Entscheidungsdatum: 03.09.2015
Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. August 2015 (11 Ta 1315/15) verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes und wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer ein Viertel seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen einen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss des Arbeitsgerichts über die Zulässigkeit einer Nebentätigkeit und gegen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts, die Terminsverlegungen zum Gegenstand hatten.
Der Beschwerdeführer ist wissenschaftlicher Tarifangestellter bei einer Behörde. Diese untersagte dem Beschwerdeführer am 2. Juni 2015 die Veröffentlichung eines außerhalb der Dienstzeit verfassten wissenschaftlichen Artikels mit Bezug zur Tätigkeit der Behörde. Der Beschwerdeführer erhielt Veröffentlichungszusagen von einer Tageszeitung, die den Artikel wegen aktuellen Bezugs nur bis Ende September 2015 aufnehmen wollte, und von einem Magazin, das den Artikel in einem zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit vorgesehenen Sonderheft platzieren wollte.
Eine beim Arbeitsgericht beantragte einstweilige Verfügung, die darauf gerichtet war, die Untersagung aufzuheben und die Veröffentlichung zu gestatten, wies das Arbeitsgericht mit dem angegriffenen Beschluss zurück. Es fehle jedenfalls an einem Verfügungsgrund, weil der Artikel keinen aktuellen, sondern einen permanenten Bezug besitze. Es bestehe keine Gefahr, dass das Interesse der Allgemeinheit in einem Jahr erlahmt sei. Der sofortigen Beschwerde half das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 6. Juli 2015 nicht ab und legte die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Dieses setzte einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 28. Juli 2015 an. Auf Antrag des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers wurde der Termin auf den 4. August 2015 verlegt. Auf Anträge des anwaltlichen Bevollmächtigten der Behörde wurde der Termin mit den angegriffenen Beschlüssen zunächst auf den 8. September, dann auf den 22. September und zuletzt auf den 6. Oktober 2015 verlegt. Die Mandantin wünsche, dass die Sache ausschließlich von einem von drei Sozietätsmitgliedern betreut werde, der jedoch urlaubsbedingt abwesend und dann auf einem Kongress und damit zum jeweiligen Termin verhindert sei. Hiergegen wandte sich der Beschwerdeführer mit der sofortigen Beschwerde, die das Landesarbeitsgericht mit dem angegriffenen Schreiben als unstatthaft einstufte. Eine frühere Terminierung scheitere im Übrigen an der urlaubsbedingten Abwesenheit des Vorsitzenden sowie anderen terminierten Rechtssachen.
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, die drei Terminsverlegungsbeschlüsse des Landesarbeitsgerichts sowie gegen dessen Schreiben zur sofortigen Beschwerde. Er rügt eine Verletzung von Art. 5, Art. 12 und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 10 EMRK.
Das Arbeitsgericht habe den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt. Durch die mehrfachen Terminsverlegungen werde es dem Beschwerdeführer unmöglich gemacht, sich gegen das Veröffentlichungsverbot seines Arbeitgebers im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu wehren. Dadurch werde ihm auch die Möglichkeit genommen, seine Meinung und seine wissenschaftliche Arbeit in der von ihm vorgesehenen Weise zu publizieren. Die rechtswidrig erfolgte Terminsverlegung verletze seine Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 10 EMRK ebenso wie jene aus Art. 5 GG. Da auch Nebentätigkeiten von der Berufsausübungsfreiheit geschützt würden, sei auch Art. 12 GG verletzt.
Der Beschwerdeführer will mit der einstweiligen Anordnung erreichen, dass das von der Behörde verfügte Veröffentlichungsverbot aufgehoben und die Veröffentlichung des verfassten Beitrags bis zur Entscheidung in der Hauptsache gestattet werde. Die angegriffenen Entscheidungen von Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht seien aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht mit der Maßgabe zurückzuverweisen, über die sofortige Beschwerde bis zum 15. September 2015 mündlich zu verhandeln.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Akten des Landesarbeitsgerichts beigezogen und der Senatsverwaltung des Landes Berlin sowie der Beklagten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, soweit sie sich gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 3. August 2015 wendet, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Kammer gibt der Verfassungsbeschwerde insoweit statt, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen vom Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde insoweit zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie sich gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 3. August 2015 wendet, zulässig. Insbesondere liegt ein tauglicher Beschwerdegegenstand vor. Zwar ist eine Verfassungsbeschwerde gegen Zwischenentscheidungen grundsätzlich ausgeschlossen, weil Verfassungsverstöße mit der Anfechtung der Endentscheidung gerügt werden können (vgl. BVerfGE 21, 139 <143>). Anders liegt es jedoch, wenn bereits die Zwischenentscheidung zu einem bleibenden rechtlichen Nachteil für die Betroffenen führt, der später nicht oder jedenfalls nicht vollständig behoben werden kann (vgl. BVerfGE 101, 106 <120>; 119, 292 <294>). So liegt es hier. Durch die angegriffenen Terminsverlegungen kann das Landesarbeitsgericht nicht vor den geplanten Veröffentlichungsterminen entscheiden, wodurch die so terminierte Veröffentlichung unmöglich wird. Im Rahmen der Endentscheidung kann dieser Nachteil nicht mehr beseitigt werden.
Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, begründet.
1. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gewährleistet wirkungsvollen Rechtsschutz im materiellen Sinn für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten (vgl. BVerfGE 82, 126 <155>; 93, 99 <107>). Daraus folgt die Verpflichtung der Fachgerichte, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>; 60, 253 <269>; 93, 1 <13>). Was angemessen ist, richtet sich nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>). Es gibt keine allgemeingültigen Zeitvorgaben; solche können auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht entnommen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 1997 - 1 BvR 711/96 -, www.bundesverfassungsgericht.de; NJW 1997, S. 2811 Rn. 35; EGMR, Herbst v. Deutschland, Urteil vom 11. Januar 2007, Nr. 20027/02, § 78). In der Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens müssen jedoch die grundrechtlich geschützten Interessen der Beteiligten Beachtung finden.
2. Durch die letzte Terminsverlegung des Landesarbeitsgerichts auf den 6. Oktober 2015 wird es dem Beschwerdeführer unmöglich gemacht, die Gestattung der Veröffentlichung eines wissenschaftlichen Beitrags zu erlangen, der spätestens am 3. Oktober 2015 erscheinen soll, auch wenn sich sein Antrag als begründet erweisen sollte. Das Landesarbeitsgericht hat das Verfahren mit seinen Verlegungsentscheidungen zeitlich so gestaltet, dass dem Beschwerdeführer eine rechtzeitige Entscheidung über sein Rechtsschutzbegehren endgültig verwehrt ist, womit der fachgerichtliche Rechtsweg ineffektiv wird.
Die Verlegung des Termins auf den 6. Oktober 2015 wird den Umständen des Einzelfalles nicht gerecht. Hier kann die Terminsverlegung, die die für spezifische und nicht völlig beliebige Zeitpunkte geplante Publikation tatsächlich verhindert, nicht damit gerechtfertigt werden, dass ein wissenschaftlicher Artikel grundsätzlich auch nach einem geplanten Termin erscheinen kann. Das verkennt, dass die mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundrechtlich gewährleistete Wissenschaftsfreiheit des Beschwerdeführers auch die Weitergabe dieses Wissens umfasst (vgl. BVerfGE 111, 333 <354> m.w.N.; stRspr); geschützt ist damit im Ausgangspunkt auch die Entscheidung über Ort, Zeit und Modalitäten einer wissenschaftlichen Publikation. Desgleichen wird so verkannt, dass es zur ebenfalls grundrechtlich garantierten Pressefreiheit der hier relevanten Druckmedien gehört, selbst zu entscheiden, wann welche Themen behandelt und welche Beiträge in eine Ausgabe aufgenommen werden (vgl. BVerfGE 97, 125 <144>). Die Freiheit, über den Zeitpunkt einer Publikation zu entscheiden, hat damit grundrechtliches Gewicht. Dies hat das Landesarbeitsgericht bei der Entscheidung über die Verlegung des Termins auf den 6. Oktober 2015 unberücksichtigt gelassen.
Durch die Terminsverlegung droht dem Beschwerdeführer insofern ein endgültiger Rechtsverlust. Der für die Verlegung sprechende Aspekt, dass eine Mandantschaft grundsätzlich erwarten kann, von dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt im Termin vertreten zu werden, kann gerade im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zurücktreten (vgl. Stöber, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014 § 227 Rn. 6). Das gilt jedenfalls hier, wo grundrechtlich geschützte Belange in Rede stehen. Zudem ist der sachbearbeitende Rechtsanwalt in einer Sozietät tätig und nicht ersichtlich, warum er insbesondere in einem Eilverfahren nicht in einem früher anberaumten Termin vertreten werden könnte.
Nicht zur Entscheidung anzunehmen ist die Verfassungsbeschwerde im Übrigen. Sie erweist sich insoweit als unzulässig, da sie nicht hinreichend substantiiert begründet ist (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Satz 3 BVerfGG).
Da die Terminsverlegung auf den 6. Oktober 2015 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt und dieser Zustand durch die Entscheidung über die sofortige Beschwerde nicht revidiert wird, ist die angegriffene Entscheidung nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache wird an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Bei der erneuten Entscheidung über den zuletzt gestellten Terminsverlegungsantrag der Behörde wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass eine Entscheidung zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes jedenfalls noch im September 2015 erfolgen muss.
Durch die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfGE 7, 99 <109>).
Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 3 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.