Entscheidungsdatum: 11.09.2013
NV: Gegen einen ordnungsgemäß geladenen, aber nicht erschienenen Zeugen darf ein Ordnungsgeld auch dann festgesetzt werden, wenn es der Zeugenaussage infolge Verfahrensbeendigung nicht mehr bedurfte .
I. Das Finanzgericht (FG) hatte mit Verfügung vom 10. Mai 2012 den Beschwerdeführer als Zeugen zu dem auf den 28. Juni 2012 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung geladen. Zu diesem Termin erschien der Beschwerdeführer nicht. Er teilte dem Einzelrichter am Terminstag fernmündlich mit, er habe das Gerichtsgebäude erfolglos in X (dem Sitz des Finanzamts) gesucht.
In dem Termin zur mündlichen Verhandlung erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom selben Tage setzte das FG gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 € fest. Zur Begründung führte es aus, der Wegfall der Notwendigkeit der Beweiserhebung beseitige weder die in § 380 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) normierte Pflicht, gegen einen nicht erschienenen Zeugen ein Ordnungsgeld zu verhängen, noch habe er Einfluss auf die Höhe des Ordnungsgeldes, die sich nach der ursprünglichen Bedeutung der Aussage für die Entscheidung, der Schwere der Pflichtverletzung und dem Ausmaß des durch das Ausbleiben des Zeugen verursachten zusätzlichen Zeitaufwands richte. Das Nichterscheinen des Beschwerdeführers und die damit verbleibenden tatsächlichen Unsicherheiten hätten einen erheblichen Grund für die Einigungsbereitschaft der Beteiligten dargestellt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer trägt vor, sein Nichterscheinen sei i.S. des § 381 Abs. 1 ZPO entschuldigt. Er habe im Kurzrubrum "Finanzamt X" gelesen und sei davon ausgegangen, dass es sich um eine Ladung zum "Finanzgericht X" handele. Es dürfe als unglücklich bezeichnet werden, dass in den fett gedruckten Zeilen der Ladungsschrift nicht auch die Adresse des Gerichts in Cottbus angegeben werde. Selbst wenn aber das Ordnungsgeld dem Grunde nach gerechtfertigt wäre, sei es mit 500 € zu hoch angesetzt. In Fällen der Verfahrenserledigung solle die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ganz unterbleiben, wenn das Verschulden des Zeugen gering ist.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde ist teilweise begründet. Sie führt zur Herabsetzung des gegen den Beschwerdeführer festgesetzten Ordnungsgeldes.
1. Die öffentlich-rechtliche Pflicht des ordnungsgemäß geladenen Zeugen, zum Termin zu erscheinen, hat im Falle seines Ausbleibens zur Folge, dass dem Zeugen die dadurch verursachten Kosten auferlegt werden und gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt wird. Diese Maßnahmen sind gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Sie entfallen nur, wenn der Zeuge das Ausbleiben --zumindest nachträglich-- genügend entschuldigt (§ 82 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 381 ZPO).
2. Im Streitfall war das FG befugt, wegen des Ausbleibens des Beschwerdeführers Ordnungsmaßnahmen gegen ihn zu verhängen. Das FG hatte ihn als Zeugen ordnungsgemäß geladen (§ 82 FGO i.V.m. § 377 Abs. 2 ZPO). Dass der Ladung nicht ein förmlicher Beweisbeschluss, sondern lediglich eine Verfügung des Einzelrichters zugrunde lag, ist unschädlich. Nach § 82 FGO i.V.m. § 358 ZPO ist ein Beweisbeschluss nur dann erforderlich, wenn die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren (einen besonderen Termin) erfordert (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 82 Rz 3). Dies war hier nicht der Fall, da die Zeugenvernehmung im Rahmen der mündlichen Verhandlung stattfinden sollte.
3. Die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Gründe für sein Fernbleiben rechtfertigen nicht die vollständige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Die Versäumung eines Termins durch einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen ist nach ständiger Rechtsprechung nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe genügend entschuldigt (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 2002 III B 162/01, BFH/NV 2002, 1335; vom 8. November 2006 VI B 62/06, BFH/NV 2007, 468). Derartige Gründe hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Bei der gebotenen aufmerksamen Lektüre der Ladungsschrift hätte er der Ladung ohne weiteres Folge leisten können und müssen.
Die Aufhebung der Ordnungsgeldfestsetzung ist auch nicht deshalb geboten, weil es aufgrund der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache der Zeugenaussage des Beschwerdeführers nicht mehr bedurfte (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 468; vom 17. März 2011 III B 46/11, BFH/NV 2011, 1004).
4. Indessen ist das vom FG festgesetzte Ordnungsgeld von 500 € zu hoch. Maßgebend für die nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmende Höhe des Ordnungsgeldes, das 5 € bis 1000 € betragen darf (Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch), sind insbesondere die Bedeutung der Rechtssache sowie der Zeugenaussage für die Entscheidung, ferner die Schwere der Pflichtverletzung und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. Juni 1988 X B 41/88, BFHE 153, 310, BStBl II 1988, 838; in BFH/NV 2007, 468, m.w.N.). Von diesen Kriterien hat das FG --neben den tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen Ordnungsgeld festgesetzt werden kann-- lediglich das Fehlen eines Hinderungsgrundes, die ausschlaggebende Bedeutung der erwarteten Zeugenaussage sowie weiter ausgeführt, dass der Festsetzung des Ordnungsgeldes die Beendigung des Verfahrens in der mündlichen Verhandlung durch Einigung der Beteiligten nicht entgegenstehe.
Dies trägt die Festsetzung des Ordnungsgeldes in Höhe von 500 € nicht. Auch ist durch das Ausbleiben des Beschwerdeführers infolge der Hauptsacheerledigung weder für das FG noch für die übrigen Verfahrensbeteiligten ein zusätzlicher Zeitaufwand, etwa für einen neuen Termin zur Beweisaufnahme, entstanden. Andererseits ist das Verschulden des Beschwerdeführers nicht so gering einzuschätzen, dass von einem Ordnungsgeld insgesamt abzusehen wäre (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 4. August 1993 II B 25/93, BFH/NV 1994, 640; in BFH/NV 2007, 468). Der Senat hält deshalb ein Ordnungsgeld von 100 € für angemessen.
5. Eine Aufhebung des Ordnungsgeldes insgesamt --wie im BFH-Beschluss vom 17. September 2012 V B 77/12 (BFHE 238, 330, BStBl II 2013, 28)-- scheidet aus. Dieser Beschluss ist nicht zum Ordnungsgeld gegen einen Zeugen (§ 380 ZPO), sondern gegen einen Beteiligten (§ 80 FGO, § 141 ZPO) ergangen. Diese Unterscheidung ist erheblich, da die Ordnungsmaßnahme gegen einen Zeugen nicht denselben Charakter hat wie diejenige gegen einen Beteiligten.
Die Vorschrift des § 380 ZPO dient dem Zweck der Achtung und Durchsetzbarkeit der den Zeugen treffenden staatsbürgerlichen Pflichten (vgl. BFH-Beschluss vom 7. März 2007 X B 76/06, BFHE 216, 500, BStBl II 2007, 463), wohingegen die Vorschriften des § 80 FGO und des § 141 ZPO auf der Mitwirkungspflicht des Verfahrensbeteiligten beruhen (vgl. hierzu BFH-Beschluss in BFHE 238, 330, BStBl II 2013, 28), der die Verfahrensbeendigung im Übrigen selbst in der Hand hat.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Soweit die Kosten nicht vom Beschwerdeführer zu tragen sind, fallen sie der Staatskasse zur Last (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Januar 1986 IX B 5/85, BFHE 145, 314, BStBl II 1986, 270).