Entscheidungsdatum: 17.09.2013
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Oktober 2011 - 20 TaBV 1084/11 - wird zurückgewiesen.
A. Die Beteiligten streiten über den Regelungsauftrag einer Einigungsstelle.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Sicherheitsunternehmen. Antragsteller ist der für den Betrieb United States Embassy (USE) gebildete Betriebsrat.
Bei der Arbeitgeberin besteht seit April 2007 eine Einigungsstelle zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit (Einigungsstelle Arbeitsschutz). Diese Einigungsstelle ist auch mit der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 ArbSchG befasst. Das Einigungsstellenverfahren ist gegenwärtig noch nicht abgeschlossen.
Im Betrieb USE galt seit dem 10. März 2009 eine Betriebsvereinbarung zum Schutz vor Diskriminierung und Ungleichbehandlung sowie zur Förderung respektvollen Zusammenarbeitens und partnerschaftlichen Verhaltens am Arbeitsplatz und im Betrieb. Diese Betriebsvereinbarung kündigte der Betriebsrat mit Schreiben vom 1. April 2009 und verlangte von der Arbeitgeberin den Abschluss einer Folgevereinbarung. Nach seiner Vorstellung sollten in dieser auch konkret benannte Verfahren zur Erfassung psychosozialer Gefährdungsfaktoren am Arbeitsplatz geregelt werden. Die Betriebsparteien verständigten sich auf die Bildung einer weiteren Einigungsstelle (Einigungsstelle Verhaltensgrundsätze). Diese verneinte mit Zwischenbeschluss vom 13. September 2010 wegen des der Einigungsstelle Arbeitsschutz übertragenen Regelungsauftrags eine Zuständigkeit für die vom Betriebsrat begehrte Gefährdungsanalyse.
Der Betriebsrat hat die Unwirksamkeit des Einigungsstellenbeschlusses vom 13. September 2010 geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Durchführung psychosozialer Gefährdungsanalysen sei bereits deshalb Gegenstand der Einigungsstelle Verhaltensgrundsätze, weil die Arbeitgeberin der Einsetzung der Einigungsstelle zu diesem Thema zugestimmt habe. Im Übrigen gehe die Zuständigkeit der Einigungsstelle Verhaltensgrundsätze dem Regelungsauftrag der Einigungsstelle Arbeitsschutz im Wege der Spezialität vor.
Der Betriebsrat hat beantragt
festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 13. September 2010 zum Regelungsgegenstand „Betriebsvereinbarung zum Schutz vor Ungleichbehandlungen, Diskriminierung und Mobbing sowie zur Förderung respektvollen Zusammenarbeitens und partnerschaftlichen Verhaltens am Arbeitsplatz und im Betrieb“ unwirksam ist.
Die Arbeitgeberin hat die Abweisung des Antrags beantragt.
Der Antrag ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Feststellungsbegehren weiter.
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Feststellungsantrag des Betriebsrats zu Recht abgewiesen. Sein Antrag erfüllt auch nach der gebotenen Auslegung nicht die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO.
I. Nach seinem Wortlaut ist der Antrag ausschließlich auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle vom 13. September 2010 gerichtet. Mit diesem Inhalt wäre er unzulässig. Für die begehrte Feststellung fehlte es an den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO, da er kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Gegenstand hat. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung wird durch Einigungsstellenbeschlüsse, mit denen diese ihre Zuständigkeit bejaht oder verneint, kein Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien begründet. Als Entscheidung über eine Rechtsfrage stellen sie keine die Einigung der Betriebsparteien ersetzende und diese bindende Regelung iSd. § 87 Abs. 2 BetrVG dar. Die Zuständigkeit der Einigungsstelle ist abhängig vom Bestehen eines Mitbestimmungsrechts. Nur hierüber können die Gerichte mit Bindungswirkung entscheiden (BAG 31. Mai 2005 - 1 ABR 22/04 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 115, 49). Eine über das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses hinausgehende (fristgebundene) Rechts- und Ermessenskontrolle von Einigungsstellensprüchen ist nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG nur für solche Entscheidungen eröffnet, in denen die Einigungsstelle eine der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegende Angelegenheit abschließend materiell ausgestaltet hat. Auf andere Beschlüsse der Einigungsstelle findet die Vorschrift keine Anwendung. Aus diesem Grund müssen die gegen deren Wirksamkeit gerichteten Feststellungsanträge den Anforderungen des auch im Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO genügen. Dazu sind die Anträge möglichst so auszulegen, dass sie die vom Antragsteller erstrebte Sachentscheidung zulassen (BAG 25. September 2012 - 1 ABR 45/11 - Rn. 12).
II. Trotz der gebotenen Auslegung liegen die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO nicht vor.
1. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag dahingehend verstanden, dass der Betriebsrat die Feststellung begehrt, wonach sich die Betriebsparteien für die Einigungsstelle Verhaltensgrundsätze auf einen Regelungsgegenstand verständigt haben, der auch die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen hinsichtlich psychosozialer Gefährdungsfaktoren miteinschließt. Hierüber streiten die Beteiligten in der Rechtsbeschwerdeinstanz jedoch nicht mehr. Der Betriebsrat wendet sich nicht gegen die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts, wonach zwischen den Betriebsparteien keine Einigung über die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen hinsichtlich psychosozialer Gefährdungsfaktoren sowie den Einsatz darauf bezogener Analyseinstrumente erzielt worden ist.
2. Dem Antrag fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, soweit mit ihm das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts geklärt werden soll. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass im Rahmen der Einigungsstelle Verhaltensgrundsätze Mitbestimmungstatbestände nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG zu beachten sein können.
3. Auch das mögliche Antragsziel des Betriebsrats, dass die Einigungsstelle Verhaltensgrundsätze die von ihm benannten Analyseinstrumente bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen hat, kann nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags nach § 256 Abs. 1 ZPO sein.
a) Ein so verstandener Antrag wäre nicht auf ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis gerichtet.
aa) Ein Rechtsverhältnis ist jede durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Ein Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO muss sich dabei nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Er kann sich auch auf daraus folgende einzelne Beziehungen, Ansprüche oder Verpflichtungen und auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch ebenso wie abstrakte Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags sein. Das liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus, was den Gerichten verwehrt ist (BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 93/09 - Rn. 12, BAGE 136, 334).
bb) Die mit einem solchen Antrag begehrte Feststellung über die Berücksichtigung von bestimmten Analyseinstrumenten ist nur eine Vorfrage für den der Einigungsstelle übertragenen Regelungsauftrag. Sie betrifft keine rechtlichen Beziehungen der Beteiligten, die sich aus einem konkreten Sachverhalt ergeben. Die begehrte Feststellung würde keine gegenwärtigen oder künftigen Rechtsfolgen zwischen den Beteiligten klären und diese entsprechend binden.
b) Daneben bestünde kein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung.
aa) Der Gesetzgeber hat im Interesse einer vereinfachten Konfliktlösung bei einem Streit der Betriebsparteien in mitbestimmungsrechtlichen Regelungsfragen von einer weitgehenden rechtsförmlichen Ausgestaltung des Einigungsstellenverfahrens abgesehen. Anträge auf Errichtung einer Einigungsstelle wegen fehlender Zuständigkeit können nach § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Das Gesetz schreibt lediglich die mündliche Beratung, die Abstimmung durch den Spruchkörper, den Abstimmungsmodus, die schriftliche Niederlegung und die Zuleitung der Beschlüsse vor (§ 76 Abs. 3 BetrVG). Weitere Einzelheiten können die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung regeln (§ 76 Abs. 4 BetrVG). Damit gewährt das Einigungsstellenverfahren der Einigungsstelle im Interesse einer effektiven Schlichtung einen weitgehenden Freiraum (BAG 29. Januar 2002 - 1 ABR 18/01 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 100, 239).
bb) Für eine gerichtliche Entscheidung darüber, ob eine Einigungsstelle gehalten ist, in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit einem bestimmten Regelungsverlangen einer Betriebspartei vollständig oder teilweise nachzukommen, fehlt es regelmäßig an einem Feststellungsinteresse. Die Einigungsstelle ist bei der Erledigung ihres Regelungsauftrags nicht an inhaltliche Vorgaben der Betriebsparteien gebunden. Es ist daher zunächst Aufgabe der Einigungsstelle, für die ihr zugewiesene betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit eine Entscheidung nach billigem Ermessen und unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs sowie der betroffenen Arbeitnehmer zu treffen (§ 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG). Allein diese Entscheidung kann von einer Betriebspartei der gerichtlichen Kontrolle zugeführt und von den Arbeitsgerichten auf etwaige Rechts- oder Ermessensfehler hin überprüft werden. Hierfür ist unerheblich, ob die von der Einigungsstelle angenommenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zutreffend und ihre weiteren Überlegungen frei von Fehlern sind und eine erschöpfende Würdigung aller Umstände zum Inhalt haben (BAG 24. August 2004 - 1 ABR 23/03 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 111, 335).
cc) Danach hat die Einigungsstelle Verhaltensgrundsätze zunächst in eigener Zuständigkeit darüber zu befinden, auf welche Weise sie den ihr übertragenen Regelungsauftrag erfüllt. Vor Abschluss des darauf gerichteten Verfahrens kann der Betriebsrat keine gerichtliche Entscheidung darüber herbeiführen, ob die Einigungsstelle zu Unrecht einem von ihm geäußerten Regelungsbegehren nicht entspricht. Ein so zu verstehender Antrag würde letztlich darauf hinauslaufen, dem Betriebsrat im Sinne eines Rechtsgutachtens die Richtigkeit seiner Rechtsauffassung zu bestätigen. Ein solches Begehren ist kein zulässiges Antragsziel einer Feststellungsklage.
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