Bundesverfassungsgericht

Entscheidungsdatum: 13.07.2010


BVerfG 13.07.2010 - 1 BvR 1572/10

Teilweise Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde: Unzureichende Substantiierung, soweit die Entziehung des Sorgerechts sowie eine Umgangsregelung angegriffen wird


Gericht:
Bundesverfassungsgericht
Spruchkörper:
1. Senat 2. Kammer
Entscheidungsdatum:
13.07.2010
Aktenzeichen:
1 BvR 1572/10
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Frankfurt, 6. Mai 2010, Az: 3 UF 350/08, Beschlussvorgehend AG Groß-Gerau, 4. November 2008, Az: 73 F 334/08 HK, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Groß-Gerau vom 4. November 2008 - 73 F 334/08 HK, 73 F 335/08 SO, 73 F 465/08 UG - und gegen die Zurückweisung der hiergegen gerichteten Beschwerde sowie die Umgangsregelung im Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. Mai 2010 - 3 UF 350/08 - richtet.

Damit erledigt sich zugleich der - hierauf beschränkte - Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde im Übrigen gegen die Auflage im Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. Mai 2010 - 3 UF 350/08 - wendet, die begonnene Psychotherapie fortzusetzen, ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, soweit sie sich gegen den teilweisen Sorgerechtsentzug sowie die Umgangsregelung betreffend den Sohn der Beschwerdeführerin richtet. Denn insoweit ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Damit erledigt sich der diesbezüglich gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 40 Abs. 3 GOBVerfGG).

2

Die Verfassungsbeschwerde genügt in dem vorgenannten Umfang nicht den Begründungsanforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.

3

Die Verfassungsbeschwerde ist innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG nicht nur einzulegen, sondern nach Maßgabe von § 23 Abs. 1 Satz 2 und § 92 BVerfGG auch substantiiert zu begründen (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>; 99, 84 <87>). Zu einer ordnungsgemäßen Begründung in diesem Sinne gehört, dass der Beschwerdeführer sich mit Grundlagen und Inhalt gerichtlicher Entschei-dungen auseinandersetzt. Der angegriffene Hoheitsakt sowie die zu seinem Ver-ständnis notwendigen Unterlagen müssen - innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG - in Ablichtung vorgelegt oder zumindest ihrem Inhalt nach so dargestellt werden, dass eine verantwortbare verfassungsrechtliche Beurteilung möglich ist (vgl. BVerfGE 78, 320 <327>, 88, 40 <45>; 93, 266 <288>). Diesen Erfordernissen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.

4

Die Fachgerichte haben ihre Entscheidung der teilweisen Entziehung des Sorgerechts für den Sohn der Beschwerdeführerin unter anderem darauf gestützt, dass er in der Obhut der Beschwerdeführerin von deren Lebensgefährten misshandelt worden und die Beschwerdeführerin weder in der Lage sei, den psychischen Beeinträchtigungen des Jungen wirkungsvoll zu begegnen noch das Risiko künftiger Misshandlung auszuschließen. Zur Begründung der Misshandlungs-gefahr bezog sich das Amtsgericht auf das erste gerichtsmedizinische Gutachten von Dr. N., das Gutachten des Dr. M. und die Aussagen der von ihm vernommenen Zeuginnen W. Das Oberlandesgericht stützt seine Schlussfolgerungen darüber hinaus auf die in dem Strafverfahren eingeholten weiteren gerichtsmedizinischen Gutachten von Prof. B. und Prof. D., die Berichte des Jugendamts, die Stellungnahmen der Verfahrenspflegerin sowie das Gutachten und die Anhörung der gerichtlichen Sachverständigen Dr. K.-K. Bis auf das letztgenannte Gutachten von Dr. K.-K. legt die Beschwerdeführerin jedoch keine der vorgenannten Unterlagen - insbesondere auch nicht die weiteren Sachverständigengutachten und das Zeugenvernehmungsprotokoll - vor, auf die die Fachgerichte ihre Überzeugung maßgeblich gestützt haben. Für das Bundesverfassungsgericht ist daher nicht nachprüfbar, ob die Annahme der Fachgerichte einer massiven Misshandlung des Sohnes der Beschwerdeführerin in ihrer Obhut und einer deshalb fortbestehenden Kindeswohlgefährdung materiell und verfahrensrechtlich den Maßstäben von Art. 6 Abs. 2 und 3 GG genügt.

5

Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus die von dem Oberlandesgericht abgeänderte Umgangsregelung angreift, fehlt es an einer näheren inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Beschlussgründen. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde erschöpft sich darin, andere Gesichtspunkte zu benennen, die die Argumentation des Gerichts aber nicht in Frage stellen und die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht aufzuzeigen vermögen. Auch geht die Verfassungsbeschwerde nicht darauf ein, dass die Beschwerdeführerin sich ausweislich des angegriffenen Beschlusses vom 6. Mai 2010 bereits Mitte 2009 mit dem Jugendamt auf eine von der amtsgerichtlichen Entscheidung abweichende, ähnliche Umgangsregelung wie von dem Oberlandesgericht beschlossen, nämlich alle drei Wochen zwei Stunden, verständigt hatte.

6

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abge-sehen.

7

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.