsspielräume eines hinreichend deutlichen gesetzlichen Anknüpfungspunkts (vgl. BVerfGE 129, 1 <21 f.> m.w.N.). Die Verfassungsbeschwerden geben keinen Anlass, darüber zu entscheiden.
Die Verfassungsbeschwerden sind auch nicht hinreichend substantiiert begründet (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Die Beschwerdeführerinnen legen nicht dar, in welchen entscheidungserheblichen Fragen die Gerichte im vorliegenden Fall ihre Kontrolle konkret eingeschränkt haben. Mit ihren Verfassungsbeschwerden greifen sie im Wesentlichen abstrakt die Berechtigung an, die gerichtliche Kontrolle bei der Anwendung von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zu beschränken. Dies genügt zur Substantiierung der Verfassungsbeschwerden insbesondere deshalb nicht, weil es sich nach den Prämissen des Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts um eine dynamische Kontrollbeschränkung handelt, die nur so lange zulässig ist, wie es an anerkannten naturschutzfachlichen Maßstäben und Methoden fehlt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 - 7 C 40.11 -, juris, Rn. 19). Ob und hinsichtlich welcher Aspekte der im Rahmen von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zu treffenden Feststellungen die gerichtliche Kontrolle beschränkt ist, kann sich danach im Laufe der Zeit verändern.
Zwar sprechen die Gerichte hier selbst von der behördlichen Einschätzungsprärogative, so dass nahe liegt, dass die gerichtliche Kontrolle tatsächlich eingeschränkt war. Dies enthebt die Beschwerdeführerinnen jedoch nicht der Notwendigkeit, im Verfassungsbeschwerdeverfahren konkret darzulegen, hinsichtlich welcher Fragen die Kontrolldichte in ihren Augen unzulässig eingeschränkt war. Angesichts der zahlreichen tatsächlichen Feststellungen und der insgesamt umfangreichen Befassung der Gerichte mit den hier zu beurteilenden Sachverhalten ist für die verfassungsgerichtliche Überprüfung nicht ohne Weiteres erkennbar, inwiefern die gerichtliche Kontrolle hier tatsächlich eingeschränkt gewesen sein könnte. Es ist aber nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, auf pauschale Rügen unzureichender Kontrolldichte die angegriffenen Entscheidungen auf konkrete Verletzungen der Rechtsschutzgarantie hin zu untersuchen.