Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 20.07.2011


BFH 20.07.2011 - XI B 108/10

Umsatzsteuerfestsetzung wegen unberechtigten Steuerausweises - teilweises Fehlen von Entscheidungsgründen


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsdatum:
20.07.2011
Aktenzeichen:
XI B 108/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 7. Oktober 2010, Az: 5 K 108/09, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Die Festsetzung von Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 Satz 2 2. Alternative UStG verlangt die (positive) Feststellung, dass eine in einer Rechnung ausgewiesene Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausgeführt wurde. Dafür reicht nicht aus, dass dies "nicht auszuschließen" ist .

2. NV: Hat das FG den vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerabzug im Tatbestand seines Urteils erwähnt, sich dazu aber in den Entscheidungsgründen nicht geäußert, ist das Urteil insoweit nicht mit Gründen versehen .

Gründe

1

Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist in Bezug auf die Streitjahre 1999, 2002 und 2003 begründet; in Bezug auf das Streitjahr 1997 ist sie unbegründet.

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1. Soweit die Beschwerde die Streitjahre 1999, 2002 und 2003 betrifft, führt sie zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht (FG). Der Kläger macht insoweit zu Recht sinngemäß als Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend, das Urteil sei (teilweise) nicht i.S. von § 119 Nr. 6 FGO mit Gründen versehen. Dieser Verfahrensmangel liegt tatsächlich vor. Die Vorentscheidung beruht auch auf diesem Verfahrensmangel.

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a) Nach § 119 Nr. 6 FGO ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Es reicht aus, wenn die Gründe nur zum Teil fehlen und das Gericht ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das für sich allein den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bildet, übergangen hat (vgl. die ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. April 2003 X B 105/02, BFH/NV 2003, 1193, unter II.2., m.w.N.; vom 23. September 2009 IX B 52/09, BFH/NV 2010, 220, unter 1.a; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 23 ff.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 119 FGO Rz 359 ff.).

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b) Im Streitfall hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) durch Bescheide vom 17. April 2008 die Umsatzsteuer für 1997 auf 2.850 DM, für 1999 auf 0 DM, für 2002 auf 0 €, für 2003 auf 792 € und für 2004 auf 2.548,80 € festgesetzt. Soweit das FA in diesen Bescheiden Umsatzsteuer festgesetzt hat, geschah dies wegen unberechtigt ausgewiesener Steuerbeträge nach § 14 Abs. 3 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) a.F. bzw. § 14c Abs. 2 Satz 2  2. Alternative UStG.

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Der Kläger hatte mit seiner Klage beantragt, die Umsatzsteuer erklärungsgemäß für 1997 auf 0 DM, für 1999 auf ./. 95 DM, für 2002 auf ./. 8.281,60 €, für 2003 auf ./. 23,20 € und für 2004 auf ./. 31,78 € festzusetzen.

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c) Das FG hat den Umsatzsteuerbescheid für 2004 aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Klageabweisung für die Streitjahre 1997, 1999, 2002 und 2003 hat es in den Entscheidungsgründen seines Urteils nur zu den Steuerfestsetzungen des FA nach § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. bzw. § 14c Abs. 2 Satz 2 2. Alternative UStG in den Streitjahren 1997 und 2003 Stellung genommen und diese für rechtmäßig erachtet.

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Den vom Kläger für die Streitjahre 1999, 2002 und 2003 geltend gemachten Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG --einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG)-- hat das FG im Tatbestand seines Urteils erwähnt, ohne sich dazu aber in den Entscheidungsgründen zu äußern. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil der Kläger für diese Streitjahre jeweils einen Vorsteuererstattungsanspruch und folglich eine negative Steuerfestsetzung begehrt hatte.

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Die vom FG zu § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. bzw. § 14c Abs. 2 Satz 2  2. Alternative UStG gegebene Begründung des FG impliziert nicht, dass dem Kläger demzufolge auch kein Vorsteuerabzug zustand.

9

Das FG hat die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. bzw. des § 14c Abs. 2 Satz 2  2. Alternative UStG mit der Begründung bejaht, das Gericht könne nicht ausschließen, dass den Rechnungen des Klägers lediglich abgerechnete und tatsächlich nicht durchgeführte Leistungen zugrunde gelegen hätten. Die vom FG dafür nachfolgend gegebene Begründung ist ausschließlich auf die einzelnen vom Kläger erteilten Rechnungen bezogen.

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Ihr kann nicht entnommen werden, dass das FG (stillschweigend) den vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt hat, dass der Kläger in den Streitjahren überhaupt keine Umsätze ausgeführt und dies auch nicht beabsichtigt hat und deshalb kein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer war (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss vom 5. Juli 2007 V B 117/06, BFH/NV 2008, 119). Derartiges ergibt sich auch nicht aus den angefochtenen Bescheiden oder der Einspruchsentscheidung. Das FA hat zwar im Klageverfahren vorgetragen, dass der Vorsteuerabzug "mangels Existenz" eines Unternehmens (erst) ab dem 1. August 2000 zu versagen sei. Darauf ist das FG aber in den Entscheidungsgründen nicht eingegangen.

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2. In Bezug auf das Streitjahr 1997 ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet.

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Das FG hat insoweit nicht verfahrensfehlerhaft entschieden. Ein Verstoß gegen § 119 Nr. 6 FGO liegt nicht vor, weil der Kläger für dieses Streitjahr keinen Vorsteuerabzug begehrt hat. Er hat auch keinen sonstigen Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), geltend gemacht.

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3. Bezüglich des Streitjahres 2004 ist das FG-Urteil rechtskräftig. Der Kläger hat innerhalb der Beschwerdefrist (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) nur Beschwerde wegen Umsatzsteuer 1997, 1999, 2002 und 2003 eingelegt (Schriftsatz vom 15. November 2010). Eingangs der Beschwerdebegründung vom 17. Januar 2011 wird zwar auch das Streitjahr 2004 erwähnt. Die Begründung der Beschwerde betrifft aber nicht dieses Streitjahr, weil das FG insoweit Ausführungen zum Vorsteuerabzug gemacht hat (Urteil, S. 8).

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4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2  2. Halbsatz FGO ab.

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5. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg hat, hält der Senat es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

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6. Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

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a) Das FG hat --wie bereits dargelegt-- die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. bzw. des § 14c Abs. 2 Satz 2  2. Alternative UStG mit der Begründung bejaht, das Gericht könne "nicht ausschließen, dass den Rechnungen des Klägers ... lediglich abgerechnete und tatsächlich nicht durchgeführte Leistungen zugrunde lägen". Ferner heißt es am Ende der Entscheidungsgründe, der Kläger habe "demzufolge nicht nachgewiesen, dass er die in den streitbefangenen Rechnungen ... ausgewiesenen Leistungen nicht lediglich zum Schein gestellt hat." Er schulde deshalb die ausgewiesene Umsatzsteuer.

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b) Die Festsetzung von Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. bzw. § 14c Abs. 2 Satz 2  2. Alternative UStG (vgl. dazu BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, m.w.N.) verlangt aber die (positive) Feststellung, dass eine in einer Rechnung ausgewiesene Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausgeführt wurde. Dafür reicht nicht aus, dass dies "nicht auszuschließen" ist.

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Für das Vorliegen der Voraussetzungen der --einen Steueranspruch des FA begründenden-- Vorschrift des § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG a.F. bzw. § 14c Abs. 2 Satz 2  2. Alternative UStG trägt nach allgemeinen Grundsätzen das FA die Feststellungs- und Beweislast (vgl. dazu z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz 83 ff.; Lange in HHSp, § 96 FGO Rz 148 ff., 154 ff.; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 96 Rz 50 ff.).

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7. Die Kostenentscheidung folgt --wegen des Prinzips der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung-- insgesamt aus § 143 Abs. 2 FGO (vgl. dazu z.B. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 143 FGO Rz 15, m.w.N.). Dabei ist unerheblich, ob die Sache durch Urteil nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO oder durch Beschluss nach § 116 Abs. 6 FGO zurückverwiesen wird (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 220).