Bundesarbeitsgericht

Entscheidungsdatum: 28.03.2017


BAG 28.03.2017 - 1 ABR 25/15

Mitbestimmung beim Gesundheitsschutz - Einigungsstelle - Vorliegen einer Gefährdung


Gericht:
Bundesarbeitsgericht
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
28.03.2017
Aktenzeichen:
1 ABR 25/15
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2017:280317.B.1ABR25.15.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend ArbG Berlin, 27. Mai 2014, Az: 34 BV 1743/14, Beschlussvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 25. März 2015, Az: 23 TaBV 1448/14, Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG knüpft bei § 3 Abs. 1 ArbSchG an das Vorliegen von Gefährdungen an, die entweder feststehen oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festzustellen sind.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. März 2015 - 23 TaBV 1448/14 - wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass die Unwirksamkeit des gesamten Teilspruchs der Einigungsstelle Arbeits- und Gesundheitsschutz vom 16. Januar 2014 „Akute Maßnahmen des Gesundheitsschutzes“ festgestellt ist.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Teilspruchs einer Einigungsstelle.

2

Die Arbeitgeberin ist ein Textilhandelsunternehmen. In ihrer Filiale im B ist der zu 2. beteiligte Betriebsrat gewählt. Mit diesem einigte sie sich auf die Bildung einer Einigungsstelle zur umfassenden Erledigung aller Themen des Gesundheitsschutzes.

3

Durch Teilspruch der Einigungsstelle vom 16. Januar 2014 kam es zu einer „Betriebsvereinbarung über akute Maßnahmen des Gesundheitsschutzes“ (BV) mit folgendem Inhalt:

        

1.    

Einarbeitung

        

(1)     

Nach Rückkehr von Beschäftigten nach Abwesenheiten von einer Woche oder mehr sind diese von einer Führungskraft bei Wiederaufnahme ihrer Arbeit über etwaige Neuerungen oder Veränderungen in der Abteilung und der Filiale zu informieren. Die Information umfasst je nach Anfall Veränderungen z.B. bezüglich Inventur- und Sicherheitsprioritäten, Kassenroutinen, Rabatt- und andere Aktionen, Kampagnen, nicht gespeicherte Preisreduzierungen, Brandschutz und Sicherheit und welche Bedeutung diese Veränderungen für die Beschäftigten haben. In der Zeit der Unterweisung sind die Führungskraft und die Beschäftigten von anderen Aufgaben freizustellen.

        

(2)     

Neu eingestellte Beschäftigte erhalten bei der Aufnahme ihrer Arbeit am ersten Tag eine Information und Einarbeitung von dafür geschulten Personen (z.B. Patenverkäufer), mindestens im Umfang von Absatz 1. Die Patenverkäufer, die die neuen Beschäftigten einarbeiten, sind während der Einarbeitung so einzusetzen, dass sie diese ohne überobligatorische Inanspruchnahme durchführen können.

        

(3)     

Sogenannte Unterstützer (tageweise Einstellung) aus anderen Betrieben des Unternehmens erhalten zu Beginn ihrer Tätigkeit in der hiesigen Filiale einen Sicherheitsrundgang sowie eine Unterweisung in die betriebsüblichen Abläufe und Ansprechpartner (z.B. Führungskräfte, Pausenzeiten, Räumlichkeiten, relevante Regelungen in Betriebsvereinbarungen). Die Zeit für diese Unterweisung ist bei der konkreten Tagesplanung zu berücksichtigen.

        

2.    

Stehende Tätigkeiten

        

(1)     

Mitarbeiter dürfen maximal 4 Stunden pro Schicht eine stehende Tätigkeit ausführen. Die Arbeit an der Kasse, bei der Anprobe sowie am Lagertisch ist so zu organisieren, dass eine Rotation zwischen Steharbeit und bewegender Arbeit stattfindet.

        

(2)     

In den in Absatz 1 genannten Bereichen hat jeweils mindestens eine Stehhilfe mit drehbarem Sitz und Sitzneigeverstellung mit einer Höhenverstellbarkeit mittels Gasfeder mindestens im Bereich von 620 - 890 mm und mit Bodengleitern versehenen Füßen für die dort eingesetzten Beschäftigten zur Verfügung zu stehen. Für das Lager und die Kassenblöcke ist jeweils mindestens eine weitere Stehhilfe zur Verfügung zu stellen.

        

3.    

Arbeiten im Dekoraum und in den Schaufenstern

        

(1)     

Für den Transport von Torsen und Vollfiguren ist ein Hubplattformwagen Doppelschere mit mindestens zwei Lenkrädern und Stoppfunktion sowie einer Hubhöhe mindestens bis 1200 mm und einer Anhebung mindestens durch ein Pumppedal einzusetzen.

        

(2)     

Auf jeder Etage ist für Visual Merchandiser ein rollender Werkzeugkasten mit einer Griffhöhe von ca. 82 cm (beispielsweise der Firma Stanley 1-92-279 Rollende Werkstatt) zur Verfügung zu stellen. Dieser darf auch in den Schaufenstern und im Verkauf benutzt werden.

        

(3)     

Während der Arbeiten in den Schaufenstern darf die Lufttemperatur 19°C nicht unter- und 26°C nicht überschreiten. Kann diese Temperatur trotz des Einsatzes von Heiz- und Kühlgeräten nicht erreicht werden, haben die Betriebsparteien weitere Maßnahmen anhand einer angepassten Gefährdungsbeurteilung nach Ziffer 4.4 der ASR 3.5 festzulegen.

        

(4)     

Der Dekoraum ist mit einem mindestens im Bereich 680 mm bis 1180 mm elektrisch höhenverstellbaren Arbeitstisch mit den Maßen 1200 mm x 800 mm sowie zwei ergonomischen Büroschreibtischstühlen auszustatten. Zusätzlich ist eine Stehhilfe bereitzustellen.

        

(5)     

Sofern Mitarbeiter zur Lackierung oder Bemalung von Dekomaterial eingesetzt werden, sind geeignete Schutzmaßnahmen im Sinne des § 4 ArbSchG zu ergreifen.

        

4.    

Maßnahmen im Verkaufsraum/Lager

        

(1)     

Die Servicestangen müssen höhenverstellbar sein.

        

(2)     

Sofern die Telefongeräte über eine „Silent Ring“-Funktion (Klingeltonunterdrückung) verfügen, ist diese an den Kassenarbeitsplätzen und im Lager zu aktivieren und in dieser Aktivstellung zu belassen.

        

(3)     

An allen Kassentresen besteht die Möglichkeit einer Lautsprecherdurchsage mittels eines Mikrofons oder des Telefons.

        

(4)     

In den Pausenräumen sind Lautsprecherdurchsagen auf Notdurchsagen zu beschränken. Dies gilt auch für Centerdurchsagen.

        

5.    

Maßnahmen im Büro der Storecontroller (SC)

        

(1)     

Das SC-Büro ist mit einem mindestens im Bereich 680 mm bis 1180 mm elektrisch höhenverstellbaren Arbeitstisch mit den Maßen 1200 mm x 800 mm sowie zwei ergonomischen Büroschreibtischstühlen auszustatten.

        

(2)     

Der Raum unter dem Tisch muss ausreichend Beinfreiheit ermöglichen.

        

(3)     

Kabel sind mittels eines Kabelkanals zu sichern.

        

(4)     

Im SC-Büro ist ein geräuscharmer Computer (Standardgeräuschpegel am Gerät höchstens 23 dB(A) im Leerlauf) einzusetzen.

        

(5)     

Die Tür zum Store Controller Büro hat immer offen zu sein (im Sinne von „nicht abgeschlossen“). Nur beim Öffnen des Tresors darf die Tür verriegelt werden. Dabei müssen dann mindestens zwei Mitarbeiter im SC-Büro anwesend sein.

        

(6)     

Die Tätigkeit der Kassenverantwortlichen ist so zu organisieren, dass die tägliche Arbeit an den Bildschirmgeräten regelmäßig durch Arbeiten ohne Bildschirmgerät unterbrochen wird.

        

(7)     

Der Bildschirm muss frei von störenden Reflexionen und Blendung sein. Er muss frei, leicht drehbar und neigbar sein.

        

(8)     

Die Tastatur muss eine reflexionsarme Oberfläche haben.

        

(9)     

Die Kassenverantwortlichen (Haupt SC, erste und zweite Stellvertretung) sind für den Gebrauch des genutzten Computerprogramms zu unterweisen, wobei die Unterweisung auch eine Beherrschung der englischen Begrifflichkeiten der Software beinhaltet.“

4

Der vom Einigungsstellenvorsitzenden unterzeichnete Teilspruch wurde der Arbeitgeberin am 23. Januar 2014 zugeleitet. Mit ihrer am 6. Februar 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift wendet sie sich gegen dessen Wirksamkeit. Die Regelungen seien nicht von der Zuständigkeit der Einigungsstelle gedeckt. Da in ihrem Betrieb keine unmittelbaren Gesundheitsgefahren bestünden, eröffneten auch arbeitsschutzrechtliche Generalklauseln wie etwa § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG keine zwingende Mitbestimmung.

5

Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass der Teilspruch II der Einigungsstelle „Arbeits- und Gesundheitsschutz“ mit dem Titel „Akute Maßnahmen des Gesundheitsschutzes“ vom 16. Januar 2014 unwirksam ist.

6

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, mit den in der BV getroffenen Regelungen seien jeweils näher genannte Rahmenvorschriften iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ausgefüllt und im Hinblick auf die betrieblichen Verhältnisse konkretisiert worden. Dass es sich hierbei um mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten handele, gebiete nicht zuletzt ein verfassungs- und unionsrechtskonformes Verständnis der betrieblichen Mitbestimmung beim Arbeits- und Gesundheitsschutz. Konkrete Gesundheitsgefahren müssten nicht festgestellt werden. Es genüge bereits eine bloße Gefährdung. Solche habe die Einigungsstelle im Betrieb selbst festgestellt und hierauf die Regelungen in dem streitbefangenen Teilspruch gestützt.

7

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht den Beschluss des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und festgestellt, dass der Teilspruch mit Ausnahme der Regelungen Nr. 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Nr. 4 Abs. 3 und Nr. 5 Abs. 1, letztere unter Wegfall der Worte „sowie zwei ergonomischen Büroschreibtischstühlen“, unwirksam ist. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

8

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Der Teilspruch vom 16. Januar 2014 ist bereits deshalb unwirksam, weil der ihn beschließenden Einigungsstelle angesichts des erteilten Regelungsauftrags keine Spruchkompetenz zukam. Das führt zur Unwirksamkeit der gesamten BV. Ungeachtet dessen hat das Landesarbeitsgericht einer Vielzahl von Regelungen im Ergebnis zu Recht die Wirksamkeit abgesprochen.

9

I. Der Einigungsstelle kam keine Befugnis für den Teilspruch zu. Der ihr erteilte Regelungsauftrag konnte keine entsprechende Spruchkompetenz vermitteln. Bereits dies führt zur Unwirksamkeit der BV.

10

1. Die Errichtung einer Einigungsstelle richtet sich nach § 76 Abs. 2 Satz 1 bis Satz 3 BetrVG. Grundlage hierfür ist in den Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung ein gegenwärtiger Regelungskonflikt der Betriebsparteien (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BetrVG). Die Einigungsstelle besteht aus der gleichen Anzahl von vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellten Beisitzern und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf den sich beide Seiten einigen müssen; bei Nichteinigung erfolgt eine arbeitsgerichtliche Bestellung (§ 76 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 und Satz 3 iVm. § 100 ArbGG). Diese Regelungen sind zwingend (BAG 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 45, BAGE 127, 276).

11

2. Einigungs- oder Bestellungsgegenstand bei der Errichtung einer Einigungsstelle ist auch die Bestimmung des von ihr zu verhandelnden Regelungsgegenstands. Dieser kann weit gefasst werden, was nicht zuletzt dem im Einigungsstellenverfahren angelegten Einigungsvorrang (§ 76 Abs. 3 Satz 3 BetrVG) entspricht. Stets aber muss hinreichend klar sein, über welchen Gegenstand die Einigungsstelle überhaupt verhandeln und ggf. durch Spruch befinden soll. Das ist schon deshalb unerlässlich, weil mit dem Regelungsgegenstand der Zuständigkeitsrahmen der Einigungsstelle abgesteckt wird und nur so der gesetzgeberischen Konzeption genügt werden kann, eine regelungsbedürftige Angelegenheit im Rahmen der gestellten Anträge vollständig zu lösen. Denn ein Einigungsstellenspruch ist auch dann unwirksam, wenn die Einigungsstelle ihrem Regelungsauftrag nicht ausreichend nachkommt und keine abschließende Regelung trifft (BAG 11. Februar 2014 - 1 ABR 72/12 - Rn. 14; 11. Januar 2011 - 1 ABR 104/09 - Rn. 21, BAGE 136, 353). Für das Einigungsstellenverfahren sowie einer gerichtlichen Überprüfung der Zuständigkeit der Einigungsstelle oder ihres Spruchs muss daher erkennbar sein, für welche konkreten Regelungsfragen sie errichtet worden ist.

12

3. Das gilt auch für eine Einigungsstelle zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten im Bereich der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Diesem Mitbestimmungstatbestand ist immanent, dass die Betriebsparteien und damit auch die Einigungsstelle nicht nur Regelungs-, sondern auch Rechtsfragen zu behandeln haben. Der Regelungsauftrag muss aber den gegenständlichen Regelungsbereich ausreichend erkennen lassen, damit die Einigungsstelle beurteilen kann, welcher Auftrag für sie besteht und wann er beendet ist. Insoweit konkretisiert sich der Regelungsauftrag einer im Bereich der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG errichteten Einigungsstelle regelmäßig nach der auszufüllenden Rahmenvorschrift des Arbeits- und Gesundheitsschutzes (zB „Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung“ oder „Regelung zur Unterweisung“) oder den zu gestaltenden Konstellationen (etwa „Regelungen für Storecontroller“).

13

4. Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt die unangegriffene und den Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO bindende Feststellung des Landesarbeitsgerichts über eine Verständigung der Betriebsparteien auf eine Einigungsstelle zur „umfassenden Erledigung aller Themen des Gesundheitsschutzes“ nicht erkennen, welche vorhandenen Regelungskonflikte einer Lösung zugeführt werden sollen und welche Angelegenheiten in der Einigungsstelle überhaupt behandelt werden müssen. Mit ihrer Verständigung haben die Betriebsparteien auf einen „bunten Strauß“ an Maßnahmen abgehoben, ohne dass ersichtlich wäre, ob überhaupt Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen bestehen. Die Einigungsstelle kann daher nicht beurteilen, durch welche Regelungen sie einem solchen Auftrag ausreichend nachgekommen ist.

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Eine andere Beurteilung folgt nicht aus dem Umstand, dass die Einigungsstelle zunächst nur Regelungen zu „Akuten Maßnahmen des Gesundheitsschutzes“ beschlossen hat. Insoweit kann ein gegenwärtiger Regelungskonflikt der Betriebsparteien unterstellt werden. Auch bestehen gegen die Zulässigkeit von Teilsprüchen - jedenfalls bei faktisch abgrenzbaren Regelungssachverhalten eines konkreten Regelungsgegenstandes - keine grundsätzlichen Bedenken. Ebenso mag das im Teilspruch benannte Regelungsthema als ein Bereich des pauschal gefassten Gesamtauftrags und damit als dessen einvernehmliche Beschränkung verstanden werden können (vgl. BAG 11. Februar 2014 - 1 ABR 72/12 - Rn. 16; zur einvernehmlichen Erweiterung des Regelungsauftrags BAG 9. November 2010 - 1 ABR 75/09 - Rn. 21). Der Teilspruch ist aber seinerseits gleichfalls derart konturiert, dass es sich jeglicher Beurteilung entzieht, ob die Einigungsstelle die insoweit regelungsbedürftigen Angelegenheiten einer abschließenden Lösung zugeführt hat.

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5. Der Mangel in der notwendigen Bestimmung des Regelungsauftrags der Einigungsstelle bewirkt die Unwirksamkeit der gesamten BV. An dieser Feststellung ist der Senat nicht deshalb gehindert, weil das Landesarbeitsgericht lediglich die Teilunwirksamkeit des Spruchs festgestellt und hiergegen nur der Betriebsrat Rechtsbeschwerde eingelegt hat. Jedenfalls in den Fällen, in denen die (Un-)Wirksamkeit eines (Teil-)Spruchs einer Einigungsstelle oder einer Betriebsvereinbarung insgesamt verfahrensgegenständlich ist, sind deren gerichtlich festgestellte Teil(un-)wirksamkeiten nur insoweit der Rechtskraft fähig, als es sich um feststellungsfähige Teilrechtsverhältnisse handelt. Ein Feststellungsausspruch, der unzutreffend ein (Teil-)Rechtsverhältnis annimmt, ist in der Rechtsmittelinstanz grundsätzlich auch insoweit klarzustellen, als er zugunsten des Rechtsmittelführers ergangen ist (BAG 8. Dezember 2015 - 1 ABR 2/14 - Rn. 31 ff. mwN, BAGE 153, 318). Dies gilt ebenso, wenn die Annahme der Teil(un-)wirksamkeit auf der rechtsfehlerhaften Behandlung eines Umstands - hier der fehlenden Vermittlung der Spruchkompetenz der Einigungsstelle durch den ihr erteilten Regelungsauftrag - beruht, die eine Gesamtunwirksamkeit des streitbefangenen Regelungswerks bedingt. Diese Rechtsfrage stellt sich bei der Überprüfung einer - auch einer durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommenen - Betriebsvereinbarung durch das Rechtsmittelgericht unabhängig davon, welche ihrer Teile das Instanzgericht für wirksam oder unwirksam erachtet hat.

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II. Darüber hinaus sind zahlreiche Regelungen der BV auch deswegen unwirksam, weil die Einigungsstelle ihre Regelungskompetenz offenkundig überschritten hat oder einen sich aus ihrer Sicht stellenden Regelungsauftrag verfehlt hat.

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1. Der streitbefangene Teilspruch leidet vor allem an dem Mangel, dass die Einigungsstelle eine Vielzahl von Maßnahmen - und hier vor allem die in Nr. 2 bis Nr. 4 BV geregelten - außerhalb des Anwendungsbereichs einer die Mitbestimmung des Betriebsrats auslösenden Rahmenvorschrift beschlossen hat.

18

a) Die Einigungsstelle ist nach § 87 Abs. 2 BetrVG befugt, in den Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 BetrVG eine Regelung zu treffen. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, die Rahmenvorschriften konkretisieren. Es setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und mangels einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Unerheblich ist, ob die Rahmenvorschriften dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dienen (BAG 11. Februar 2014 - 1 ABR 72/12 - Rn. 14).

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b) Hiervon ausgehend scheidet eine Zuständigkeit der Einigungsstelle im Hinblick auf die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten bei der Arbeit (LastenhandhabungsverordnungLasthandhabV) als ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschriften iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG - worauf der Betriebsrat bei Nr. 3 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 und Nr. 4 BV abhebt - von vornherein aus. Nach ihrem § 1 Abs. 1 gilt die LasthandhabV für die manuelle Handhabung von Lasten, die aufgrund ihrer Merkmale oder ungünstiger ergonomischer Bedingungen für die Beschäftigten eine Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit, insbesondere der Lendenwirbelsäule, mit sich bringt. Wann dies der Fall ist, bestimmt sich nach den im Anhang der LasthandhabV aufgeführten Merkmalen. Für deren Erfüllung - und damit für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der LasthandhabV - ist nichts ersichtlich.

20

c) Soweit sich der Betriebsrat bei einer Vielzahl der festgelegten Maßnahmen - etwa bei Nr. 2 Abs. 1 Satz 1, Nr. 3 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 und Nr. 4 Abs. 4 BV - auf § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG als dem Gesundheitsschutz dienende Rahmenvorschrift iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG beruft, übersieht er, dass deren Anwendung zumindest das Vorliegen von Gefährdungen verlangt, die entweder feststehen oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festzustellen sind. Erst in einem solchen Fall lösen sie eine konkrete gesetzliche Handlungspflicht des Arbeitgebers aus, deren Umsetzung einer Mitwirkung des Betriebsrats bedarf.

21

aa) § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG ist eine Vorschrift über den Gesundheitsschutz. Sie legt für den Arbeitgeber in Form einer Generalklausel die umfassende und präventive Handlungspflicht fest, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen (vgl. Pieper ArbSchR 6. Aufl. § 3 ArbSchG Rn. 1a; Kohte in Kollmer/Klindt/Schucht ArbSchG 3. Aufl. § 3 Rn. 15). Allerdings geht der Senat bei sehr weit gefassten Generalklauseln des Gesundheitsschutzes aus gesetzessystematischen Gründen davon aus, das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG könne nicht so umfassend sein, dass anderen auf den Gesundheitsschutz bezogenen Vorschriften (§ 88 Nr. 1 und § 91 BetrVG) der Anwendungsbereich entzogen würde. Dies wäre der Fall, wenn bei solchen Generalklauseln ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG einschränkungslos bejaht würde. Dann verbliebe möglicherweise für freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 Nr. 1 BetrVG und für Verlangen des Betriebsrats nach § 91 BetrVG kein nennenswerter Raum mehr (BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 a bb (2) der Gründe, BAGE 111, 36). Entsprechend ist bereits in den Senatsentscheidungen zum ehemaligen § 120a GewO (BAG 2. April 1996 - 1 ABR 47/95 - BAGE 82, 349) und zu § 2 Abs. 1 VBG 1 (BAG 16. Juni 1998 - 1 ABR 68/97 - BAGE 89, 139) erkannt worden, dass die für die Mitbestimmung vorausgesetzte ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschrift selbst das Mitbestimmungsrecht insoweit „einschränke“, als sie eine „konkrete Gesundheitsgefahr“ verlange.

22

§ 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG setzt jedoch keine konkrete Gesundheitsgefahr, wohl aber das Vorliegen konkreter Gefährdungen iSv. § 5 Abs. 1 ArbSchG voraus (Pieper AuR 2016, 32). Soweit der Senatsentscheidung vom 11. Dezember 2012 (- 1 ABR 81/11 - Rn. 20) Gegenteiliges zu entnehmen sein sollte (so Oberberg RdA 2015, 180, 184), wird hieran nicht festgehalten. Für die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, welche die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beeinflussen, ist eine Gefährdungsbeurteilung iSd. § 5 Abs. 1 ArbSchG unerlässlich. Angemessene und geeignete Schutzmaßnahmen lassen sich erst ergreifen - und des Weiteren auf ihre Wirksamkeit überprüfen - wenn das Gefährdungspotential von Arbeit für die Beschäftigten bekannt ist. Die Grundpflicht des § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG konturiert sich daher anhand einer konkreten Gefährdung. Rechtssystematisch besteht ein Zusammenhang mit der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG, der sich einerseits aus der Verwendung des dem Begriff der „Maßnahmen des Arbeitsschutzes“ beigefügten Attributs „erforderliche“ in § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG ergibt, und andererseits aus § 5 Abs. 1 ArbSchG. Danach ist das Ziel der Gefährdungsbeurteilung die Ermittlung, „welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind“. Aus diesem Zusammenhang mit § 5 ArbSchG folgt der spezifische materiell-rechtliche Gehalt des § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG (Kohte in Kollmer/Klindt/Schucht ArbSchG 3. Aufl. § 3 Rn. 26 f.; HK-ArbSchR/Blume/Faber § 3 ArbSchG Rn. 2). Dies verdeutlicht auch § 3 Abs. 2 ArbSchG. Nach dessen Nr. 1 ist für eine „geeignete“ Organisation zu sorgen und es sind die „erforderlichen“ Mittel bereitzustellen sowie nach Nr. 2 Vorkehrungen zu treffen, dass Maßnahmen „erforderlichenfalls“ bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

23

bb) Vorliegend fehlt es an einer Feststellung konkreter Gefährdungen, an denen die Einigungsstelle die getroffenen Regelungen hätte ausrichten müssen. Diese Beurteilung konnte sie - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht selbst vornehmen. Die Einigungsstelle ist weder die nach § 13 Abs. 1 ArbSchG verantwortliche Person für die Erfüllung der sich ua. aus § 5 ArbSchG ergebenden Pflichten des Arbeitgebers noch können an sie Arbeitsschutzpflichten iSd. § 13 Abs. 2 ArbSchG delegiert werden. Aus diesem Grund verfängt auch die Verfahrensrüge des Betriebsrats nicht, das Landesarbeitsgericht sei dem von ihm angebotenen Beweis nicht nachgegangen, die Einigungsstelle habe sich mit der Gefahren- und Gefährdungssituation im Betrieb befasst.

24

cc) Anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass die BV „akute Maßnahmen des Gesundheitsschutzes“ regelt. Die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bezieht sich nicht auf Regelungen zu „Eilmaßnahmen“ im Sinn einer unverzüglichen Behebung von Gefährdungen oder Gefahren, sondern auf präventiven Gesundheitsschutz. Nach dem Sechsten Abschnitt - Schlussvorschriften - des ArbSchG sind Anordnungen „unaufschiebbarer“ Maßnahmen zudem Sache der zuständigen Behörden.

25

dd) Nach dem Vorstehenden bedarf es keiner von der Rechtsbeschwerde angeführten verfassungs- und unionsrechtskonformen Auslegung des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG als generalklauselartig gefasster Grundpflicht des Arbeitgebers. Eine auf § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG gestützte Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist nicht auf das Vorliegen einer konkreten Gefahrenlage beschränkt. Sie knüpft aber an eine Feststellung konkreter Gefährdungen iSv. § 5 ArbSchG an. Fehlt es daran, ist eine Einigungsstelle daran gehindert, ihren Regelungsauftrag wahrzunehmen.

26

d) Das Erfordernis von feststehenden oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festzustellenden Gefährdungen gilt gleichermaßen für die vom Betriebsrat bei verschiedenen Regelungen der BV herangezogenen Vorschriften der ArbStättV und der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (BetrSichV).

27

aa) Zu den nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmten betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz können die in § 3a ArbStättV festgelegten Verpflichtungen des Arbeitgebers zum Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten ebenso gehören wie die sich aus §§ 4, 5 und 6 BetrSichV ergebenden Pflichten im Zusammenhang mit der Verwendung und Zurverfügungstellung von Arbeitsmitteln. Die Einigungsstelle hat bei der Regelung dieser Angelegenheiten die Erkenntnisse einer durch den Arbeitgeber wahrzunehmenden Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG iVm. § 3 ArbStättV bzw. nach § 3 BetrSichV zu berücksichtigen und die konkreten Festlegungen hieran auszurichten. Dies folgt bereits aus Wortlaut und Systematik der Rahmenvorschriften (ebenso zu § 12 ArbSchG - Unterweisung - als ausfüllungsbedürftiger Rahmenvorschrift BAG 11. Januar 2011 - 1 ABR 104/09 - Rn. 16 ff., BAGE 136, 353). § 3a Abs. 1 Satz 1 ArbStättV setzt bei der Vermeidung und Geringhaltung von „Gefährdungen“ an, deren Beurteilung nach § 3 ArbStättV iVm. § 5 ArbSchG vorgeschrieben ist. Ebenso heben die Grundpflichten des § 4 BetrSichV auf eine Gefährdungsbeurteilung ab, die in Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift ausdrücklich genannt ist. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrSichV müssen die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten und Verwendung gelassenen Arbeitsmittel so gestaltet sein, dass eine „Gefährdung“ durch ihre Verwendung so gering wie möglich gehalten wird. § 6 Abs. 1 Satz 1 BetrSichV, wonach der Arbeitgeber für eine sichere Verwendung der Arbeitsmittel zu sorgen hat und dabei die Grundsätze der Ergonomie beachtet werden, steht in einem Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Satz 3 BetrSichV. Danach ist die Verwendung der Arbeitsmittel so zu gestalten und zu organisieren, dass Belastungen und Fehlbeanspruchungen, die die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten „gefährden“ können, vermieden oder - wenn dies nicht möglich ist - auf ein Mindestmaß reduziert werden. Demnach vermag die Einigungsstelle die Mitbestimmung nur bei einer vorangegangenen Beurteilung der Gefährdungen inhaltlich auszufüllen. Zu dieser Beurteilung ist der Arbeitgeber verpflichtet (vgl. § 3 ArbStättV iVm. § 5 ArbSchG und § 3 BetrSichV), wenngleich der Betriebsrat bei der Umsetzung der Verpflichtung mitzubestimmen hat. Jedenfalls kann sie aber nicht - wie der Betriebsrat meint - an eine Einigungsstelle delegiert oder von ihr selbst wahrgenommen werden.

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bb) Bei den Regelungen zur Lufttemperatur während der Arbeit in den Schaufenstern nach Nr. 3 Abs. 3 BV kommt hinzu, dass § 3a Abs. 1 Satz 1 ArbStättV ergänzt wird durch § 3a Abs. 1 Satz 2 ArbStättV iVm. den jeweils einschlägigen Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), welche vom Ausschuss für Arbeitsstätten ermittelt oder angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 7 ArbStättV im Gemeinsamen Ministerialblatt bekanntgegeben werden. Insoweit konkretisiert die ASR A3.5 - Raumtemperatur - im Rahmen ihres Anwendungsbereichs Anforderungen der ArbStättV. Das hat zur Folge, dass bei ihrer Einhaltung der Arbeitgeber davon ausgehen kann, die entsprechenden Anforderungen der Verordnung zu erfüllen. Wählt er eine andere Lösung, muss diese mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen (§ 3a Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 ArbStättV). Die Arbeitsstättenregelung ASR A3.5 knüpft jedoch - und dies vernachlässigt die Rechtsbeschwerde - ihrerseits bei den Spielräume belassenden Vorgaben an bestimmte Voraussetzungen an; etwa bei der Mindestlufttemperatur in Räumen an die überwiegende Körperhaltung und die Arbeitsschwere (Punkt 4.2 ASR A3.5). Grundlegende Voraussetzung für eine hinreichende Wahrnehmung und Ausfüllung der an sich anzunehmenden Spruchkompetenz der Einigungsstelle ist also auch hier die Beurteilung der Arbeitsbedingungen im Sinn einer Gefährdungsbeurteilung.

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e) Dies gilt ebenso für Maßnahmen nach der Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (Lärm- und Vibrations-ArbeitsschutzverordnungLärmVibrationsArbSchV), auf die sich die Rechtsbeschwerde bei Nr. 4 Abs. 2 BV beruft. Die hinreichende Wahrnehmung des aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 7 LärmVibrationsArbSchV folgenden Mitbestimmung setzt eine vorherige Beurteilung und Feststellung entsprechender Gefährdungen voraus. Dies zeigt schon die besondere Regelung zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 3 LärmVibrationsArbSchV.

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2. Einige der Regelungen sind auch deshalb unwirksam, weil sie von einem Mitbestimmungsrecht nicht gedeckt sind oder es an konkreten Regelungen fehlt.

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a) Das trifft zunächst für Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 sowie Abs. 2 Satz 1 BV zu. Für die Beschäftigtengruppen „nach kurzzeitiger Abwesenheit Rückkehrende“ (Nr. 1 Abs. 1 BV) und „neu Eingestellte“ (Nr. 1 Abs. 2 BV) wird eine Informationspflicht über „etwaige Neuerungen oder Veränderungen in der Abteilung und der Filiale“ festgelegt. Eine so ausgestaltete Mitteilungspflicht schließt die mitbestimmungsfreie Unterrichtung des Arbeitnehmers über seine Aufgaben und Verantwortung, die Art seiner Tätigkeit und ihrer Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs iSd. § 81 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein. Daran ändert auch Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 BV nichts, welche den Informationsinhalt nur beispielhaft konturiert.

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b) In Bezug auf andere Bestimmungen in der BV hat die Einigungsstelle mangels näherer Festlegung einer den Arbeitgeber treffenden Handlungspflicht keine Regelungen getroffen.

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aa) Die Maßgaben in Nr. 1 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BV sind zu unbestimmt, als dass die Einigungsstelle damit überhaupt eine inhaltliche Regelung vorgenommen hätte. Es bleibt völlig unklar, wie die Arbeitgeberin der darin festgelegten Pflicht nachzukommen hat, die Patenverkäufer „während der Einarbeitung“ der neuen Beschäftigten „so einzusetzen, dass sie diese ohne überobligatorische Inanspruchnahme durchführen können“, oder welchen konkreten Inhalt eine Unterweisung der sogenannten Unterstützer „in die betriebsüblichen Abläufe und Ansprechpartner“ - unter Angabe nur beispielhafter Angaben - haben soll. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Unterweisungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 12 Abs. 1 ArbSchG bezieht sich aber gerade darauf, welchen konkreten Inhalt die vorzunehmende Unterweisung für welchen Arbeitsplatz haben soll (vgl. BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 4/03 - zu B III 4 b bb der Gründe, BAGE 111, 48). Mit der festgelegten Gestaltung macht die Einigungsstelle zur Ausfüllung von Rahmenvorschriften iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ihrerseits wieder nur rahmenmäßige Vorgaben. Gleiches gilt, wenn man die Regelung auf ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG stützen wollte. Zudem scheidet eine hierauf gestützte Spruchkompetenz der Einigungsstelle von vornherein aus. Die in Nr. 1 BV getroffenen Regelungen betreffen nicht das mitbestimmte Ordnungsverhalten.

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bb) Unwirksam sind des Weiteren Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 sowie Nr. 5 Abs. 6 bis Abs. 9 BV. Auch hier trifft der Teilspruch keine eigenständigen Regelungen oder die Regelungen bleiben unvollständig und erschöpfen sich in rahmenmäßigen Anordnungen. Die Einigungsstelle genügt ihrem Regelungsauftrag nicht, wenn sie die Festlegung „weiterer Maßnahmen anhand einer angepassten Gefährdungsbeurteilung“ den Betriebsparteien überlässt (Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 BV), oder vorschreibt, beim Einsatz bestimmter Mitarbeiter in einem bestimmten Bereich sind „geeignete Schutzmaßnahmen im Sinne des § 4 ArbSchG zu ergreifen“ (Nr. 3 Abs. 5 BV). Das Gleiche gilt für die vorgesehene „regelmäßige“ Unterbrechung der täglichen Arbeit von Kassenverantwortlichen an Bildschirmgeräten durch Arbeiten ohne Bildschirmgerät (Nr. 5 Abs. 6 BV), oder die für diese Beschäftigten festgelegte Unterweisung für den Gebrauch des genutzten Computerprogramms, die zwar „auch eine Beherrschung der englischen Begrifflichkeiten der Software beinhaltet“, andere Inhalte aber gerade offenlässt (Nr. 5 Abs. 9 BV). Schließlich beschränkt sich die Einigungsstelle hinsichtlich weiterer Regelungsgegenstände auf eine bloße Umformulierung oder gar Wiedergabe normativer Vorgaben - wie Nr. 5 Abs. 6, Abs. 7 und Abs. 8 BV im Hinblick auf Abschnitt 6.1 Abs. 2 und Abs. 4 sowie Abschnitt 6.3 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 des Anhangs der Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV, in der Fassung vom 30. November 2016, vormals geregelt in § 5 und Nr. 6 f. des Anhangs über an Bildschirmarbeitsplätze zu stellende Anforderungen der bis 3. Dezember 2016 geltenden Bildschirmarbeitsverordnung - BildscharbV -) zeigen.

        

  Schmidt   

        

    Richterin am Bundesarbeitsgericht K. Schmidt

ist

an der Unterschriftsleistung verhindert.

Schmidt    

        

    Treber    

        

        

        

    Hayen    

        

  Fritz