Entscheidungsdatum: 19.12.2017
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 22. März 2016 - 6 TaBV 39/14 - wird zurückgewiesen.
A. Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die Auslegung einer tariflichen Arbeitszeitregelung.
Die Arbeitgeberin hat ein Altenpflegeheim, eine ambulante Pflegeeinrichtung sowie einen Rettungsdienst in zwei Rettungswachen betrieben. Antragsteller ist der für diesen Betrieb gewählte Betriebsrat. Kraft Mitgliedschaft ist die Arbeitgeberin an die Tarifverträge der Landestarifgemeinschaft des DRK Landesverbandes Sachsen-Anhalt gebunden. Der von dieser mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) geschlossene Tarifvertrag (DRK-TV LSA) vom 17. Dezember 2003 lautet in § 12 Abs. 8 - „Arbeitszeit zu besonderen Zeiten“ - wie folgt:
|
„Im Falle von Sonntags- und Feiertagsarbeit sollen im Monat zwei Sonntage arbeitsfrei sein, wenn die betrieblichen Verhältnisse es zulassen. Die an solchen Tagen zu leistenden Arbeitsstunden werden durch entsprechende Freizeit an einem Arbeitstag der nächsten oder der übernächsten Kalenderwoche ausgeglichen.“ |
Durch den 7. Änderungstarifvertrag vom 15. April 2016 ist die Bestimmung nunmehr Inhalt von § 12 Abs. 7 DRK-TV LSA.
Für die Betriebsbereiche „stationäre Pflege“, „ambulante Pflege“ und „Rettungsdienst“ schlossen die Betriebsparteien jeweils eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit. Entsprechend § 14 DRK-TV LSA ist in diesen die Erstellung von Dienstplänen und die Führung von Arbeitszeitkonten, verbunden mit einer zulässigen Schwankungsbreite für Mehr- und Minderarbeiten vorgesehen.
Den von der Arbeitgeberin für den Monat Juni 2014 erstellten Dienstplänen für die beiden Rettungswachen verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung, die eine Einigungsstelle mit Spruch vom 27. Mai 2014 ersetzte.
Mit am 10. Juni 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Betriebsrat ua. die Unwirksamkeit dieses Spruchs geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, der für Sonntags- oder Feiertagsarbeit erforderliche Freizeitausgleich „an einem anderen Arbeitstag“ sei nach § 12 Abs. 7 DRK-TV LSA als Arbeitszeit bei der Dienstplangestaltung zu berücksichtigen. Das habe die Einigungsstelle unterlassen. Auch habe die Arbeitgeberin diese Auslegung der Tarifvorschrift der Erstellung von Dienstplänen zugrunde zu legen.
Der Betriebsrat hat beantragt
|
1. |
festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 27. Mai 2014 zur Regelung der Dienstpläne Monat Juni 2014 der Rettungswachen B und Z rechtsunwirksam ist, |
2. |
die Arbeitgeberin zu verpflichten, in die Berechnung der monatlichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer im Rahmen der monatlich zu erstellenden Dienstpläne für eingeplanten Freizeitausgleich, welcher für die Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen zu gewähren ist, die an diesen Sonn- und Feiertagen geleistete Arbeitszeit sowohl am entsprechenden Sonn- und Feiertag als auch am Tag des Freizeitausgleichs als Ist-Arbeitszeit der Stundenberechnung des Dienstplanmonats zu berücksichtigen. |
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
Die Vorinstanzen haben die Anträge abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine Anträge weiter. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens gliederte die Arbeitgeberin den Rettungsdienst auf die DRK B gGmbH sowie die DRK Z gGmbH aus. Dort wurden jeweils Betriebsräte gewählt. Darüber hinaus macht die Arbeitgeberin erstmals geltend, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrats über die Einleitung des Verfahrens, des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie über die jeweilige Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten.
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.
I. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Der Betriebsrat hat die Einleitung des Verfahrens und die Bevollmächtigung seines Verfahrensbevollmächtigten ordnungsgemäß beschlossen. Dieser Beschluss umfasst auch die Durchführung von Rechtsmitteln.
1. Zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine den Betriebsrat beschwerende Entscheidung durch einen ordnungsgemäß beauftragten Verfahrensbevollmächtigten bedarf es keiner gesonderten Beschlussfassung des Betriebsrats. Nach den auch im Beschlussverfahren geltenden Vorschriften des § 81 ZPO iVm. § 46 Abs. 2 ArbGG ermächtigt die einmal erteilte Prozessvollmacht im Außenverhältnis - in den zeitlichen Grenzen des § 87 ZPO - zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen einschließlich der Einlegung von Rechtsmitteln (st. Rspr., etwa BAG 6. November 2013 - 7 ABR 84/11 - Rn. 21 mwN).
2. Der Beschluss über die Einleitung des Verfahrens und die Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten ist nach dem Vorbringen des Betriebsrats in der Betriebsratssitzung vom 6. Juni 2014 ordnungsgemäß zustande gekommen. Dem ist die Arbeitgeberin nicht entgegentreten.
a) Zu der Sitzung des Betriebsrats wurde schriftlich durch den Vorsitzenden eingeladen. Die Tagesordnung enthielt unter Punkt 12 die Beschlussfassung über die Anfechtung des Einigungsstellenspruchs sowie die beabsichtigte gerichtliche Feststellung über die zutreffende Auslegung des § 12 Abs. 8 (nunmehr Abs. 7) DRK-TV LSA.
b) Entsprechend § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wurde das nächste Mitglied der Wahlliste als Ersatzmitglied geladen, deren ordentliches Mitglied - aufgrund von Urlaub - verhindert war. Der Antrag wurde mit der erforderlichen Mehrheit nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mit sechs Ja-Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.
c) Sonstige Gründe, die eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats zur Verfahrenseinleitung oder der Beauftragung seines Verfahrensbevollmächtigten infrage stellen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
II. Die zum 1. Mai 2016 vorgenommene Ausgliederung beider Rettungswachen auf andere Unternehmen geben entgegen dem Vorbringen des Betriebsrats keinen Anlass für weitere Beteiligungen nach § 83 Abs. 3 ArbGG. In den ausgegliederten Rettungswachen wurden jeweils eigene Betriebsräte gewählt. Deren Wahl wurde weder angefochten noch ist sie erkennbar nichtig. Für die Annahme eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Arbeitgeber und deren Beteiligung im anhängigen Verfahren besteht kein Raum.
III. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist ohne Erfolg. Allerdings sind die Anträge bereits unzulässig und nicht - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - unbegründet. Dem Feststellungsantrag zu 1. mangelt es am erforderlichen Feststellungsinteresse. Für den Leistungsantrag zu 2. fehlt es an der Antragsbefugnis.
1. Der Feststellungsantrag zu 1. ist unzulässig.
a) Er ist ausschließlich auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vom 27. Mai 2014 gerichtet und kann nach dem Vorbringen des Betriebsrats nicht dahingehend verstanden werden, es werde losgelöst vom konkreten betrieblichen Anlassfall ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zur gerichtlichen Entscheidung gestellt (dazu BAG 14. September 2010 - 1 ABR 29/09 - Rn. 15 mwN, BAGE 135, 291). Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass der Betriebsrat bei der Erstellung der Dienstpläne mitzubestimmen hat. Soweit dieser sein Verständnis der Freizeitausgleichsregelung in § 12 Abs. 7 DRK-TV LSA geklärt wissen will, ist dies bereits Inhalt des Antrags zu 2.
b) Der Betriebsrat ist trotz der Ausgliederung der Rettungswachen für diesen Antrag nach wie vor Beteiligter. Der Einigungsstellenspruch vom 27. Mai 2014 betrifft zwar ausschließlich Dienstpläne für die mittlerweile ausgegliederten Rettungswachen. Dies lässt die Beteiligtenbefugnis des antragstellenden Betriebsrats nicht entfallen. Die Überprüfung der Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs verbleibt bei dem Betriebsrat, in dessen Betrieb die fragliche Maßnahme abschließend umgesetzt wurde. Das ist derjenige der beteiligten Arbeitgeberin.
c) Dem Antrag fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
aa) Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geltenden § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ein besonderes rechtliches Interesse an der gerichtlichen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erforderlich. Für eine nur auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der sich keinerlei Rechtsfolgen für die Zukunft mehr ergeben, besteht regelmäßig kein besonderes rechtliches Interesse. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, einem Beteiligten zu bescheinigen, dass er im Recht war, oder eine die Verfahrensbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären (ausf. BAG 15. April 2008 - 1 ABR 14/07 - Rn. 17 mwN).
bb) Mit dem Antrag zu 1. wird eine rein vergangenheitsbezogene Feststellung begehrt, ohne dass sich aus diesem zur Entscheidung gestellten Rechtsverhältnis - die Wirksamkeit der Dienstpläne für den Monat Juni 2014 - noch gegenwärtige oder zukünftige Rechtsfolgen ergeben könnten. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgt ein Feststellungsinteresse nicht bereits aus dem Umstand, dass die Auslegung von § 12 Abs. 7 DRK-TV LSA für die künftige Ausgestaltung von Dienstplänen von Bedeutung sein könnte. Hierzu bedürfte es eines vom konkreten Einzelfall losgelösten Feststellungsantrags, durch den ein auch zukünftig noch streitiges Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO zwischen den Beteiligten mit Rechtskraftwirkung entschieden werden kann. Daran fehlt es.
2. Für den Leistungsantrag zu 2. ist der Betriebsrat nicht antragsbefugt (§ 81 Abs. 1 ArbGG).
a) Mit seinem Leistungsantrag will der Betriebsrat die Arbeitgeberin dazu verpflichten, bei der Berechnung der monatlichen Arbeitszeit im Rahmen „der Erstellung von Dienstplänen“ Tage, an denen ein Freizeitausgleich für geleistete Arbeitszeiten an Sonn- oder Feiertagen iSd. § 12 Abs. 7 DRK-TV LSA gewährt wird, als Arbeitszeit mit einzubeziehen, weil sich dies auf die Arbeitszeitkonten und die höchstzulässigen Schwankungsbreiten nach den geschlossenen Betriebsvereinbarungen auswirke. Dieser Verpflichtung soll die Arbeitgeberin bereits bei der Berechnung der monatlichen Arbeitszeit im Rahmen der Dienstplanerstellung - als unvertretbare Handlung iSd. § 888 Abs. 1 ZPO - nachkommen.
b) Hierfür fehlt dem Betriebsrat die Antragsbefugnis.
aa) Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist ein Beteiligter, abgesehen von einer zulässigen Prozessstandschaft, antragsbefugt, wenn er eigene Rechte geltend macht. Die Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren und die Antragsbefugnis im Beschlussverfahren dienen dazu, Popularklagen auszuschließen. Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis nur gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint ( BAG 7. Juni 2016 - 1 ABR 30/14 - Rn. 15 mwN, BAGE 155, 221).
bb) Mit seinem Antrag zu 2. nimmt der Betriebsrat keine eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechte wahr. Sein Begehren stützt sich nicht auf ein vorliegend allein in Betracht kommendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Vielmehr möchte der Betriebsrat erreichen, dass sich die Arbeitgeberin schon bei der Erstellung der ihm noch vorzulegenden Dienstpläne seinem Verständnis vom Regelungsgehalt des § 12 Abs. 7 DRK-TV LSA anschließt. Die Rechtsfrage, ob ein nach § 12 Abs. 7 DRK-TV LSA zu gewährender Freizeitausgleich als Arbeitszeit in von der Arbeitgeberin zu erstellenden Dienstplänen zu berücksichtigen ist, berührt als solche nicht die Rechtsbeziehung der Beteiligten. Sie ist eine allgemeine, die die Beteiligten oder eine an ihrer Stelle handelnde Einigungsstelle bei der gemeinsamen Erstellung der Dienstpläne zu beachten haben. Sie kann nicht isoliert zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Eine gerichtliche Überprüfung ist lediglich im Rahmen einer Rechtmäßigkeitskontrolle tatsächlich getroffener Dienstpläne oder vereinbarter Grundsätze zur Dienstplanerstellung möglich, sofern hieran ein schützenswertes rechtliches Interesse besteht (vgl. BAG 20. Mai 2008 - 1 ABR 19/07 - Rn. 20).
cc) Auch eine Umdeutung des Leistungsantrags in einen Feststellungsantrag führte nicht zu dessen Zulässigkeit, weil er nicht auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet wäre. Vielmehr zielte er auf eine Vorfrage eines etwaigen Rechtsverhältnisses. Eine solche kann, ebenso wie abstrakte Rechtsfragen, nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags sein (st. Rspr., etwa BAG 28. März 2017 - 1 ABR 40/15 - Rn. 16 mwN). Der Antrag beträfe nicht Inhalt oder Umfang eines Mitbestimmungsrechts als ein Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO, sondern lediglich die nach § 12 Abs. 7 DRK-TV LSA zu beachtenden Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer im Rahmen dieses Mitbestimmungsrechts von den Betriebsparteien getroffenen Dienstplanregelung.
|
Schmidt |
|
Heinkel |
|
Treber |
|
|
|
D. Wege |
|
Dirk Pollert |