Entscheidungsdatum: 19.08.2015
1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. April 2015 - II-6 UF 195/14 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf wird aufgehoben, soweit darin der Sorgerechtsentzug gegenüber dem Beschwerdeführer aufrechterhalten wird. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
2. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
3. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgte Entziehung der elterlichen Sorge für seine beiden in den Jahren 2004 und 2006 geborenen Söhne.
1. a) Die Ehe des Beschwerdeführers mit der Mutter der Kinder war von heftigen, teils gewalttätigen Auseinandersetzungen geprägt, die im Beisein der Kinder ausgetragen wurden. Im Jahr 2013 erfolgte eine erste Gefährdungsmeldung des Jugendamts, die zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zur Überprüfung einer Kindeswohlgefährdung führte. Da die Eltern die installierte sozialpädagogische Familienhilfe in der Folge gut annahmen, wurde dieses Verfahren im Juli 2013 für erledigt erklärt. Die Kooperation der Eltern mit dem Helfersystem ließ später jedoch wieder nach.
b) Im April 2014 eskalierten die Streitigkeiten zwischen den Eltern erneut. Der Beschwerdeführer meldete dies dem Jugendamt und wies darauf hin, dass seine Frau an psychischen Krankheiten leide und sie in eine Psychiatrie eingewiesen, jedoch kurze Zeit später wieder entlassen worden sei. Das Jugendamt nahm die Kinder in Obhut und brachte sie bei einer Bereitschaftspflegefamilie unter. Es teilte dem Gericht mit, dass weder die psychische Erkrankung der Mutter noch der Drogenkonsum und die Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers eingeschätzt werden könnten und regte die Einleitung eines neuen Verfahrens und unter anderem die Einholung eines Gutachtens an. In dem nunmehr eingeleiteten zweiten Sorgerechtsverfahren kam das hinsichtlich der Mutter erstellte psychiatrische Gutachten zu dem Ergebnis, dass sie an einer rezidivierenden depressiven Störung leide, die aber aktuell nicht gravierend auffällig sei und daher keine Gefahr für das Kindeswohl darstelle. Kritisch sei allerdings ihre Einstellung hinsichtlich der Behandlung ihrer psychischen Störung und ihres Cannabiskonsums. Hinsichtlich des Beschwerdeführers wurde kein Gutachten erstellt. Im Anhörungstermin erklärten die Eltern, dass sie seit April 2014 getrennt lebten. Die Beteiligten einigten sich unter anderem darauf, dass die Kinder zur Mutter zurückgeführt werden sollten, diese auf die Einnahme von Drogen verzichteten, die aufgenommene psychotherapeutische Behandlung fortsetzen und die ambulanten Hilfen annehmen sollten. Für die Zeit nach der Rückführung der Kinder wurde ein Umgangsrecht des Beschwerdeführers mit den Kindern für sonntags 10.00 Uhr bis 19.00 Uhr vereinbart, wobei die Übergaben nicht unmittelbar zwischen den Eltern erfolgen sollten.
c) In der Folge lebten die Kinder bei der Mutter. Der Beschwerdeführer wohnte vorübergehend in einem Campingwagen. Am 24. Oktober 2014 nahm das Jugendamt die Kinder erneut in Obhut und brachte beide zunächst in einer Bereitschaftspflegefamilie unter. Später wurden der ältere Sohn in einer pädagogischen Ambulanz und der jüngere Sohn in einer anderen Pflegefamilie untergebracht, wo sie seitdem leben.
Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2014 regte das Jugendamt beim Familiengericht an, beiden Eltern die elterliche Sorge im Wege einstweiliger Anordnung zu entziehen. Die - inzwischen mit den Kindern allein wohnende - Mutter sei nicht in der Lage, adäquat für die Kinder zu sorgen. Sie habe die Wohnung verwahrlosen lassen. Nach Berichten der Schule seien die Kinder unausgeschlafen, ungepflegt, nicht witterungsgemäß gekleidet und ohne Schulsachen in der Schule erschienen. Die Kinder hätten angegeben, nicht ausreichend zu essen bekommen zu haben. Die Familienhilfe habe berichtet, dass die Mutter Absprachen und Ratschläge der Mediziner nicht einhalte, ihre Medikamente abgesetzt und keinerlei Krankheitseinsicht habe.
Mit angegriffenem Beschluss vom 27. Oktober 2014 entzog das Amtsgericht beiden Eltern die elterliche Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung ohne vorherige Anhörung. Es lägen hinreichende Gründe für die Annahme vor, dass die Eltern ihr Sorgerecht nicht zum Wohle ihrer beiden Söhne ausübten, sondern ihren Kindern schadeten; die Mutter dadurch, dass sie nicht dafür zu sorgen scheine, dass ihren Kindern in ihrem Haushalt die grundlegendsten Bedürfnisse erfüllt würden; der Beschwerdeführer dadurch, dass er die wohl gegebene Betreuungsnot seiner Kinder nicht zu erkennen vermöge.
d) Der Beschwerdeführer beantragte, den Beschluss vom 27. Oktober 2014 insofern aufzuheben, als ihm die elterliche Sorge entzogen sei. Die Mutter beantragte ebenfalls, den Beschluss aufzuheben. Der Beschwerdeführer führte aus, es sei gerichtsbekannt, dass er sehr wohl die Betreuungsnot der Kinder erkannt habe und dies auch immer wieder beim Jugendamt aktenkundig und diesbezüglich in Gerichtsverfahren vorgetragen habe. Da er selbst in großer Sorge um seine Kinder sei, werde er, sofern seine elterliche Sorge beachtet werde, an einer Lösung für seine Kinder einvernehmlich mitwirken. Sämtliche Maßnahmen seien mit ihm abzusprechen. Insbesondere sei zu beachten, dass seine Zustimmung zur konkreten Unterbringung der Kinder erforderlich sei. Ihm sei Kontakt zu seinen Kindern zu ermöglichen. Es sei ihm wichtig, dass die Kinder zusammen blieben. Er erkenne an, dass seine Kinder sich den Umständen entsprechend bei der bisherigen Pflegefamilie wohlgefühlt haben.
Das Amtsgericht bestellte eine Verfahrensbeiständin und hörte diese, die Eltern und das Jugendamt im November 2014 mündlich an. Im Anhörungstermin erklärte der Beschwerdeführer über seine Verfahrensbevollmächtigte, dass er bereit sei, dabei mitzuwirken, dass die Kinder entsprechend den Empfehlungen des Jugendamts untergebracht würden. Er wolle aber in deren Entscheidungen einbezogen und maßgeblich an diesen beteiligt werden. Er hoffe, eventuell irgendwann, möglicherweise in etwa einem Jahr, mit den Kindern selbst zusammen leben zu können, wisse aber, dass dies derzeit keinesfalls gehe. Der Beschwerdeführer erklärte außerdem, dass er nunmehr bei seiner ersten Ehefrau und seinen Kindern aus dieser ersten Ehe lebe. Seine erste Ehefrau sei als Tagesmutter berufstätig.
Mit angegriffenem Beschluss vom 28. November 2014 wies das Amtsgericht die Anträge beider Eltern auf Aufhebung der einstweiligen Anordnung vom 27. Oktober 2014 zurück und hielt diese aufrecht. Es sei vorläufig notwendig, beiden Elternteilen die elterliche Sorge zu entziehen. Die Mutter sei derzeit nicht in der Lage, ihr kindeswohlgefährdendes Verhalten abzustellen. Um von den Kindern Schaden für Seele und Geist abzuwenden, bleibe es erforderlich, jedenfalls vorläufig, auch dem Beschwerdeführer das elterliche Sorgerecht zu entziehen. Der Beschwerdeführer habe sich in Teilaspekten von der getroffenen Absprache entfernt und sich im Zuge seiner Umgangskontakte Freiheiten, wie Besuche in der Ehewohnung, persönliche Kontakte zur Mutter bei den Übergaben - dies allerdings wohl im Einvernehmen mit der Mutter - eingeräumt, die nicht vereinbart gewesen seien. Es sei ungeklärt, inwiefern, dieses Verhalten die desolate Betreuungssituation der Kinder mitverursacht habe. Es stelle sich die Frage, weshalb er die Missstände im Haushalt der Mutter nicht mitgeteilt habe. Er sei entweder nicht willens oder fähig gewesen, die Kinder aktiv zu schützen. Dies hätten Außenstehende tun müssen. Auch sei zu befürchten, der Beschwerdeführer könne versucht sein, bei den aktuell zu treffenden Entscheidungen für die Söhne nicht ausschließlich deren Wohl im Auge zu haben, sondern auch zu versuchen, in Konkurrenz zur Mutter zu treten und auf dem Gebiet des Sorgerechts die strittige Paarbeziehung abzuarbeiten. Angesichts der objektiv gegebenen Gefährdungssituation sei auf die Anhörung der Kinder verzichtet worden.
e) Auf die Beschwerden des Beschwerdeführers und der Mutter holte das Oberlandesgericht die Stellungnahmen des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin ein. Außerdem hörte es die Kinder sowie die Eltern, die Verfahrensbeiständin und das Jugendamt persönlich an. Der Beschwerdeführer ließ über seine Verfahrensbevollmächtigte nochmals mitteilen, dass er derzeit ausdrücklich mit der Fremdunterbringung der Kinder einverstanden sei. Die Behauptung, er habe durch sein Verhalten die desolate Betreuungssituation möglicherweise mitverursacht, sei völlig unsubstantiiert und pauschal. Hinsichtlich des Vorwurfs, er sehe die Betreuungsnot seiner Kinder nicht, beziehungsweise sei verpflichtet gewesen, eine Kindeswohlanzeige zu erstatten, fragt er, was er hätte konkret anführen können außer seinem subjektiven Eindruck, dass die Mutter psychisch angeschlagen sei. Er habe im April des Jahres schon einmal eine Kindeswohlgefährdung angezeigt. Dem Jugendamt sei bekannt, dass er die Mutter aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht für erziehungsfähig halte. Er sei davon ausgegangen, dass das Jugendamt mit zwei Familienhelferinnen, die umfangreich mit der Mutter und den beiden Kindern arbeiteten, die Situation im Haushalt der Mutter besser beurteilen konnten als er. Er habe darauf vertraut, dass bei einer konkreten Kindeswohlgefährdung die Familienhelferinnen dies dem Jugendamt mitgeteilt hätten. Dass er versuchen würde, die strittige Paarbeziehung auf dem Gebiet des Sorgerechts abzuarbeiten, sei eine bloße Unterstellung.
Mit angegriffenem Beschluss vom 1. April 2015 wies das Oberlandesgericht die Beschwerden der Eltern zurück. Zu Recht und mit zutreffender Begründung habe das Amtsgericht den Kindeseltern die elterliche Sorge für die beiden Kinder entzogen. Die Mutter sei aufgrund ihrer psychischen Erkrankung, die sie trotz Empfehlungen des im vorangegangenen Sorgerechtsverfahren eingeholten Gutachtens nicht habe behandeln lassen, derzeit nicht in der Lage, das Sorgerecht dem Wohl der Kinder entsprechend auszuüben. Auch dem Beschwerdeführer sei das Sorgerecht zu Recht vorübergehend entzogen worden. Zwar sei die Rückführung der Kinder, die nach ihrer Anhörung ein gutes Verhältnis zu ihm hätten und ihn gerne häufiger sehen möchten, eine durchaus realistische Option. Jedoch seien hierfür derzeit die Voraussetzungen nicht gegeben. Nachdem die Kinder bereits im Frühjahr 2014 einmal kurzzeitig in einer Bereitschaftspflegestelle untergebracht waren und sie nunmehr wieder seit Ende Oktober 2014 fremduntergebracht seien, sei es zu ihrem Wohl nicht zu verantworten, sie übereilt, das heißt ohne hinreichende Gewissheit, dass der Kindesvater längerfristig in der Lage sei, die Betreuung und Versorgung der Kinder zu übernehmen, beim Kindesvater unterzubringen, der erst seit kurzem in einem Haushalt mit seiner ersten Ehefrau und den gemeinsamen Kindern aus dieser Ehe lebe. Ferner sei erforderlich, die dann künftigen Lebensumstände der Kinder näher zu prüfen, um auch den erforderlichen Hilfebedarf feststellen zu können. Dies sei zwingend erforderlich, da der Beschwerdeführer auch in der Zeit, als die Kindeseltern noch gemeinsam mit den Kindern in einem Haushalt gelebt hätten, nicht in der Lage gewesen sei, in dieser Situation trotz seiner Einwirkungsmöglichkeit eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden. Der Beschwerdeführer habe sich zwar bereit erklärt, den Empfehlungen des Jugendamts und der beteiligten Fachkräfte nachzukommen, insbesondere die Kinder nicht ohne deren Zustimmung zu sich zu nehmen. Dies reiche jedoch nicht aus, ihm das Sorgerecht bereits jetzt zu übertragen. Der Umstand, dass er sich in der Vergangenheit nicht immer ausreichend einsichtig und kooperativ gezeigt habe, was auch in der Anhörung zum Ausdruck gekommen sei, begründe die konkrete Gefahr, dass er die Kinder gleichwohl nach einiger Zeit aus ihrem derzeitigen Umfeld herausnehme oder seine Zustimmung zu erforderlichen Maßnahmen verweigere.
2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 2 GG.
Die Gerichte hätten die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gefahrenfeststellung verkannt, da sie nicht dargelegt hätten, dass eine akute und unmittelbar bevorstehende erhebliche Gefährdung des Kindeswohls durch die Beibehaltung des Sorgerechts bestehe. Auch hätten die Gerichte verkannt, dass der Beschwerdeführer als Elternteil seine Erziehungsfähigkeit nicht positiv unter Beweis stellen müsse. Im Übrigen habe er sich unstreitig bereit erklärt, auf die Empfehlungen des Jugendamts zu hören und die Kinder nicht ohne Zustimmung zu sich zu nehmen.
3. Die Akten des Ausgangsverfahrens und der vorangegangenen Sorgerechtsverfahren lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.
4. Das Bundesverfassungsgericht hat der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, dem Jugendamt der Stadt N., der Verfahrensbeiständin der Kinder und der Mutter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Jugendamt und die Verfahrensbeiständin haben sich den gerichtlichen Entscheidungen angeschlossen.
Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des gerügten Elternrechts des Beschwerdeführers angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden und die Verfassungsbeschwerde hiernach offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Der Beschwerdeführer ist in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.
1. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist nicht mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar, soweit darin der Sorgerechtsentzug gegenüber dem Beschwerdeführer aufrechterhalten wird.
a) aa) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Zwar kann der Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts den Eltern das grundrechtlich geschützte Sorgerecht (teilweise) entziehen, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls erforderlich ist (vgl. § 1666 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 6 BGB). Dabei ist jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
bb) Neben diesen materiell-rechtlichen Vorgaben kommt auch der Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens hohe Bedeutung für die Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes zu (vgl. BVerfGE 63, 131 <143>). In Sorgerechtsverfahren haben die Familiengerichte das Verfahren so zu gestalten, dass es geeignet ist, eine möglichst zuverlässige Grundlage zu schaffen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Steht wie hier eine Entscheidung im Eilverfahren in Rede, bleiben die praktisch verfügbaren Aufklärungsmöglichkeiten angesichts der spezifischen Eilbedürftigkeit dieser Verfahren allerdings regelmäßig hinter den im Hauptsacheverfahren bestehenden Möglichkeiten zurück. Eine Sorgerechtsentziehung aufgrund summarischer Prüfung im Wege der einstweiligen Anordnung ist damit indessen nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 20).
Im Eilverfahren bemessen sich die Möglichkeiten des Gerichts, das Sorgerecht ohne abschließende Ermittlung des Sachverhalts zu entziehen, einerseits nach dem Recht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), von einem unberechtigten Sorgerechtsentzug verschont zu bleiben und andererseits nach dem Recht des Kindes (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG), durch die staatliche Gemeinschaft vor nachhaltigen Gefahren geschützt zu werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 22). Weil bereits der vorläufige Entzug der gesamten Personensorge einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Eltern darstellt, sind grundsätzlich auch bei einer Sorgerechtsentziehung im Eilverfahren hohe Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung zu stellen. Sie sind umso höher, je geringer der mögli-cherweise eintretende Schaden des Kindes wiegt, in je größerer zeitlicher Ferne der zu erwartende Schadenseintritt liegt und je weniger wahrscheinlich dieser ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 23). Einfachrechtlich drückt sich diese Anforderung in der Vorschrift des § 49 Abs. 1 FamFG aus, die ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden erfordert, das voraussetzt, dass ein Abwarten bis zur Hauptsacheentscheidung nicht möglich ist, weil diese zu spät kommen würde, um die zu schützenden Interessen (hier: das Kindswohl) zu wahren. Nicht ausreichend ist, dass die gerichtliche Entscheidung dem erstrebten Ziel (hier: dem Kindeswohl) am besten entsprechen würde (Giers, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 49 Rn. 13).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen verletzt die Entscheidung des Oberlandesgerichts das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Ungeachtet der Frage, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts zum Schutz der Kinder deren Trennung auch vom Beschwerdeführer notwendig war (Art. 6 Abs. 3 GG), war der sofortige Entzug der elterlichen Sorge diesem gegenüber jedenfalls unverhältnismäßig (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG).
aa) Die Ausführungen des Oberlandesgerichts lassen nicht erkennen, dass es erforderlich war, dem Beschwerdeführer die Personensorge zu entziehen. Die vom Oberlandesgericht angenommene und vom Beschwerdeführer akzeptierte Notwendigkeit einer (vorübergehenden) Fremdunterbringung der Kinder allein erfordert nicht zwangsläufig den Sorgerechtsentzug. Selbst wenn eine Fremdunterbringung geboten ist, kann der Sorgerechtsentzug zur Abwendung einer dem Kind drohenden Gefahr insbesondere dann entbehrlich sein, wenn der erziehungsberechtigte Elternteil die Fremdunterbringung mitträgt und unterstützt und alle in diesem Zusammenhang notwendig werdenden Mitwirkungshandlungen vornimmt beziehungsweise vorzunehmen bereit ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juni 2014 - 1 BvR 725/14 -, juris, Rn. 39). Sind die Eltern willens, die Gefahr für ihr Kind im Wege der Fremdunterbringung abzuwenden, ist familiengerichtliches Einschreiten grundsätzlich nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig (vgl. zum Gefahrabwendungsprimat der Eltern Coester, in: Staudinger, BGB, 2009, § 1666 Rn. 169 ff.).
Vorliegend war der Sorgerechtsentzug nicht erforderlich. Der Beschwerdeführer hatte der Inobhutnahme der Kinder zu keinem Zeitpunkt widersprochen. Vielmehr hatte er bereits in dem vorangegangenen Sorgerechtsverfahren selbst um Fremdunterbringung der Kinder gebeten. Zudem hat er sich während des Ausgangsverfahrens mehrfach mit der Fremdunterbringung einverstanden erklärt und zugesagt, die Empfehlungen des Jugendamts hinsichtlich der Unterbringung der Kinder zu befolgen und die Kinder nicht voreilig zu sich zu nehmen. Das Gericht hat auch keine Anhaltspunkte dafür benannt, dass das Jugendamt ohne einen sofortigen und vollständigen Sorgerechtsentzug daran gehindert gewesen wäre, die im Zusammenhang mit der Fremdunterbringung notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Kinder zu ergreifen, etwa weil der Beschwerdeführer hierfür notwendige Mitwirkungshandlungen nicht vorgenommen hätte.
Soweit das Oberlandesgericht Zweifel an den Zusagen des Beschwerdeführers äußert und die Gefahr sieht, er könne die Kinder "nach einiger Zeit" aus ihrem derzeitigen Umfeld herausnehmen, fehlt es an einer konkreten Begründung für diese Zweifel. Der nicht weiter ausgeführte Hinweis, dass sich der Beschwerdeführer in der Vergangenheit nicht immer ausreichend einsichtig und kooperativ gezeigt habe, was auch in der Anhörung durch den Senat zum Ausdruck gekommen sei, ist zu pauschal als dass sich daraus im Rahmen verfassungsgerichtlicher Überprüfung eine hinreichend wahrscheinliche Gefahr ablesen ließe, dass der Beschwerdeführer sich nicht an seine mehrfach gegebene Zusage halten werde. Angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs hätten die diesbezüglich geäußerten Zweifel des Oberlandesgerichts näherer Konkretisierung bedurft. Auch in den vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Entscheidungen des Amtsgerichts finden sich keine Ausführungen, anhand derer sich nachvollziehen ließe, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschwerdeführer die Kinder unabgesprochen aus ihrem derzeitigen Umfeld herausnehmen würde. Im Falle eines Herausgabebegehrens des Beschwerdeführers hätte im Übrigen immer noch die Möglichkeit bestanden, ihm dann das Sorgerecht im Eilverfahren zu entziehen.
bb) Zwar kann das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung eine vorläufige Sorgerechtsentscheidung grundsätzlich auch dann treffen, wenn es die tatsächlichen Voraussetzungen der Maßnahme noch nicht abschließend ermittelt hat. Dies setzt aber sowohl einfachrechtlich als auch verfassungsrechtlich voraus, dass ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Dass hier ein dringendes Bedürfnis für den sofortigen Sorgerechtsentzug bestand, lässt sich der Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht entnehmen. Im Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung waren die Kinder bereits fremduntergebracht und der Beschwerdeführer hatte sich unter anderem im Anhörungstermin mit der Fremdunterbringung einverstanden und zu Protokoll erklärt, die Kinder nicht voreilig zu sich nehmen zu wollen. Damit waren die Gefahren, die den Kindern im Haushalt der Mutter drohten und gegen die der Beschwerdeführer nach Einschätzung des Gerichts nicht hinreichend unternommen hatte, gebannt, so dass insofern keine besondere Dringlichkeit bestand. Auch soweit das Oberlandesgericht Zweifel an den Zusagen des Beschwerdeführers äußert, die Empfehlungen des Jugendamts hinsichtlich der Unterbringung der Kinder zu befolgen, und befürchtet, er könne die Kinder "nach einiger Zeit" aus ihrem derzeitigen Umfeld herausnehmen, lässt diese Formulierung gerade nicht darauf schließen, dass das Oberlandesgericht davon ausging, der Beschwerdeführer werde die Kinder sofort und ohne Rückführungsphase zu sich zurücknehmen. Dass und weshalb die Ermittlungen des Hauptsacheverfahrens zu spät gekommen wären, um die vom Gericht vermutete Kindeswohlgefährdung durch Verbleib der Personensorge für die fremduntergebrachten Söhne beim Beschwerdeführer abzuwenden, ist angesichts des erklärten Einverständnisses des Beschwerdeführers mit der Fremdunterbringung der Kinder nicht nachvollziehbar.
c) Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 1. April 2015 beruht auf diesen Verstößen gegen das Elternrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei verfassungsgemäßer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers getroffen hätte.
2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 1. April 2015 ist gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG im genannten Umfang aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
3. Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts gerichtet ist, bedarf es keiner Entscheidung der Kammer, weil infolge der Aufhebung und Rückverweisung der Entscheidung des Oberlandesgerichts der Rechtsweg vor den Fachgerichten wieder eröffnet ist (vgl. BVerfGE 129, 1 <37>; 134, 106 <121>).
4. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Mit der Anordnung der Auslagenerstattung erledigt sich der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl. BVerfGE 62, 392 <397>; 71, 122 <136 f.>; 105, 239 <252>).
5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).