Entscheidungsdatum: 20.05.2014
1. NV: Auch für die Erhebung einer Anhörungsrüge eines Schwerbehinderten besteht beim BFH Vertretungszwang .
2. NV: Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts setzt die Benennung einer gewissen Anzahl von Vertretungsbefugten voraus, bei denen vergeblich um Übernahme des Mandats ersucht worden ist, hilfsweise, warum dies dem Antragsteller unmöglich gewesen ist .
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Kläger) abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen hat der Kläger, nach seinen Angaben auch handelnd für die Klägerin, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Da sowohl der Vertretungszwang wie auch die entsprechenden Fristen in der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht verfassungsgemäß für Schwerbehinderte ausgestaltet worden seien, habe er diese persönlich einlegen dürfen. Schließlich habe sich das "Steuer- und Finanzwesen in Deutschland" so entwickelt, dass sich keine Bevollmächtigten finden ließen, die sich für Steuerpflichtige einsetzten, wenn es um den Vortrag von verfassungsrechtlichen Problemen vor den Gerichten ginge. Ausdrücklich bat er, die Frist zur Suche eines Bevollmächtigten im Vergleich zum gesetzlich vorgegebenen Maß zu verdoppeln.
Der Senat hat durch Beschluss vom 21. Januar 2014 X B 245/13 die Beschwerde als unzulässig verworfen, da sie nicht durch einen in § 62 Abs. 2 FGO genannten Bevollmächtigten eingelegt worden sei. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger, ausweislich seines Rubrums wiederum auch die Klägerin vertretend, am 5. Februar 2014 die vorliegende Anhörungsrüge erhoben.
Zur Begründung trägt der Kläger sinngemäß vor, der Senat sei nicht auf seine verfassungsrechtlichen Ausführungen in der Beschwerdebegründung eingegangen. Außerdem beantragt er die Zurückverweisung der Sache an den Beklagten, Beschwerdegegner und Rügegegner (Finanzamt).
Mit Schreiben der Geschäftsstelle des Senats vom 18. Februar 2014 ist der Kläger auf den Vertretungszwang im Rügeverfahren hingewiesen worden. Außerdem ist er gebeten worden, die Vertretung der Klägerin durch Vorlage einer Prozessvollmacht nachzuweisen.
II. Die Anhörungsrüge der Kläger ist unzulässig.
1. Die Rüge ist wegen fehlender Vertretungsberechtigung der Kläger unzulässig.
a) Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) muss sich jeder Beteiligte --sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt-- durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten bzw. durch Gesellschaften i.S. des § 3 Nrn. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln, vertreten lassen (§ 62 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO).
Der Vertretungszwang gilt auch für die Erhebung der Anhörungsrüge, wenn für die beanstandete Entscheidung ihrerseits Vertretungszwang galt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27. Januar 2011 V S 31/10, BFH/NV 2011, 838, unter II.2.b, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 14. Februar 2012 X S 1/12, BFH/NV 2012, 1149, unter II.1.a). Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben. Der beanstandete Beschluss vom 21. Januar 2014 X B 245/13 betraf die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG. In einem solchen Fall gilt nach § 62 Abs. 4 FGO der Vertretungszwang.
Im Streitfall ist die Rüge nicht von einer solchen Person oder Gesellschaft eingelegt worden; die Rüge ist daher als unzulässig zu verwerfen.
b) Der vor dem BFH geltende Vertretungszwang greift nicht in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen ein. Nach ständiger Rechtsprechung verstößt er insbesondere nicht gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), denn die Anrufung des BFH wird dadurch weder unzumutbar noch in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise erschwert (BFH-Beschluss vom 21. Juni 1999 VII B 116/99, BFH/NV 1999, 1612, sowie Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 1976 1 BvR 373/76, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1977, 33). Aus diesem Grund liegt auch keine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG vor, dem im Rahmen des Grundrechtsschutzes in gerichtlichen Verfahren lediglich eine Auffangfunktion zukommt. Im Übrigen gehört auch das Prozessrecht zur verfassungsmäßigen Ordnung, die vom Grundrechtsträger bei der Wahrnehmung seines Freiheitsrechtes zu beachten ist.
c) Soweit der Kläger --wie im Beschwerdeverfahren-- darauf abstellt, für ihn als Schwerbehinderten könne dieser Vertretungszwang keine Geltung haben, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Selbst bei Vorliegen besonderer Umstände kommt eine Entbindung vom Vertretungszwang im Einzelfall nicht in Betracht (BFH-Beschluss vom 8. Februar 2008 VII B 256/07, BFH/NV 2008, 968, unter II.3., m.w.N.; Verfassungsbeschwerde durch Beschluss vom 8. Mai 2008 1 BvR 1041/08 nicht zur Entscheidung angenommen). Dies gilt auch im Fall einer Schwerbehinderung des Klägers. Dem darauf gerichteten Begehren des Klägers konnte der Senat daher weder im Beschwerde- noch im Rügeverfahren entsprechen.
2. Selbst wenn man das Begehren des Klägers weitergehend als konkludent gestellte Anträge des Klägers auffassen wollte, ihm und damit mittelbar auch der angeblich von ihm vertretenen Klägerin einen vor dem BFH vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten beizuordnen (§ 155 FGO i.V.m. § 78b Abs. 1 der Zivilprozessordnung), hätten diese Anträge keinen Erfolg. Denn die Begründetheit eines Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts für ein Verfahren vor dem BFH setzt voraus, dass der Antragsteller zumindest eine gewisse Anzahl von Vertretungsbefugten benennt, bei denen er vergeblich um Übernahme des Mandats ersucht hat, hilfsweise, warum ihm dies unmöglich gewesen ist (Senatsbeschluss vom 20. September 2013 X S 32/13, BFH/NV 2014, 57). Vorliegend hat der Kläger nur dargetan, innerhalb der Beschwerdefrist keinen aus seiner Sicht geeigneten Bevollmächtigten gefunden zu haben. Konkrete weitergehende Angaben hat er nicht gemacht. Hinsichtlich der Beauftragung eines Bevollmächtigten zur Erhebung der vorliegenden Rüge fehlt ein solcher Vortrag vollständig.
3. Die Gerichtskosten richten sich nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (GKG) i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23. Juli 2013 --BGBl I 2013, 2586-- (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Die Anhörungsrüge als selbständiges Verfahren der FGO ist eine Rechtsstreitigkeit i.S. des § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Januar 2014 X S 57/13, BFH/NV 2014, 871, m.w.N.), die im vorliegenden Fall nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1. August 2013 anhängig geworden ist. Es fällt eine Festgebühr von 60 € an. Soweit die Kosten das Rügeverfahren der Klägerin betreffen, sind sie dem Kläger als vollmachtslosem Vertreter aufzuerlegen.