Entscheidungsdatum: 04.08.2016
Die Beschwerde hat Erfolg, weil der angefochtene Beschluss auf einem Verfahrensfehler beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Beklagte rügt zu Recht, das Berufungsgericht habe überzogene Anforderungen an den Inhalt der nach § 124a Abs. 3 und 6 VwGO erforderlichen Berufungsbegründung gestellt und hätte deshalb die Berufung nicht durch Beschluss nach § 125 Abs. 2 VwGO als unzulässig verwerfen dürfen.
Entscheidet ein Gericht durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil, kann darin ein Verfahrensfehler liegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 1968 - 8 B 110.67 - BVerwGE 30, 111 <113>). Das ist der Fall, wenn eine solche Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht, z.B. einer Verkennung ihrer Begriffsinhalte und der zugrunde zu legenden Maßstäbe (vgl. zu § 42 Abs. 2 VwGO: BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 - 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1). Kein Verfahrensmangel liegt hingegen vor, wenn bei der Anwendung des Prozessrechts Vorfragen zur materiellen Rechtslage fehlerhaft bestimmt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. November 2009 - 7 B 25.09 - NVwZ 2010, 256 <258>). Denn bei der Beurteilung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des iudex a quo auszugehen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>).
§ 124a Abs. 3 VwGO macht die Zulässigkeit der Berufung von einer form- und fristgerechten Begründung abhängig. Diese muss nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Entsprechendes gilt nach Zulassung der Berufung durch das Berufungsgericht (§ 124a Abs. 6 Satz 3 VwGO). Der Rechtsmittelführer muss daher nach Zulassung der Berufung in jedem Fall einen gesonderten Schriftsatz zur Berufungsbegründung einreichen und dabei eindeutig zu erkennen geben, dass er nach wie vor die Durchführung eines Berufungsverfahrens erstrebt. Die im Einzelnen anzuführenden Berufungsgründe müssen substantiiert und konkret auf den zu entscheidenden Fall bezogen sein. Sie haben in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen auszuführen, weshalb das angefochtene Urteil nach der Auffassung des Berufungsführers unrichtig ist und geändert werden muss. Erfolgt die Berufungsbegründung durch Bezugnahme auf den Zulassungsantrag, was grundsätzlich zulässig ist, muss dieser den genannten Anforderungen genügen. Welche Mindestanforderungen in Anwendung dieser Grundsätze jeweils an die Berufungsbegründung zu stellen sind, hängt wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab. In asylrechtlichen Streitigkeiten genügt eine Berufungsbegründung regelmäßig etwa dann dem Berufungsbegründungserfordernis, wenn sie eine entscheidungserhebliche Frage zu den tatsächlichen Verhältnissen im Heimatstaat des Asylbewerbers konkret bezeichnet und ihre hierzu von der Vorinstanz abweichende Beurteilung deutlich macht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 23. April 2001 - 1 C 33.00 - BVerwGE 114, 155 <157 f.> und vom 16. Juli 2015 - 1 C 29.14 - BVerwGE 152, 283 Rn. 17, jeweils m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen genügt der - ein Dublin-Verfahren betreffende - Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2016 den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung. In diesem Schriftsatz hat die Beklagte zur Begründung der vom Berufungsgericht zugelassenen Berufung Bezug genommen auf die Ausführungen in ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung vom 28. Januar 2016, soweit diese für die Position der Beklagten sprechen, sowie auf die Ausführungen im Zulassungsbeschluss und ergänzend die Einholung neuerer Auskünfte zur Entwicklung der Aufnahmebedingungen in Ungarn angeregt. Im Schriftsatz vom 28. Januar 2016 hat die Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass und warum sie entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung davon überzeugt ist, dass in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH und des EGMR vorliegen. Nachdem das Berufungsgericht daraufhin die Berufung im Hinblick auf die ungarische Inhaftierungspraxis und die dort herrschenden Haftbedingungen wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, musste die Beklagte nicht mehr zur Begründung der Berufung ausführen. Eine hinreichende Begründung scheitert unter den hier gegebenen Umständen auch nicht an dem einschränkenden Zusatz "soweit diese für die Position der Beklagten sprechen". Die gegenteilige Bewertung des Berufungsgerichts, die Berufungsbegründung befasse sich nicht hinreichend damit, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers im Einzelnen unrichtig sei, weil es nicht Aufgabe des Berufungsgerichts sei, aus einem 13 Seiten umfassenden, in sich nicht näher spezifizierten Zulassungsantrag die Passagen selbst herauszusuchen, die aus Sicht der Beklagten verdeutlichen sollten, aus welchen Gründen das erstinstanzliche Urteil keinen Bestand haben könne bzw. welche Aspekte für die Position der Beklagten sprächen (BA S. 4), überspannt in der vorliegenden Situation, in der sich das Vorbringen der Beklagten im Zulassungsverfahren auf das Nichtvorliegen systemischer Mängel in Ungarn beschränkte, die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung. Der dem Wortlaut nach einschränkende Zusatz war hier nach den Umständen auch sonst objektiv nicht geeignet, Unklarheit über die zur Berufungsbegründung in Bezug genommenen Ausführungen hervorzurufen.
Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, die Berufungsentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an das Berufungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.