Entscheidungsdatum: 24.05.2017
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 B 7.15 - juris).
Die Beschwerde sieht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf für die Frage:
"Steht der Annahme der Treuwidrigkeit eines Rechtsmittels unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung entgegen, dass der mit dem Rechtsmittel angefochtene Verwaltungsakt seinerseits sowohl an fehlender Rechtskonformität leidet?"
Dies rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Soweit diese Rechtsfrage in einer über den vorliegenden Streitfall hinaus verallgemeinerungsfähigen Weise klärungsfähig ist, besteht kein revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf. Die Verwirkung als Hauptanwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung eine längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (stRspr, BVerwG, Urteile vom 7. Februar 1974 - 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343> und vom 12. Dezember 2002 - 7 C 22.02 - Buchholz 428 § 18 VermG Nr. 16; Beschlüsse vom 20. Januar 2017 - 8 B 23.16 - NVwZ-RR 2017, 430 und vom 7. März 2013 - 4 BN 33.12 - BauR 2013, 1101). Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass auch prozessuale Befugnisse im öffentlichen Recht - wie hier das Recht zur Einlegung des Widerspruchs - verwirkt werden können, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67 - BVerfGE 32, 305 <308 f.>). Darauf, ob der mit Widerspruch und Klage angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig war, kommt es nicht an, denn die Verwirkung des prozessualen Rechts hat zur Folge, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung nicht mehr geltend machen kann.
2. Der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.
Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen in der Vorschrift genannten Gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2015 - 1 B 3.15 - juris Rn. 7 m.w.N.). Die nach Auffassung der Beschwerdeführerin divergierenden Rechtssätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2016 - 1 B 78.16 - juris Rn. 7).
Die Beschwerde rügt, dass das Berufungsurteil von einem vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 7. Februar 1974 - 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 und Beschluss vom 20. Januar 2017 - 8 B 23.16 - NVwZ-RR 2017, 430) aufgestellten Rechtssatz abweicht, wonach eine Verwirkung u.a. voraussetze, dass der Verpflichtete sich in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet habe, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.
Die Beschwerde legt schon nicht dar, dass das Berufungsgericht, das sich ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1974 bezogen hat, einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat, und macht allenfalls eine vermeintlich fehlerhafte Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes geltend. Überdies ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass eine Verwirkung anzunehmen ist, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (s.a. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 2017 - 8 B 23.16 - NVwZ-RR 2017, 430 Rn. 14). Die von der Klägerin herangezogene Konkretisierung in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Februar 1974 (- 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339) umschreibt dabei, wie schon der Begriff "insbesondere" zeigt, die Voraussetzungen einer Verwirkung weder umfassend noch abschließend. Für eine Verwirkung kommt vielmehr auch der Gesichtspunkt des Rechtsfriedens in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 2017 - 8 B 23.16 - NVwZ-RR 2017, 430 Rn. 14; s.a. BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67- BVerfGE 32, 205 <310>). Auf diesen Aspekt hat das Berufungsgericht abgestellt (vgl. UA S. 11) und mit dem Hinweis auf die durch eine Ratenzahlungsvereinbarung geschaffene Vertrauensgrundlage (vgl. UA S. 12) im Rahmen einer einzelfallbezogenen Subsumtion im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch deutlich gemacht, dass nicht allein das Zeitmoment maßgeblich ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.