Entscheidungsdatum: 08.12.2010
1. Das Urteil des Berufsgerichts für Zahnärzte in Stuttgart vom 24. September 2008 - BG 4/08 - und das Urteil des Landesberufsgerichts für Zahnärzte in Stuttgart vom 7. März 2009 - LNs 3/08 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Das Urteil des Landesberufsgerichts für Zahnärzte in Stuttgart vom 7. März 2009 - LNs 3/08 - wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landesberufsgericht für Zahnärzte in Stuttgart zurückverwiesen.
2. ...
I.
Der Beschwerdeführer, ein Zahnarzt, wendet sich gegen die berufsgerichtliche Verurteilung zu einer Geldbuße wegen der Abgabe einer Kostenschätzung auf einem Internetportal, welches dem Preisvergleich ärztlicher Leistungen dient.
1. a) Im Internet finden sich seit geraumer Zeit verschiedene Portale, auf denen Patienten (im Folgenden: Nutzer) die Möglichkeit gegeben wird, für eine beabsichtigte zahnärztliche Behandlung Angebote verschiedener Zahnärzte einzuholen, um auf diese Weise Kosten zu sparen.
Bei dem vom Beschwerdeführer benutzten Portal kann ein Nutzer, der die Preise für zahnpflegerische Leistungen vergleichen möchte, nach vorheriger Registrierung ein Leistungsgesuch für die von ihm gewünschte Behandlung (z.B. eine professionelle Zahnreinigung) einstellen. Zahnärzte können dann innerhalb der Laufzeit ihre unterhalb des Startpreises liegende Kostenschätzung für die Durchführung der Leistung abgeben. Nach Laufzeitende werden dem Nutzer die fünf preiswertesten Kostenschätzungen bekannt gegeben. Entscheidet er sich für einen bestimmten Zahnarzt, erhalten beide Seiten wechselseitig die Kontaktdaten. Der Nutzer kann den Zahnarzt dann aufsuchen und sich untersuchen lassen, muss dies aber nicht. Kommt es zur Untersuchung, so erstellt der Zahnarzt ein verbindliches Angebot. Auf der Grundlage des Angebots trifft der Nutzer die Entscheidung, ob er die Behandlung bei diesem Zahnarzt durchführen lassen möchte. Nach erfolgter Behandlung bewerten sich Patient und Zahnarzt gegenseitig. Ist der Behandlungsvertrag zustande gekommen, so zahlt der Zahnarzt an den Portalbetreiber eine Gebühr.
b) Der 1960 geborene Beschwerdeführer ist seit 1991 approbierter Zahnarzt und betreibt mit seiner Frau eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis. Im Sommer 2007 gab der Beschwerdeführer auf dem Internetportal auf ein von einem HIV-infizierten Nutzer eingestellten Leistungsgesuch für zwei professionelle Zahnreinigungen zu einem Startpreis von 200 € ein Gebot von 100 € ab. Der Nutzer wählte den Beschwerdeführer aus und ließ die erste Zahnreinigung für 50 € im Juni 2007 durchführen. Im Dezember 2007 suchte der Patient den Beschwerdeführer zur zweiten Zahnreinigung auf, wurde allerdings nach den Feststellungen in den angegriffenen Entscheidungen vom Beschwerdeführer abgewiesen, weil die Durchführung einer Zahnreinigung bei einem HIV-Infizierten im Hinblick auf das Ansteckungsrisiko für die Angestellten zu gefährlich sei.
c) Aufgrund der Beschwerde des abgewiesenen Patienten wurde zunächst nur wegen dieses Vorfalls ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet. Nachdem die Nutzung des Internetportals durch den Beschwerdeführer bekannt geworden war, wurde das Verfahren hierauf erstreckt.
d) Das Berufsgericht für Zahnärzte verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 24. September 2008 zu einer Geldbuße von 2.000 €. Im Hinblick auf die Verweigerung der Durchführung der Zahnpflege ging das Berufsgericht von einem Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Satz 2 Buchstaben a und c der Berufsordnung für Zahnärzte der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg (im Folgenden: BO) aus. In der Abgabe des Gebots auf der Internetplattform sah das Berufsgericht einen Verstoß gegen die sich aus der Berufsordnung ergebenden Pflichten, den Beruf persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig in Diagnose- und Therapiefreiheit auszuüben, gegenüber allen Berufsangehörigen jederzeit ein kollegiales Verhalten zu zeigen und es zu unterlassen, einen Kollegen aus einer Behandlungstätigkeit oder als Mitbewerber um eine berufliche Tätigkeit durch unlautere Handlungen zu verdrängen (§ 2 Abs. 1 Satz 3, § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BO). Der Beschwerdeführer habe ohne Kenntnis der Person, die zu behandeln sei, ein niedriges Gebot abgegeben, um andere Kollegen zu verdrängen und den Nutzer in seine Praxis zu locken. Er habe die Schwierigkeit und den Zeitaufwand nicht abschätzen können.
e) Das Landesberufsgericht für Zahnärzte verwarf die - auf die Verurteilung wegen der Abgabe des Internetgebots beschränkte - Berufung des Beschwerdeführers durch Urteil vom 7. März 2009 als unbegründet. Der Beschwerdeführer habe durch die Abgabe der Kostenschätzung auf dem Internetportal gegen seine Berufspflichten verstoßen. Das besondere, personale Verhältnis zwischen Patient und Behandler mache die Besonderheit der Berufsausübung eines Zahnarztes aus. Diese Eigenheit stelle auch den Kern der Gemeinwohlbelange dar, die die in der Berufsordnung enthaltenen Einschränkungen der Berufsausübung rechtfertigten. Die Nutzung des Portals zur Anbahnung einer zahnärztlichen Behandlung verletze die Pflicht zur "persönlichen Ausübung" des Berufs (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BO). Diese verlange, dass der Zahnarzt seine Leistung in eigener Person, also mit eigener Tätigkeit die Behandlung vorbereite und erbringe. Die Nutzung des Portals schließe bis zur Kontaktaufnahme durch den Nutzer jede persönliche Beziehung zwischen den Beteiligten aus. Dass später ein Zahnarzt-Patienten-Verhältnis noch entstehen könne, ändere nichts. Ferner entspreche die Handlungsweise nicht der verlangten "Gewissenhaftigkeit" (§ 2 Abs. 2 Buchstabe a BO). Damit sei eine besondere, auf eigener Anstrengung beruhende Sorgfalt bei der Berufsausübung gemeint. Unentbehrlich für die Vorbereitung einer Behandlung sei eine eigene Befunderhebung als Grundlage der Behandlungsbedürftigkeit und der Behandlungsmöglichkeiten. Schließlich habe der Beschwerdeführer sein Verhalten nicht an dem ihm im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen (§ 2 Abs. 2 Buchstabe c BO) ausgerichtet. Er habe unter den anonymen und typisierten Bedingungen des Portals eine Abschätzung abgegeben, die nur nach einer persönlich durchgeführten Untersuchung des zu behandelnden Menschen in verantwortlicher Weise möglich sei. Bei der Eingabe der Kostenschätzung habe das unentbehrliche Vertrauensverhältnis nicht entstehen können. Ob die Abgabe der Kostenschätzung, wie das Berufsgericht meine, ein Verstoß gegen das Gebot der Kollegialität oder ein Verdrängen aus einer Behandlung sei, könne dahinstehen.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG durch die berufsgerichtlichen Entscheidungen, soweit die Verurteilung wegen der Abgabe der Kostenschätzung auf der Internetplattform erfolgt sei.
Die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf einer verfassungswidrigen Auslegung der Berufsordnung. Die Berufsordnung, die als solche nicht angegriffen werde, sehe ein Verbot der Teilnahme eines Zahnarztes an einem Internetportal durch Abgabe eines unverbindlichen Gebots nicht vor. Bei dem Portal handele es sich um ein Marketinginstrument, das dazu diene, Patient und Zahnarzt zusammen zu bringen, indem dem Nutzer die Möglichkeit gegeben werde, voraussichtliche Preise, die er selbst zu tragen habe, miteinander zu vergleichen. Durch die Einstellung eines vom Nutzer angefragten unverbindlichen Gebots komme noch kein Behandlungsvertrag zustande. Es könne keinen Unterschied machen, ob der Patient telefonisch nach den Behandlungskosten frage oder hierfür das Internet nutze. Die Angabe der erwarteten Behandlungskosten aufgrund der Angaben eines Patienten müsse dem Zahnarzt möglich sein, zumal für derartige Informationen bei den Patienten eine wirtschaftliche Notwendigkeit bestehe. Die Übermittlung der Preisinformation sei weder ungewissenhaft noch unmenschlich. Dürfe der Zahnarzt die Information nicht geben, sei er in seiner Berufsausübung erheblich eingeschränkt. Zahnärzte seien, wie andere Freiberufler auch, darauf angewiesen, neue Patienten zu finden. Letztlich sei die Frage, inwieweit der Wettbewerb, in dem Zahnärzte untereinander stünden, ermöglicht oder eingeschränkt werde. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die Internetplattformen von zahlreichen gesetzlichen Krankenkassen unterstützt würden und dass tausende Zahnärzte hieran teilnähmen.
Die Angabe eines voraussichtlichen, aber unverbindlichen Preises gefährde weder Belange des potentiellen Patienten noch die des Gemeinwohls. Zur Berufsausübungsfreiheit des Zahnarztes gehöre es, innerhalb der Vorgaben der Vergütungsvorschriften einen Preis für seine Leistungen festzusetzen und diesen dem Patienten mitzuteilen. Dem Patienten sei die Information nützlich und dem Gemeinwohl schade sie nicht, da sie nur auf Anfrage erfolge. Es finde keine Werbung mit den Preisen statt und auch ein Verstoß gegen die Kollegialität liege nicht vor, denn ein Patient müsse die Behandlung nicht bei seinem bisherigen Zahnarzt durchführen.
Soweit das Landesberufsgericht davon ausgehe, die Teilnahme an dem Internetportal widerspreche dem Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient, werde nicht erläutert, inwieweit er das Vertrauensverhältnis gestört oder dessen Begründung verhindert habe. Die Behandlung des Patienten beginne erst, nachdem sich Zahnarzt und Patient beim Untersuchungstermin kennengelernt hätten; erst dann könne auch das Vertrauensverhältnis entstehen. Hierin unterscheide sich die Anbahnung über das Internet nicht von einer Anbahnung über Telefon, Telefonbuch oder Empfehlung eines Dritten. Auch habe er, entgegen der Ansicht des Landesberufsgerichts, seine Leistung persönlich erbracht, denn er habe sich bei der Durchführung der Behandlung keines Dritten bedient und auch das Gebot persönlich abgegeben. Soweit schließlich das Landesberufsgericht der Auffassung sei, seine Handlungsweise entspreche nicht der geforderten Gewissenhaftigkeit, sei dies ebenfalls nicht nachvollziehbar.
3. Dem Justizministerium Baden-Württemberg, der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, der Bundeszahnärztekammer, dem Freien Verband Deutscher Zahnärzte e.V. und dem GKV Spitzenverband der Krankenkassen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 76, 171 <184 f.>; 85, 248 <256>; 94, 372 <389>; 111, 366 <373>). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.
1. Die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit.
a) Die berufsgerichtlichen Urteile berühren den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. Die auferlegte Geldbuße greift unmittelbar in die Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers ein, denn durch sie wird ein der zahnärztlichen Berufsausübung zuzurechnendes Verhalten sanktioniert. Der Beschwerdeführer hat die Kostenschätzung in dem Bestreben abgegeben, entsprechend den Bedingungen der Plattform den Nutzer zur Kontaktaufnahme und letztlich zur Inanspruchnahme seiner Dienste in Gestalt der begehrten Behandlung zu veranlassen. Damit handelt es sich um eine Tätigkeit, die mit der beruflichen Betätigung des Beschwerdeführers als Zahnarzt zusammenhängt und dieser dient. Das genügt, um sie in den Schutzbereich des Grundrechts einzubeziehen (vgl. BVerfGE 85, 248 <256>; 111, 366 <373>).
b) Der Eingriff ist nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bedarf nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügt (vgl. BVerfGE 94, 372 <389 f.>; 111, 366 <373>; stRspr). Darüber hinaus sind Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen (vgl. BVerfGE 7, 377 <405 f.>; 85, 248 <259>), also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.
aa) Diesen Anforderungen werden die berufsgerichtlichen Entscheidungen nicht gerecht. Es ist nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG zu vereinbaren, dass die Gerichte das Fehlen einer persönlichen Untersuchung des Patienten vor der Abgabe der Kostenschätzung als Verletzung einer Berufspflicht beurteilen. Denn es sind keine Gründe des Gemeinwohls zu erkennen, nach denen eine solche Untersuchung im konkreten Fall geboten gewesen wäre.
(1) Das Landesberufsgericht stellt lediglich pauschal darauf ab, dass das persönliche Verhältnis zwischen Patient und Behandler die Besonderheit der Berufsausübung eines Zahnarztes ausmache. Ein konkreter, sachverhaltsbezogener Grund, warum bereits in diesem Stadium der Anbahnung der Arzt-Patienten-Beziehung ein persönlicher Kontakt vorhanden sein muss, wird nicht genannt und ist auch nicht ersichtlich.
(2) Schon die allgemeine Prämisse der Gerichte, ein sachgerechtes, dem Gebot der Gewissenhaftigkeit entsprechendes Angebot erfordere generell eine vorherige persönliche Untersuchung, vermag nicht zu überzeugen. Unbeachtet bleibt hierbei bereits, dass auch bei einem per Internet abgegebenen Gebot dem bietenden Zahnarzt zahlreiche Informationen zur Verfügung stehen, die es ihm erlauben, den Schwierigkeitsgrad der Behandlung zutreffend einzuschätzen. So muss der Nutzer, bevor er den Preisvergleich für die Zahnreinigung starten kann, etwa mitteilen, wie viele Zähne ohne Zahnersatz er besitzt, ob bei ihm bereits eine Parodontosebehandlung oder Zahnreinigung durchgeführt wurde und, falls ja, wann dies zuletzt der Fall war. Auch weitere Angaben, zum Beispiel zu Allergien oder sonstigen besonderen Eigenschaften, sind möglich. Warum ein Zahnarzt unter diesen Voraussetzungen nicht in der Lage sein sollte, eine realistische Kostenschätzung abzugeben, leuchtet nicht ein. Dies gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass es sich bei einer Zahnreinigung nicht um einen komplexen, besonders individualisierten Eingriff, sondern um eine Standardleistung handelt, die der Zahnarzt in der Regel nicht einmal in eigener Person erbringt.
(3) Nicht hinreichend berücksichtigt wird auch, dass das Bestehen einer persönlichen Beziehung zwischen Zahnarzt und Patient kein Selbstzweck ist, sondern dazu dient, für den Patienten eine sachgerechte, seine Interessen wahrende Behandlung sicherzustellen. Dagegen handelt es sich nicht um ein Erfordernis, das den Zahnarzt vor Konkurrenz durch Kollegen schützen soll. Zwar ist es richtig, dass die Entwicklung eines Vertrauensverhältnisses ein wesentlicher Faktor für die Aufnahme einer zahnärztlichen Behandlung ist. Die Entwicklung eines solchen Vertrauensverhältnisses wird durch die Nutzung der Internetplattform freilich keineswegs ausgeschlossen; denn wenn sich der Patient für einen der Zahnärzte, die auf der Plattform eine Kostenschätzung abgegeben haben, entscheidet, folgt ohnehin eine persönliche Untersuchung, aufgrund der der Zahnarzt nunmehr ein verbindliches Angebot abgibt. Ab diesem Zeitpunkt unterscheidet sich das Behandlungsverhältnis dann auch grundsätzlich nicht mehr von jenen, die auf "traditionelle" Weise zustande gekommenen sind. Die Internetplattform erleichtert damit letztlich für den Nutzer nur den Preisvergleich und die Kontaktanbahnung. Beides sind aber Aspekte, die dem Patientenschutz nicht entgegenstehen und die daher nicht geeignet sind, eine Beschränkung der Berufsfreiheit zu rechtfertigen.
(4) Dass die Nutzung des Internets als solche im vorliegenden Fall geeignet sein könnte, Gemeinwohlbelange zu beeinträchtigen, ist nicht zu erkennen und wird in den angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen auch nicht dargetan. Ganz im Gegenteil erlaubt allein die Wahl des Mediums Internet es schon im Grundsatz nicht, die Grenzen erlaubter Außendarstellung von freiberuflich Tätigen enger zu ziehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1886/06 -, NJW 2008, S. 1298 <1299>). Auch mit dieser Vorgabe ist die strikte Forderung nach einer persönlichen Untersuchung als Voraussetzung für die Abgabe einer Kostenschätzung, durch die die Nutzung des Mediums für den Bereich des Kostenvergleichs praktisch ausscheiden würde, nicht zu vereinbaren.
(5) Es wird nicht verkannt, dass ein Zahnarzt nach dem Grundprinzip einer Internetplattform, die als "virtueller Marktplatz" funktioniert, zunächst eine vergleichsweise niedrige Kostenschätzung abgeben muss, um überhaupt die Chance zu haben, von einem Nutzer ausgewählt zu werden. Hieraus alleine folgt jedoch noch keine Beeinträchtigung von Gemeinwohlbelangen, die ein Verbot rechtfertigen könnten. Insbesondere sind auch keine Gemeinwohlbelange ersichtlich, die verlangen, ein gegenseitiges preisliches Unterbieten von Zahnärzten schon als solches zu verhindern. Ob es mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist, darüber hinausgehende Verhaltensweisen - zum Beispiel so genannte Lockvogelangebote, also die Methode, einen Patienten mit einem besonders günstigen (nicht kostendeckenden) Angebot mit dem Ziel in die Praxis zu locken, ihm gegenüber weitere lukrativere Leistungen zu erbringen und abzurechnen - als berufsrechtswidrig einzustufen, kann dahingestellt bleiben; denn Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer ein solches Verhalten zur Last zu legen ist, bestehen nicht. Die generelle Gefahr, dass es zu solchen Angeboten kommen könnte, erlaubt schon unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kein allgemeines Verbot, eine Kostenschätzung über das Internet abzugeben.
bb) Entgegen der Stellungnahme der Landeszahnärztekammer ist es auch nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, eine im Internet abgegebene Kostenschätzung generell als berufsrechtswidrige Werbung im Sinne von § 21 Abs. 1 BO zu qualifizierten.
(1) Es begegnet allerdings keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Kostenschätzung als Werbemaßnahme zu behandeln. Ein solches Verhalten erfüllt die Anforderungen für das Vorliegen von Werbung, denn es ist planvoll darauf angelegt, andere dafür zu gewinnen, die eigenen Leistungen in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerfGE 111, 366 <378>).
(2) Mit Blick auf den Schutz der Berufsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG ist es jedoch nicht haltbar, die Abgabe einer Kostenschätzung im Internet, unabhängig von ihrem konkreten Inhalt, als berufsrechtswidrig einzustufen; denn es fehlt gerade an Gemeinwohlgründen, auf die sich eine solche Grundrechtseinschränkung stützen ließe. Weder ist ersichtlich, dass eine derartige Nutzung des Internets das Vertrauen in die Zahnärzte erschüttern noch dass es zu einer Verunsicherung der Patienten führen könnte, wie die Landeszahnärztekammer in ihrer Stellungnahme befürchtet. Eine Verunsicherung, die auch einen Vertrauensverlust gegenüber den Zahnärzten im Allgemeinen nach sich ziehen mag, setzt zunächst voraus, dass auf Seiten der Patienten fehlerhafte Vorstellungen über die Kostenschätzung und deren Funktion bestehen. Bereits hierfür gibt es aber keine Anhaltspunkte. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass den Nutzern der Internetplattform aufgrund der deutlichen Hinweise auf der Eingangsseite des Portals und in dessen allgemeinen Geschäftsbedingungen bekannt ist, dass die Schätzung unverbindlich ist und eine bindende Kostenaufstellung erst nach einer persönlichen Untersuchung abgegeben werden kann. Die Kostenschätzung hat auch einen klaren Bezugspunkt, nämlich die vom Nutzer nachgesuchte und durch das Portal definierte Leistung. Was hieran Verwirrung stiften oder für den Patienten unverständlich sein könnte, erschließt sich nicht.
Im Übrigen kann gerade nicht unterstellt werden, dass die die Kostenschätzung abgebenden Zahnärzte generell nicht Willens oder in der Lage seien, die Behandlungen auch zu den geschätzten Preisen durchzuführen. Wie schon dargelegt, ist davon auszugehen, dass ihnen mit den von den Nutzern angegebenen Daten hinreichende Informationen, um eine realistische Schätzung der Kosten vornehmen zu können, zur Verfügung stehen. Da eine spätere, nicht auf nachvollziehbaren Gründen beruhende Erhöhung der Kosten nicht nur in der Regel zu einer schlechten Bewertung des betreffenden Zahnarztes führen, sondern auch der Attraktivität des dem Preisvergleich dienenden Internetportals insgesamt schaden würde, dürften zudem weder der Arzt noch die Portalbetreiber ein Interesse an der Einstellung unrealistisch niedriger Schätzungen haben. Schon deswegen ist die Annahme, eine im Internet abgegebene Kostenschätzung sei per se mit der Gefahr der Unsachlichkeit verbunden, weil sie keine "seriösen" Angaben bieten könne, nicht zu halten.
cc) Schließlich kann eine Berufsrechtswidrigkeit auch nicht, wie vom Freien Verband Deutscher Zahnärzte e.V. in seiner Stellungnahme angenommen, mit einem Verstoß gegen § 8 Abs. 5 BO (nunmehr § 2 Abs. 9 BO) begründet werden. Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen bei verfassungskonformer Auslegung der Bestimmung nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht hat schon im Hinblick auf die Versteigerung von rechtsanwaltlichen Beratungsleistungen entschieden, dass die dort vom Rechtsanwalt an das Internetauktionshaus zu zahlende Provision kein Entgelt, das für die Vermittlung von Aufträgen gezahlt wird, darstellt, weil die Provision nicht für die Vermittlung des Auftrags, sondern bloß für die Zurverfügungstellung des Mediums für die Werbung geschuldet wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1886/06 -, NJW 2008, S. 1298 <1299 f.>). Genau so verhält es sich auch hier, denn die Zahlung der Gebühr erfolgt ausschließlich als Gegenleistung für die Nutzung der Internetplattform und die damit zusammenhängenden Dienste, nicht dagegen für die Vermittlung oder Zuweisung eines Patienten.
dd) Aus den vorhergehenden Erwägungen ergibt sich, dass auch § 8 Abs. 1 und 2 BO keine tragfähige Rechtsgrundlage ist, um die Abgabe von Kostenschätzungen im Internet, ohne konkrete Prüfung ihres Inhalts, als unzulässig einzustufen. Anhaltspunkte dafür, die vom Beschwerdeführer abgegebene Kostenschätzung könne aufgrund ihres Inhalts berufswidrig gewesen sein, gibt es, wie bereits dargelegt, nicht.
2. Die Entscheidungen der Berufsgerichte beruhen auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte den Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren mit einer weniger schweren berufsrechtlichen Sanktion belegt hätten, wenn das berufsgerichtliche Verfahren - wie verfassungsrechtlich geboten - auf seine Weigerung, die zweite Zahnreinigung durchzuführen, beschränkt worden wäre.
Es erscheint angezeigt, gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG lediglich den Beschluss des Landesberufsgerichts aufzuheben und die Sache dorthin zurückzuverweisen. Das dient dem Interesse des Beschwerdeführers, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten.
3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.