Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 28.04.2017


BVerwG 28.04.2017 - 1 B 73/17, 1 B 73/17, 1 PKH 30/17

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
28.04.2017
Aktenzeichen:
1 B 73/17, 1 B 73/17, 1 PKH 30/17
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:280417B1B73.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 12. Dezember 2016, Az: 21 B 16.30338, Urteilvorgehend VG Regensburg, 15. Juli 2016, Az: RO 11 K 16.30679

Gründe

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A. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung - wie sich aus den nachstehenden Gründen ergibt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

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B. Die Beschwerde, mit der eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht wird, ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

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1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 B 7.15 - juris).

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Für die Zulassung der Revision reicht, anders als für die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO/§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - BVerwGE 70, 24 <26>), eine Tatsachenfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aus. Die Klärungsbedürftigkeit muss vielmehr in Bezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des Tatsachenstoffes berufenen Instanzgerichte für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist, lässt für sich allein nach geltendem Revisionszulassungsrecht eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Der Gesetzgeber hat insoweit auch für das gerichtliche Asylverfahren an den allgemeinen Grundsätzen des Revisionsrechts festgehalten und für das Bundesverwaltungsgericht keine Befugnis eröffnet, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher Bedeutung in "Länderleitentscheidungen", wie sie etwa das britische Prozessrecht kennt, zu treffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 28 - zur Feststellung einer extremen Gefahrenlage) haben sich allerdings die Berufungsgerichte nach § 108 VwGO (erkennbar) mit abweichenden Tatsachen- und Lagebeurteilungen anderer Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe auseinanderzusetzen.

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Anderes folgt auch nicht aus dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 (2 BvR 31/14 - InfAuslR 2017, 75). Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Beschluss nicht entschieden, dass in Fällen, in denen Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe auf der Grundlage (weitestgehend) identischer Tatsachenfeststellungen zu einer im Ergebnis abweichenden rechtlichen Beurteilung kommen, stets und notwendig eine (klärungsbedürftige) Rechtsfrage des Bundesrechts vorliegt, welche eine Rechtsmittelzulassung gebietet, um den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr als Grund der bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage im Ergebnis unterschiedlichen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen einerseits, des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg andererseits eine unterschiedliche Rechtsauffassung zur Rechtsfrage bezeichnet, ob der Asylbewerber tatsächlich politisch aktiv war oder ob es ausreicht, dass die Behörden des Heimatstaates von einer solchen Betätigung ausgingen. Für Tatsachenfragen - und damit auch für Unterschiede bei der tatsächlichen Bewertung identischer Tatsachengrundlagen - hat es vorab ausdrücklich bestätigt, dass wegen der Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das Bundesverwaltungsgericht ausscheidet. Auch in Fällen (weitgehend) identischer Tatsachengrundlagen ist für die Revisionszulassung mithin eine Darlegung erforderlich, dass die im Ergebnis abweichende Bewertung der Tatsachengrundlage eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, und diese Frage hinreichend klar zu bezeichnen.

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Im Ergebnis unterschiedliche Bewertungen von Tatsachen bei (weitgehend) identischer Tatsachengrundlage weisen auch nicht auf rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung und Anwendung des § 108 VwGO hin; im Übrigen sind (mögliche) Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Ein - hier nicht geltend gemachter - Verfahrensfehler kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet (BVerwG, Beschlüsse vom 25. Juni 2004 - 1 B 249.03 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 284 und vom 23. September 2011 - 1 B 19.11 - juris, jeweils m.w.N.). Ein Verfahrensmangel bei der Beweiswürdigung liegt aber nur dann vor, wenn sich der gerügte Fehler hinreichend eindeutig von der materiellrechtlichen Subsumtion, d.h. der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat.

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2. Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt.

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Die Beschwerde hält folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"Ist eine Auslegung des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1a AsylG mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG, dem Rechtsstaatsprinzip gern. Art. 20 Abs. 3 GG und dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 GG vereinbar, wonach bei der Prognose, ob die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung bei der Rückkehr in den Herkunftsstaat besteht, eine Abwägung der für und gegen eine Verfolgung sprechenden Umstände maßgebend ist, auch wenn das Risiko für den Rückkehrenden aufgrund der Verhältnisse im Herkunftsstaat unkalkulierbar ist?"

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Damit zeigt die Beschwerde aber keine einer grundsätzlichen Klärung bedürftige Maßstabsfrage auf, sondern wendet sich in der Sache lediglich gegen die den Tatsachengerichten vorbehaltene Sachverhalts- und Beweiswürdigung und greift die Bewertung des vorliegenden Erkenntnismaterials durch das Berufungsgericht dahin an, dass insoweit keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer für den Flüchtlingsschutz relevanten Verfolgung bestehe. Mit dieser Bewertung der Situation von Syrern, die nach illegaler Ausreise, Asylantragstellung und längerem Auslandsaufenthalt nach Syrien zurückkehren, steht das Berufungsgericht im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG Münster, Urteil vom 21. Februar 2017 - 14 A 2316/16.A - juris Rn. 47 ff.; OVG Saarlouis, Urteil vom 2. Februar 2017 - 2 A 515/16 - juris Rn. 21 ff.; VGH München, Urteil vom 12. Dezember 2016 - 21 B 16.30364 - juris Rn. 62 ff.; OVG Schleswig, Urteil vom 23. November 2016 - 3 LB 17/16 - juris Rn. 37), die in Fällen, in denen eine Wehrdienstentziehung nicht im Raum steht, zu dem Ergebnis gekommen ist, es gebe keine zureichenden tatsächlichen Erkenntnisse, dass die syrischen Sicherheitsbehörden letztlich jeden Rückkehrer, der Syrien verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten habe, ohne weitere Anhaltspunkte der Opposition zurechneten.

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Soweit mit der Nichtzulassungsbeschwerde auch eine nähere Klärung der Grundsätze für die richterliche Überzeugungsbildung im Rahmen der Gefahrenprognose bei unsicherer Tatsachengrundlage angestrebt werden sollte, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass bei der Gefahrenprognose die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang zu berücksichtigen ist (BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2008 - 10 C 33.07 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 19). Das Gericht muss sich aber die volle richterliche Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) davon bilden, dass nach der Erkenntnislage bei verständiger Würdigung der (gesamten) Umstände des Einzelfalls flüchtlingsrechtlich beachtliche Verfolgung droht (stRspr, s. nur BVerwG, Urteile vom 18. Oktober 1983 - 9 C 158.80 - BVerwGE 68, 106 <108> und vom 8. Dezember 1998 - 9 C 17.98 - BVerwGE 108, 84 <86 f.>). Neuerlichen oder weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde insoweit nicht auf.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.