Entscheidungsdatum: 07.06.2016
Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. April 2014 - 19 TaBV 7/13 - aufgehoben und die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
A. Die Beteiligten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Betriebsrat Auskünfte im Zusammenhang mit an ihre Mitarbeiter von der US-amerikanischen Konzernobergesellschaft ausgegebene Aktienoptionen (Stock Options) und Nachzugsaktien (Deferred Stock) zu erteilen.
Die Arbeitgeberin betreibt im Rahmen eines Betriebsführungsvertrags ua. ein Werk in R, in dem der beteiligte Betriebsrat gebildet ist. Sie gehört zum weltweit tätigen Chemie- und Technologiekonzern D, dessen Obergesellschaft T (T) ihren Sitz in den USA hat. Bei D werden Mitarbeitern ab einer bestimmten Führungsebene nach einem von T aufgelegten „Long Term Incentives“-Programm Stock Options und Deferred Stock gewährt. Den Bezugsrahmen und die Verteilungsparameter legt T jährlich fest; die Arbeitgeberin selbst gewährt keine Aktien. Die Zuteilung der Stock Options und Deferred Stock erfolgt seit 2009 im Zusammenhang mit der Leistungseinstufung des jeweiligen Mitarbeiters automatisiert in einem elektronischen Gehaltsfindungsprozess („Pay Planning Process“ - PPP). Im PPP können die jeweiligen Vorgesetzten - innerhalb eines bestimmten Zeitfensters - von der im System vorgegebenen Leistungsbeurteilung nach oben oder unten abweichende Eingaben machen. Zudem können sie Mitarbeiter hinzufügen oder herausnehmen. Diesen Änderungen muss die Konzernobergesellschaft nicht folgen. Wegen der nach Sparten gegliederten Organisation des Konzerns sind die Vorgesetzten, die für bei der Arbeitgeberin angestellte Mitarbeiter auf das System zugreifen, zum Teil selbst nicht bei dieser angestellt. Umgekehrt wirken bei der Arbeitgeberin angestellte Vorgesetzte auch auf den PPP von Mitarbeitern anderer Konzerngesellschaften ein.
Der Betriebsrat hat in dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren Auskunftsansprüche über die Einflussnahme der Arbeitgeberin auf die Zuteilung der Stock Options und Deffered Stock geltend gemacht.
Er hat erstinstanzlich sinngemäß beantragt
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1. |
die Arbeitgeberin zu verpflichten, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen, für welche Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen - mit Ausnahme der leitenden Angestellten - in dem von ihr als Betriebsführungsgesellschaft geführten Werk R von der Muttergesellschaft der Arbeitgeberin, der T, die Gewährung von Deferred Stock und/oder Stock Options in welchem Umfang in den Jahren 2010 bis 2012 sowie in den künftigen Jahren vorgegeben wurde/vorgegeben wird, |
2. |
die Arbeitgeberin zu verpflichten, dem Antragsteller schriftlich oder in elektronischer Form Auskunft darüber zu erteilen, inwieweit bei der von der Muttergesellschaft T vorgegebenen Vergabe von Stock Options und Deferred Stock abweichende Vorschläge vom jeweiligen Vorgesetzten unterbreitet wurden und wie diese abweichenden Vorschläge begründet wurden, für die Jahre 2010 bis einschließlich 2012 sowie für die künftigen Jahre, |
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3. |
die Arbeitgeberin zu verpflichten, dem Antragsteller Auskunft zu erteilen, inwieweit bei der Muttergesellschaft T den abweichenden Vorschlägen der jeweiligen Vorgesetzten gefolgt wurde, für die Jahre 2010 bis 2012 sowie für die künftigen Jahre. |
Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Hiergegen hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt und in der Beschwerdebegründung Anträge formuliert. Nach der über den Termin zur Anhörung der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz vom 11. Dezember 2013 gefertigten Sitzungsniederschrift sind die Beteiligten erschienen und erörterten die Sach- und Rechtslage. Auf Vorschlag des Gerichts schlossen die Beteiligten einen „Widerrufsvergleich“. Nach dessen Widerruf durch den Betriebsrat hat das Landesarbeitsgericht mit am 9. April 2014 verkündetem Beschluss der Beschwerde weitgehend stattgegeben und die Arbeitgeberin zu näher bezeichneten Auskunftserteilungen verpflichtet. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Sie rügt ua. die unterbliebene Antragstellung des Betriebsrats in der Beschwerdeinstanz. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht. Dieses hat rechtsfehlerhaft eine Sachentscheidung getroffen. Eine solche war ihm mangels Antragstellung des beschwerdeführenden Betriebsrats verwehrt. Soweit das Landesarbeitsgericht gleichwohl die Arbeitgeberin zur Erteilung von Auskünften im tenorierten Umfang verpflichtet hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen. Das hat der Senat auch ohne eine hierauf gestützte Verfahrensrüge von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. zuletzt BAG 26. Januar 2016 - 1 ABR 13/14 - Rn. 28). Der Senat kann keine eigene Sachentscheidung treffen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der Sache entschieden.
1. Das Gericht ist nach dem auch im Beschlussverfahren geltenden § 308 Abs. 1 ZPO nicht befugt, dem Antragsteller etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist (vgl. BAG 17. März 2015 - 1 ABR 49/13 - Rn. 9). Das Antragserfordernis trägt der Notwendigkeit Rechnung, den Gegenstand des Verfahrens konkret zu bestimmen. Diesem Erfordernis ist nicht durch eine bloße streitige Erörterung der Sach- und Rechtslage genügt. Bereits aus Gründen der prozessualen Klarheit und der Notwendigkeit, die Sachentscheidungsbefugnis des Gerichts näher zu bestimmen, bedarf es einer konkreten, auf die Sachentscheidung des Gerichts ausgerichteten Antragstellung (vgl. zum Berufungsverfahren BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 121/04 - zu II 1 der Gründe mwN). Auch in einem Beschlussverfahren ist der Antragsteller - im Gegensatz zu anderen Beteiligten - grundsätzlich gehalten, einen Antrag zu stellen (vgl. BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 59/06 - Rn. 16, BAGE 124, 175). Des Weiteren unterliegen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 87 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 528, 308 ZPO nur die Beschwerdeanträge der Prüfung und Entscheidung des Beschwerdegerichts. Der Beschluss des ersten Rechtszugs darf nur insoweit abgeändert werden, wie eine Abänderung beantragt ist.
2. Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 525, § 137 Abs. 1 ZPO wird die mündliche Anhörung der Beteiligten vor der Beschwerdekammer mit dem Stellen der Anträge eingeleitet. Für dessen Form gilt § 297 ZPO. Formmängel bei der Antragstellung sind gemäß § 295 ZPO heilbar; nicht jedoch der Mangel der Erhebung des Antrags „an sich“ (Thomas/Putzo/Reichold ZPO 37. Aufl. § 297 Rn. 3). Ausnahmsweise kann die Annahme einer konkludenten Antragstellung in Betracht kommen (dazu BAG 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 20 f., BAGE 127, 329). Eine § 297 ZPO entsprechende Antragstellung scheidet aus, wenn der Antragsteller im Anhörungstermin nicht erscheint. Sind die Voraussetzungen des § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG erfüllt, kann über den in der Antragsschrift - in der Beschwerdeinstanz nach § 90 Abs. 2, § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG über den in der Rechtsmittelschrift verfassten - Antrag verhandelt und entschieden werden (vgl. GMP/Matthes/Spinner ArbGG 8. Aufl. § 83 Rn. 106). Die Vorschrift des § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG betrifft aber nur den besonderen Fall des auf Ladung unentschuldigten Ausbleibens eines Beteiligten (des Antragstellers), dem nur das bewusste Absehen von einer Antragstellung bei Erscheinen des Antragstellers gleichsteht.
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen durfte das Landesarbeitsgericht keine Sachentscheidung treffen. Der Betriebsrat als Antragsteller und Beschwerdeführer hatte - wie er in seiner Stellungnahme zur Rechtsbeschwerdebegründung der Arbeitgeberin selbst angibt - in dem anberaumten Anhörungstermin, auf den der angefochtene Beschluss ergangen ist, keine Anträge gestellt. Auch von einer konkludenten Antragstellung kann nicht ausgegangen werden. Der Betriebsrat hatte nach dem Anhörungstermin vom 11. Dezember 2013 in dem Schriftsatz, in dem er den Vergleich widerrufen hatte, die Anordnung des schriftlichen Verfahrens angeregt und ausdrücklich „für diesen Fall“ seine Anträge aus der Beschwerdeschrift wiederholt. Das Landesarbeitsgericht ist der Anregung nicht gefolgt, sondern hat Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt und „auf die Anhörung der Beteiligten am 11.12.2013“ entschieden. Ein Fall des § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG lag nicht vor, denn der Betriebsrat war in dem Anhörungstermin erschienen und hat auch nicht etwa bewusst von einer Antragstellung abgesehen.
4. Der Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nicht dadurch geheilt werden, dass - wie hier vom Betriebsrat begehrt - die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt wird, da dies eine in der Rechtsbeschwerdeinstanz unzulässige Antragsänderung oder -erweiterung ermöglichen würde (vgl. BAG 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 23, BAGE 127, 329).
II. Die Beschwerdeentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat wegen der mangelnden Antragstellung im Beschwerdeverfahren verwehrt.
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Schmidt |
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Treber |
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K. Schmidt |
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