Entscheidungsdatum: 16.05.2012
Die Veräußerung gebrauchter Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die der Unternehmer ausschließlich zur Ausführung --nach unmittelbarer Berufung auf Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG-- steuerfreier Umsätze verwendet hat, ist gemäß § 4 Nr. 28 UStG (1999) steuerfrei .
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Aufsteller von Geldspielautomaten selbständig tätig. Er führte in den Streitjahren 2002 bis 2004 Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit aus. Er behandelte diese Umsätze als steuerpflichtig und zog die mit ihrer Ausführung zusammenhängenden Vorsteuerbeträge, u.a. aus der Anschaffung der Geldspielgeräte, ab. Den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2002 bis 2004 stimmte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zu. Sie standen damit Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung --AO--) gleich.
Im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Februar 2005 C-453/02 und C-462/02 --Linneweber und Akritidis-- (Slg. 2005, I-1131, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2005, 194) und der hierzu ergangenen Nachfolgeentscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2005 V R 7/02 (BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617) berief sich der Kläger auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Dementsprechend gab er im Jahr 2006 für die Besteuerungszeiträume ab 1999 geänderte Umsatzsteuererklärungen ab. Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung der Geldspielgeräte machte der Kläger nicht mehr geltend.
Die in den Streitjahren 2002 bis 2004 ausgeführten Umsätze aus dem Verkauf gebrauchter Geldspielgeräte unterwarf der Kläger hingegen weiterhin der Umsatzsteuer. Zugleich berichtigte er den in den geänderten Umsatzsteuererklärungen unterlassenen Vorsteuerabzug nach § 15a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der für die Streitjahre 2002 bis 2004 gültigen Fassung (a.F.) wiederum insoweit, als er die Anschaffung der zwischenzeitlich wieder verkauften gebrauchten Geräte betraf. Daraus ergaben sich folgende Veränderungen:
Streitjahr |
Umsatzsteuer aus der Veräußerung |
Vorsteuerberichtigungsbeträge |
|||
gebrauchter Geldspielgeräte | |||||
2002 |
... € |
./. ... € |
|||
2003 |
... € |
./. ... € |
|||
2004 |
... € |
./. ... € |
Das FA setzte die Umsatzsteuer mit Änderungsbescheiden vom 2. Februar 2006 (2002), 16. Februar 2006 (2003) und 17. Februar 2006 (2004) entsprechend den geänderten Umsatzsteuererklärungen fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb jeweils bestehen.
Nach einer Außenprüfung vertrat das FA hingegen die Ansicht, dass die vom Kläger als steuerpflichtig behandelten Lieferungen gebrauchter Geldspielgeräte entsprechend § 4 Nr. 28 UStG von der Umsatzsteuer befreit seien und ein Vorsteuerabzug aus deren Anschaffung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausscheide. Gleichwohl schulde der Kläger die von ihm in den Rechnungen über den Verkauf der Geräte offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 UStG i.d.F. der Streitjahre 2002 und 2003 bzw. § 14c Abs. 1 UStG i.d.F. des Streitjahres 2004. Dementsprechend änderte das FA mit Bescheiden vom 27. Juni 2006 die Umsatzsteuerbescheide der Streitjahre erneut.
Der hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 8. November 2006 als unbegründet zurückgewiesen.
Die sich anschließende Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, die vom Kläger zu seinen Gunsten begehrte Vorsteuerberichtigung scheide aus, weil sich die Verhältnisse hinsichtlich der Geldspielgeräte durch deren Veräußerung nicht i.S. des § 15a Abs. 1 und 4 UStG a.F. geändert hätten. Der Kläger habe die Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung dieser Geräte nicht geltend gemacht bzw. durch Abgabe geänderter Steuererklärungen vollständig beseitigt. Da er die Geldspielgeräte unter Berufung auf Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG zur Ausführung steuerfreier Ausgangsumsätze verwendet habe, sei er zum Vorsteuerabzug aus der Anschaffung dieser Geräte nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht berechtigt gewesen.
An der Verwendung für steuerfreie Umsätze habe die Veräußerung der Geldspielgeräte nichts geändert. Zwar sei § 4 Nr. 28 UStG dem Wortlaut nach auf die streitigen Lieferungen von gebrauchten Geldspielautomaten nicht anwendbar, da sich die Steuerfreiheit der laufenden Umsätze aus der Verwendung der Geräte nicht aus den Tatbeständen des § 4 Nr. 8 bis 27 UStG ergebe, sondern aus der Berufung des Klägers auf das Unionsrecht. Die Vorschrift sei jedoch analog anzuwenden. Der Gesetzgeber habe in § 4 Nr. 28 UStG eine planwidrige Regelungslücke hinterlassen, indem er den Fall einer Steuerbefreiung, die sich aus der Berufung des Steuerpflichtigen auf die unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie 77/388/EWG ergebe, nicht geregelt habe. Hätte er dies bedacht, hätte er --wie sich aus der Systematik der in nationales Recht umgesetzten unionsrechtlichen Regelungen zur Abzugsfähigkeit von Vorsteuerbeträgen und der parlamentarischen Begründung zu entnehmen sei-- bei der Formulierung der Vorschrift entsprechend Vorsorge getroffen.
Gegen die analoge Anwendung des § 4 Nr. 28 UStG bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie führe nicht zu einer Neuschöpfung oder Erweiterung von Besteuerungstatbeständen, sondern bewirke eine systemkonforme Einschränkung der grundsätzlich steuermindernd wirkenden Vorschriften des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG i.V.m. § 15a UStG.
Auf den Einwand des Klägers, Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG dürfe zu Lasten des Steuerpflichtigen bzw. ohne dessen Berufung auf diese Bestimmung nicht unmittelbar angewendet werden, komme es nicht an. Denn die Steuerbefreiung der streitigen Veräußerungsumsätze folge nicht aus einer unmittelbaren Anwendung einer Richtlinienvorschrift zu Lasten des Klägers, sondern allein aus der entsprechenden Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift.
Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1830 veröffentlicht.
Der Kläger stützt seine vom FG zugelassene Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.
Er macht im Wesentlichen geltend, § 4 Nr. 28 UStG enthalte keine auszufüllende Regelungslücke. Der Wortlaut der Vorschrift deute darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung "nach den Nummern 8 bis 27 steuerfreie Tätigkeit" weitere Umsätze, die nach anderen Vorschriften umsatzsteuerfrei seien, nicht habe erfassen wollen. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, er habe weitere Steuerbefreiungen vergessen.
Auch stehe die Systematik des Gesetzes der Annahme einer Regelungslücke entgegen. § 4 Nr. 28 UStG diene nach der zugrunde liegenden Gesetzesbegründung der Vereinfachung und stelle eine Ausnahme zu der in § 15 Abs. 2 ff., § 15a UStG getroffenen Regelung dar. Die Behandlung des Verkaufs gebrauchter Geldspielautomaten als umsatzsteuerfrei sei für die Hersteller und Automatenaufsteller, die beim Kauf und Verkauf der Geldspielgeräte Abrechnungen mit Umsatzsteuerausweis erstellten, aber nicht vereinfachend.
Der Gesetzgeber habe trotz Kenntnis dessen, dass sich ein Steuerpflichtiger auf die Steuerfreiheit nach Unionsrecht berufen könne, § 4 Nr. 28 UStG unverändert gelassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 8. November 2006 und die Änderungsbescheide vom 27. Juni 2006 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es sei folgewidrig, wenn sich der Kläger einerseits auf die Steuerfreiheit der aus dem Betrieb der Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit erzielten Umsätze nach Unionsrecht berufe und andererseits die Erlöse aus dem Verkauf gebrauchter Geldspielautomaten der Umsatzsteuer unterwerfe. § 4 Nr. 28 UStG sei zwar nicht nach seinem Wortlaut, aber nach seinem Sinngehalt zur Auffüllung einer planwidrigen Regelungslücke entsprechend anzuwenden. Der Gesetzgeber habe einen durch die Berufung auf die Steuerfreiheit nach Unionsrecht hervorgerufenen Bruch des im innerstaatlichen Umsatzsteuerrecht bestehenden geschlossenen Kreises nicht vorhersehen können.
Mit der analogen Anwendung des § 4 Nr. 28 UStG werde kein über den Sinn des Gesetzes verschärfender Tatbestand geschaffen oder ein schutzwürdiges Vertrauen durchbrochen.
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie war daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass beim Verkauf der gebrauchten Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit in den Streitjahren 2002 bis 2004 die Vorsteuer nicht nach § 15a Abs. 1 Satz 1, § 15a Abs. 4 UStG a.F. zu Gunsten des Klägers zu berichtigen ist.
1. Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen.
Eine Änderung der Verhältnisse lag nach § 15a Abs. 4 UStG a.F. auch vor, wenn das noch verwendungsfähige Wirtschaftsgut vor Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraums veräußert wurde und dieser Umsatz anders zu beurteilen war als die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendung.
2. Die Voraussetzungen von § 15a Abs. 1 Satz 1, § 15a Abs. 4 UStG a.F. sind nicht erfüllt.
a) Der Kläger hatte in den Streitjahren 2002 bis 2004 wegen der Absicht, die Eingangsleistungen für --nach nationalem Recht-- steuerpflichtige Ausgangsumsätze zu verwenden, den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten der in den Streitjahren gebraucht veräußerten Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit nach § 15 Abs. 1 und 2 UStG im Anschaffungszeitpunkt zunächst zu Recht in Anspruch genommen. Die Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit waren nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG in der bis zum 5. Mai 2006 geltenden Fassung steuerpflichtig.
b) Die Berufung des Klägers auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung im Jahr 2006 für die Besteuerungszeiträume ab 1999 im Nachgang zu der Entscheidung des EuGH --Linneweber und Akritidis-- (Slg. 2005, I-1131, UR 2005, 194) und der hierzu ergangenen Nachfolgeentscheidung des BFH (Urteil in BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617) führte zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs in den nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO noch offenen Streitjahren 2002 bis 2004. Die Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung der Geldspielgeräte konnte der Kläger --zwischen den Beteiligten unstreitig-- nicht mehr zum Abzug bringen, da aus Aufwendungen für Eingangsleistungen, die in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Ausgangsumsätzen stehen, ein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 und 2 UStG und Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG nicht in Betracht kommt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, unter II.1.b bb; vom 27. Januar 2011 V R 38/09, BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68, unter II.2.b aa, jeweils m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH; vom 15. September 2011 V R 8/11, BFHE 235, 516, BStBl II 2012, 368, unter II.1.b, m.w.N.; Senatsurteil vom 19. Oktober 2011 XI R 16/09, BFHE 235, 532, BStBl II 2012, 371, unter II.1.b bb, m.w.N.).
c) An der Verwendung für nunmehr steuerfreie Ausgangsumsätze hat --wie das FG zutreffend entschied-- die Veräußerung der Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit nichts geändert. Auch der Verkauf der gebrauchten Geräte ist umsatzsteuerfrei.
aa) Die Umsätze aus der Lieferung von Gegenständen waren --soweit hier von Belang-- nach § 4 Nr. 28 UStG steuerfrei, wenn der Unternehmer die gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine nach § 4 Nr. 8 bis 27 UStG steuerfreie Tätigkeit verwendet hatte.
bb) Wie der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 28 UStG zu entnehmen ist, dient "die Regelung ... der Vereinfachung, weil hierdurch in diesen Fällen eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a nicht mehr erforderlich ist" (vgl. Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes --UStG 1979--, BTDrucks 8/1779, 35). Die Vorschrift soll hiernach ein Korrekturverfahren nach § 15a UStG vermeiden, wenn der Unternehmer Gegenstände liefert, die er ausschließlich für eine steuerfreie, den Vorsteuerabzug versagende Tätigkeit verwendet hat. Denn die Unternehmer sollen --so die Gesetzesbegründung weiter-- in diesen Fällen mit der Vorsteuer belastet bleiben, die ihnen von anderen Unternehmern bei dem Erwerb der Gegenstände in Rechnung gestellt worden sind (vgl. Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes --UStG 1979--, BTDrucks 8/1779, 35).
cc) Der Sinn dieser (Vereinfachungs-)Regelung liegt mithin darin, dass bei Erwerb der Gegenstände der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG versagt wurde und eine Veräußerung bzw. ein Eigenverbrauch durch Entnahme ohne die in § 4 Nr. 28 UStG vorgesehene Steuerbefreiung entweder zu einer doppelten Belastung mit Umsatzsteuer oder zu einer Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG führen müsste (vgl. Senatsurteil vom 26. April 1995 XI R 75/94, BFHE 177, 551, BStBl II 1995, 746, unter II.2.b, m.w.N.).
dd) Dies entspricht auch dem Unionsrecht. Nach Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuer u.a. die Lieferungen von Gegenständen, die ausschließlich für eine aufgrund dieses Artikels --wie im Streitfall Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG, auf deren unmittelbaren Anwendung sich der Kläger berufen hatte-- von der Steuer befreite Tätigkeit bestimmt waren, wenn für diese Gegenstände kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden konnte. Nach der Rechtsprechung des EuGH soll die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Lieferung dieser Gegenstände von der Steuer zu befreien, eine Doppelbesteuerung verhindern, die dem Grundsatz der Steuerneutralität zuwiderliefe, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt (vgl. EuGH-Entscheidungen vom 25. Juni 1997 C-45/95 --Kommission/Italien--, Slg. 1997, I-3605, UR 1997, 441, Rz 15; vom 6. Juli 2006 C-18/05 und C-155/05 --Salus und Villa Maria Beatrice Hospital--, Slg. 2006, I-6199, UR 2007, 67, Rz 30; vom 22. Oktober 2009 C-242/08 --Swiss Re Germany Holding--, Slg. 2009, I-10099, UR 2009, 891, Rz 63).
ee) Hiernach sind die streitigen Veräußerungsumsätze nach § 4 Nr. 28 UStG als steuerfrei zu behandeln.
(1) Der Sinn und Zweck des § 4 Nr. 28 UStG gebietet es, Veräußerungsumsätze auch dann steuerfrei zu behandeln, wenn der Abzug der Vorsteuer aus ihren Anschaffungskosten in unmittelbarer Anwendung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen war (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 28 Rz 18).
Zwar waren --was hier allein in Betracht kommt-- nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 UStG a.F. nur die Glücksspielumsätze, "die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, sowie die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind", umsatzsteuerfrei. Der Wortlaut des § 4 Nr. 28 UStG ist jedoch nach Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 UStG "steuerfreie Tätigkeit" als das Betreiben (die Tätigkeit) von steuerfreiem Glücksspiel zu verstehen ist. Hierbei ist es vom Gesetzeszweck des § 4 Nr. 28 UStG her geboten, die Anwendung nicht nur auf nach nationalem Umsatzsteuerrecht steuerfreie Glücksspieltätigkeiten zu beschränken, sondern auch solche Tätigkeiten einzubeziehen, die nach unmittelbarerer Berufung des Steuerpflichtigen auf das Unionsrecht --wie im Streitfall Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG-- steuerfrei sind.
(2) Der Auffassung des Klägers, § 4 Nr. 28 UStG erfasse --entsprechend seinem Wortlaut-- nur die Lieferung von Gegenständen, die der Unternehmer ausschließlich "für eine nach den Nummern 8 bis 27 steuerfreie Tätigkeit" verwendet hat, so dass die Vorschrift nur anwendbar sei, wenn eine dieser Steuerbefreiungsvorschriften (tatsächlich) eingreife, vermag der Senat nicht zu folgen.
Durch die Bezugnahme auf § 4 Nr. 8 bis 27 UStG hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass § 4 Nr. 28 UStG die (entgeltlichen) Lieferungen von Gegenständen erfasst, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen ist (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 4 Nr. 28 Rz 2). Dieser Ausschluss vom Vorsteuerabzug tritt --wie dargelegt-- auch dann ein, wenn sich ein Steuerpflichtiger für Umsätze, die nach den Vorgaben des Unionsrechts (an sich) gemäß § 4 Nr. 9 UStG steuerbefreit sein müssten, auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach der entsprechenden Bestimmung in Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG berufen hat.
Die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 28 UStG in Fällen dieser Art läuft damit entgegen der Auffassung des Klägers nicht der Systematik des UStG zuwider, sondern wird nach dem vom Gesetzgeber angestrebten Zweck der Vorschrift von dieser Systematik geradezu gefordert.
Soweit der Kläger schließlich geltend macht, die Möglichkeit, dass Bürger sich unmittelbar auf eine Richtlinie der Europäischen Union berufen könnten, sei mindestens seit 1982 bekannt, der Gesetzgeber habe das UStG seitdem viele Male geändert --nicht aber § 4 Nr. 28 UStG--, folgt daraus schon deshalb kein anderes Ergebnis, weil erstmals 2005 --nach den Streitjahren 2002 bis 2004-- durch das EuGH-Urteil --Linneweber und Akritidis-- in Slg. 2005, I-1131, UR 2005, 194 geklärt wurde, dass sich ein Automatenaufsteller auf die Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG berufen kann (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 2006 V R 51/05, BFHE 216, 350, BStBl II 2007, 433, unter II.2.c bb).
(3) Diese Auslegung entspricht auch dem Gebot richtlinienkonformer Auslegung.
(a) Die Rechtsprechung ist sowohl nach nationalem (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. April 2010 IV R 5/08, BFHE 229, 524, BStBl II 2010, 912, unter II.2.b bb, m.w.N.) als auch nach Unionsrecht (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 27. November 2003 C-497/01 --Zita Modes--, Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 34, m.w.N.) verpflichtet, den Sinn und Zweck einer Norm unter Berücksichtigung ihrer Einordnung in das Gesetz und damit ihres systematisch-teleologischen Zusammenhangs zu ermitteln. Ein Gericht hat sich bei der Auslegung des nationalen Umsatzsteuerrechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen auszurichten (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 11. Juli 2002 C-62/00 --Marks & Spencer--, Slg. 2002, I-6325, UR 2002, 436, Rz 24, m.w.N.).
(b) Die hiernach gebotene richtlinienkonforme Auslegung kommt allerdings nur in Betracht, wenn es im konkreten Fall verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gibt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, unter II.3.b; vom 22. Januar 2004 V R 41/02, BFHE 204, 371, BStBl II 2004, 757, unter II.1.; Senatsurteil vom 15. Februar 2012 XI R 24/09, BFHE 236, 267, unter II.2.a; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 246, m.w.N.). Lässt der Gesetzestext --wie hier § 4 Nr. 28 i.V.m. § 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 UStG a.F.-- mehrere Auslegungen zu und ist nur eine mit dem Unionsrecht vereinbar, so ist --wie bei der verfassungskonformen Auslegung im Hinblick auf das Grundgesetz-- der Auslegung der Vorzug zu geben, nach der die Norm nicht als unionsrechtswidrig einzustufen ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 8. September 2010 XI R 40/08, BFHE 231, 343, BStBl II 2011, 661, unter II.4.; vom 29. Juni 2011 XI R 15/10, BFHE 233, 470, BStBl II 2011, 839, unter II.2.; in BFHE 236, 267, unter II.2.b; zur verfassungskonformen Auslegung vgl. Klein/Gersch, AO, 11. Aufl., § 4 Rz 33, m.w.N.).
(c) Nach vorgenannten Grundsätzen ist § 4 Nr. 28 UStG richtlinienkonform --wie auch nach Sinn und Zweck-- im Lichte des Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG dahingehend auszulegen, dass die Veräußerung gebrauchter Geldspielgeräte steuerfrei ist, wenn der Abzug der Vorsteuer aus ihren Anschaffungskosten --wie hier-- in unmittelbarer Anwendung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen war.