SeeArbG (SeeArbG)
Seearbeitsgesetz

Ausfertigungsdatum: 20.04.2013


§ 143 SeeArbG Eingriffsbefugnisse der Berufsgenossenschaft

(1) Zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen im Rahmen der Flaggenstaatkontrolle und der Hafenstaatkontrolle sind die Berufsgenossenschaft und die bei ihr beschäftigten Personen befugt,

1.
Schiffe im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 und Schiffe unter ausländischer Flagge,
2.
Sachverhalte an Land, soweit diese einen unmittelbaren Bezug zu den Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord aufweisen, und
3.
anerkannte Organisationen
zu überprüfen und die erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen gegenüber den nach diesem Gesetz verpflichteten Personen, insbesondere gegenüber Reedern, Besatzungsmitgliedern, Seeleuten, Vermittlern, zugelassenen Ärzten und anerkannten Organisationen, zu treffen, die zur Feststellung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung eines festgestellten Verstoßes oder zur Verhütung eines künftigen Verstoßes, insbesondere in den Fällen des § 129 Absatz 1 oder des § 137 Absatz 1, erforderlich sind. Zu diesen Zwecken können die Berufsgenossenschaft und die bei ihr beschäftigten Personen insbesondere
1.
unangekündigt während der üblichen Geschäfts- und Betriebszeiten an Bord eines Schiffes oder eines Schiffes unter ausländischer Flagge gehen sowie Geschäfts-, Dienst- und Behandlungsräume von Reedern, Vermittlern, zugelassenen Ärzten und anerkannten Organisationen betreten,
2.
zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
a)
die Räumlichkeiten an Bord eines Schiffes oder eines Schiffes unter ausländischer Flagge auch außerhalb der dort genannten Zeiten,
b)
Wohnräume an Bord eines Schiffes oder eines Schiffes unter ausländischer Flagge
betreten; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt,
3.
jederzeit die Hafenanlagen mit Ausnahme der dort gelegenen Räumlichkeiten betreten,
4.
alle ihnen notwendig erscheinenden Prüfungen vornehmen und Feststellungen in Zusammenarbeit mit dem Reeder oder dessen Beauftragten an Bord sowie mit Vermittlern, zugelassenen Ärzten und anerkannten Organisationen treffen,
5.
Einsicht in alle Bücher, insbesondere Seetagebücher, Register, Zeugnisse, Arbeitszeitnachweise, Befähigungszeugnisse, und sonstigen Unterlagen, ausgenommen Krankenunterlagen, nehmen,
6.
alle Auskünfte verlangen, die zur Erfüllung der Zwecke nach Satz 1 erforderlich sind.
Die nach diesem Gesetz verpflichteten Personen, insbesondere Reeder, Besatzungsmitglieder, Seeleute, Vermittler, zugelassene Ärzte und anerkannte Organisationen, sind verpflichtet, den mit der Überwachung betrauten Personen die Maßnahmen nach Satz 2 zu ermöglichen und die Maßnahmen zu dulden, die bei der Kontrolle benötigten Arbeitskräfte und Hilfsmittel bereitzustellen sowie auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, Unterlagen vorzulegen oder Auszüge aus elektronischen Dateien auszudrucken und vorzulegen.

(2) Wer nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 3 zur Auskunft verpflichtet ist, kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde.

(3) Wird bei einer Überprüfung festgestellt, dass ein Schiff nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder ein Schiff unter ausländischer Flagge nicht den Anforderungen des § 129 Absatz 1 oder des § 137 Absatz 1 entspricht und

1.
die Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord eine Gefahr für die Sicherheit, die Gesundheit oder den Schutz der Besatzungsmitglieder darstellen oder
2.
die Nichterfüllung eine schwere oder wiederholte Verletzung der Anforderungen nach § 129 Absatz 1 oder § 137 Absatz 1 darstellt,
kann die Berufsgenossenschaft das Auslaufen oder die Weiterfahrt des betroffenen Schiffes untersagen, bis die erforderlichen Maßnahmen getroffen oder der Verstoß beseitigt worden ist. Weigert sich ein Reeder beharrlich oder wiederholt,
1.
für ein in § 130 Absatz 1 bezeichnetes Schiff das vorgeschriebene Seearbeitszeugnis und die Seearbeits-Konformitätserklärung zu beantragen oder
2.
für ein in § 133 Absatz 1 bezeichnetes Fischereifahrzeug das vorgeschriebene Fischereiarbeitszeugnis zu beantragen oder
3.
ein in Satz 1 bezeichnetes Schiff durch die Berufsgenossenschaft überprüfen zu lassen,
kann die Berufsgenossenschaft das Auslaufen oder die Weiterfahrt des betroffenen Schiffes untersagen, bis das jeweils vorgeschriebene Zeugnis erteilt oder das Schiff überprüft worden ist.

(4) Die Berufsgenossenschaft hat eine Bescheinigung eines Vermittlers nach § 26 Absatz 1 Satz 1 oder ein Seearbeitszeugnis nach § 130 Absatz 1 oder § 131 Absatz 1 und 2

1.
zurückzunehmen, wenn bekannt wird, dass die Bescheinigung oder das Zeugnis hätte versagt werden müssen,
2.
zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung nachträglich entfallen sind;
im Übrigen bleiben die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten unberührt. Die Berufsgenossenschaft kann in entsprechender Anwendung des Satzes 1 ein amtlich anerkanntes Seearbeitszeugnis nach § 131 Absatz 3 und eine bereits ausgestellte Seearbeits-Konformitätserklärung für ungültig erklären.

(5) Die Berufsgenossenschaft hat eine nach Absatz 4 aufgehobene oder für ungültig erklärte Urkunde einzuziehen. Der Reeder oder der Vermittler hat der Berufsgenossenschaft eine eingezogene Urkunde der Berufsgenossenschaft auszuhändigen. Mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Aufhebung oder die Ungültigkeit ist die Urkunde zu vernichten.

(6) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Anordnungen der Berufsgenossenschaft nach den Absätzen 1, 3 bis 5 haben keine aufschiebende Wirkung.

(7) Erhält die Berufsgenossenschaft bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz Kenntnis von Tatsachen, die Grund zu der Annahme geben, dass Tatbestände anderer gesetzlicher Regelungen erfüllt sind, die in die Zuständigkeit einer anderen Behörde fallen, so unterrichtet die Berufsgenossenschaft nach Maßgabe des Satzes 2 unverzüglich die für Ermittlungen nach den anderen gesetzlichen Vorschriften zuständige Behörde. Anzugeben sind die Tatsachen sowie Name, Anschrift und Telekommunikationsverbindung des Betroffenen, soweit die Angaben der Berufsgenossenschaft vorliegen und nach ihrer Einschätzung für die Ermittlungen der anderen Behörde erforderlich sind.