Entscheidungsdatum: 17.11.2015
1. NV: Ein leichtfertiges Handeln des Steuerberaters bei der Vorbereitung der Steuererklärung kann dem Steuerpflichtigen steuerrechtlich nicht zugerechnet werden (Anschluss an das BFH-Urteil vom 29. Oktober 2013 VIII R 27/10, BFHE 243, 116, BStBl II 2014, 295) .
2. NV: Ein Steuerpflichtiger ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die von einem Steuerberater vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen. Er darf vielmehr im Regelfall darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereitet, wenn er diesem die für die Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Informationen vollständig verschafft hat .
3. NV: Wenn der Steuerberater aufgrund missverständlicher Bescheinigungen zuverlässiger Stellen dieselben Aufwendungen doppelt in die Einkommensteuererklärung einträgt, handelt ein Steuerpflichtiger, der nicht über eigene Kenntnisse des Einkommensteuerrechts verfügt, bei der Überprüfung der vorbereiteten Steuererklärung nicht leichtfertig, wenn er bei einem Vergleich mit der Steuererklärung des Vorjahres feststellt, dass dieser dieselbe Eintragungssystematik zugrunde lag und sie vom FA nicht beanstandet worden ist .
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 12. November 2013 1 K 1003/12 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 1. Juni 2012, soweit jeweils die Einkommensteuer 2006 betroffen ist, sowie der geänderte Einkommensteuerbescheid 2006 vom 23. Februar 2012 aufgehoben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sowie des Klageverfahrens, soweit es die Einkommensteuer 2006 betrifft, hat der Beklagte zu tragen; im Übrigen tragen die Kläger die Kosten des Klageverfahrens.
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2006 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger erzielte als angestellter Arzt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, ferner Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Die Klägerin war als Arbeitnehmerin tätig.
Der Kläger ist Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Zu den Pflichtbeiträgen, die der Höhe nach denen zur gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen, zahlt der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Regelungen (im Streitjahr § 172 Abs. 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch --SGB VI--; seit 1. Januar 2012 § 172a SGB VI) einen hälftigen Zuschuss.
In der vom Arbeitgeber des Klägers erstellten Lohnsteuerbescheinigung für 2006 waren die Beiträge zur Altersvorsorge --gesondert nach Arbeitnehmeranteil und Arbeitgeberzuschuss-- angegeben. Dass es sich um Beiträge an ein Versorgungswerk handelte, war aus den Lohnsteuerbescheinigungen nicht erkennbar.
Zusätzlich stellte das Versorgungswerk jeweils einen "Jahreskontoausweis" aus. Dieser ist für das Jahr 2006 zwar nicht in den Akten enthalten. Zwischen den Beteiligten ist aber unstreitig, dass in diesem Jahreskontoausweis nur der Gesamtbetrag der Beitragszahlungen an das Versorgungswerk angegeben ist. In der Bescheinigung findet sich kein Hinweis darauf, dass dieser Betrag den Pflichtbeitrag für Arbeitnehmer darstellt und darin ein hälftiger Arbeitgeberzuschuss enthalten ist.
Da der Kläger über den Pflichtbeitrag hinaus keine freiwilligen Mehrzahlungen an das Versorgungswerk geleistet hatte, waren die im Jahreskontoausweis bescheinigten Beiträge mit der Summe der in den Lohnsteuerbescheinigungen aufgeführten Beiträge identisch.
Die Kläger reichten ihre Einkommensteuererklärung für 2006, die durch eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorbereitet worden war, im Jahr 2007 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. In den Zeilen 61 und 65 der dritten Seite des Mantelbogens waren die aus den Lohnsteuerbescheinigungen ersichtlichen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge eingetragen. Zusätzlich war in der Zeile 63 der im Jahreskontoausweis des Versorgungswerks genannte Betrag eingetragen.
Insgesamt erklärten die Kläger die folgenden Altersvorsorgeaufwendungen:
Zeile 61 (Kläger) |
5.148 € |
Zeile 61 (Klägerin) |
1.339 € |
Zeile 63 (Kläger) |
10.296 € |
Zeile 65 (Kläger) |
5.148 € |
Zeile 65 (Klägerin) |
1.338 € |
Die Vordrucke zur Einkommensteuererklärung enthalten zu diesen Zeilen die folgenden Angaben: |
|
- |
Zeile 61: "Beiträge zu gesetzlichen Rentenversicherungen u. zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 23 d. Lohnsteuerbescheinigung (Arbeitnehmeranteil)" |
- |
Zeile 63: "Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen" |
- |
Zeile 65: "Arbeitgeberanteil zu gesetzlichen Rentenversicherungen, Zuschüsse zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 22 der Lohnsteuerbescheinigung" |
Das FA veranlagte die Kläger hinsichtlich der Altersvorsorgeaufwendungen in dem nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen ursprünglichen Bescheid für 2006 vom 1. August 2007 erklärungsgemäß. Dies führte dazu, dass der Gesamtbeitrag des Klägers zum Versorgungswerk doppelt berücksichtigt wurde. Ausgehend von Altersvorsorgeaufwendungen in Höhe von 23.269 € wurde ein Betrag von 7.941 € als Sonderausgaben abgezogen.
Nachdem das FA den Fehler erkannt hatte, erließ es am 23. Februar 2012 den im vorliegenden Verfahren angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2006, den es verfahrensrechtlich auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) stützte. Darin wurden --materiell-rechtlich zutreffend-- Altersvorsorgeaufwendungen in Höhe von 12.973 € angesetzt, die zu einem abziehbaren Betrag von 1.558 € führten.
Einspruch und Klage gegen den Änderungsbescheid blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bejahte sowohl die Voraussetzungen der Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO als auch der infolge einer leichtfertigen Steuerverkürzung verlängerten Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO. Der Kläger habe bei seiner persönlichen Anhörung zwar einerseits angegeben, nicht erkannt zu haben, dass die Beträge doppelt erklärt gewesen seien. Andererseits habe er aber gesagt, ihm sei aufgefallen, dass die Zahl in der Mitte die Summe der beiden anderen Beträge sei. Auf den Vorhalt des nicht zu den geleisteten Beiträgen passenden Texts der Zeile 63 des Formulars habe er erklärt, die Zahlungen seien anstelle von Zahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung geleistet worden. Er habe die Eintragungen des Jahres 2006 mit denen des Jahres 2005 verglichen und keine Abweichungen festgestellt, zumal das FA die Steuererklärung des Jahres 2005 nicht beanstandet habe. Dem Kläger hätte sich aufdrängen müssen, dass durch die doppelte Geltendmachung derselben Angaben eine Steuerverkürzung eintreten werde. Dies sei als leichtfertig anzusehen. Zusätzlich habe auch der Steuerberater leichtfertig gehandelt, weil der vom Versorgungswerk bescheinigte Sachverhalt nicht zu der Erläuterung der Zeile 63 passe.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger, das FG sei von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Oktober 2013 VIII R 27/10 (BFHE 243, 116, BStBl II 2014, 295) abgewichen. Danach begehe ein Steuerberater keine leichtfertige Steuerverkürzung, wenn er die Steuererklärung lediglich vorbereite, aber der Mandant sie unterzeichne und beim FA einreiche. Zudem dürfe der Steuerpflichtige, der seinem Steuerberater die für die Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Informationen vollständig verschaffe, im Regelfall darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereite; er sei dann grundsätzlich nicht verpflichtet, die vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen.
Anders als das FG meint, habe der Kläger nicht zwingend erkennen müssen, dass dieselben Aufwendungen doppelt geltend gemacht worden seien. So werde im Steuererklärungsformular beispielsweise auch der Arbeitgeber-Anteil abgefragt, obwohl dieser den Sonderausgabenabzug nicht erhöhe. Der Kläger habe vor dem FG erklärt, er wisse nicht, wie sich der abziehbare Teil der Altersvorsorgeaufwendungen berechne; dafür habe er einen Steuerberater beauftragt. Er habe die Zahlenangaben in der Steuererklärung mit den ihm vorliegenden Belegen abgestimmt und alle Zahlen wiedergefunden.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2012 aufzuheben, soweit jeweils das Jahr 2006 betroffen ist, und den geänderten Einkommensteuerbescheid 2006 vom 23. Februar 2012 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es ist der Auffassung, der Kläger habe es leichtfertig unterlassen, nochmals mit seinem Steuerberater zu sprechen, nachdem er erkannt hatte, dass der mittlere Betrag die Summe der beiden anderen Beträge darstelle. Die Höhe der zu Zeile 63 ("freiwillige Versicherungen; Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern") eingetragenen Beiträge sei im Verhältnis zum Einkommen der Kläger so erheblich (ca. 10 %), dass ihnen hätte klar sein müssen, derartige Beiträge tatsächlich niemals geleistet zu haben. Nicht erforderlich sei für die Bejahung grober Fahrlässigkeit, dass dem Steuerpflichtigen zusätzlich bewusst sei, wie sich die erklärten Aufwendungen steuerlich letztlich genau auswirkten.
Nach der von den Klägern angeführten Entscheidung des VIII. Senats bestehe nur dann keine Pflicht zur vollständigen Überprüfung der vom Steuerberater vorbereiteten Steuererklärung, wenn der Steuerpflichtige dem Steuerberater die erforderlichen Informationen vollständig verschaffe. Genau daran fehle es hier aber, da die Bescheinigung des Versorgungswerks unvollständig gewesen sei. Den Klägern habe eine Aufklärungspflicht oblegen, da sie allein genaue Kenntnis über ihr Vermögen und dessen Verwendung gehabt hätten. Sie hätten ihren Steuerberater darauf hinweisen müssen, dass sie zusätzlich zu den in der Lohnsteuerbescheinigung angegebenen Beträgen keine weiteren (freiwilligen) Beiträge geleistet haben.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es die Einkommensteuer 2006 betrifft, und in diesem Umfang zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zwar ist zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren zu Recht nicht mehr im Streit, dass die Voraussetzungen der Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt waren. Der angefochtene Änderungsbescheid ist aber unter Verstoß gegen § 169 Abs. 1 Satz 1 AO erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen und deshalb aufzuheben.
1. Gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.
Im Streitfall begann die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2006 mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wurde (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO), hier also mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO); sie lief daher vorliegend am 31. Dezember 2011 ab. Der erst am 23. Februar 2012 ergangene Änderungsbescheid konnte die Festsetzungsfrist daher nicht wahren.
2. Anders als das FG meint, verlängert sich die Festsetzungsfrist im Streitfall nicht gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf fünf Jahre. Es fehlt an der dafür erforderlichen Voraussetzung, dass eine Steuer leichtfertig verkürzt worden ist.
a) Dass ein etwaiges leichtfertiges Handeln des Steuerberaters bei der Vorbereitung der Steuererklärung den Klägern steuerrechtlich nicht zugerechnet werden kann, ist zwischen den Beteiligten im Hinblick auf das --erst nach Ergehen des FG-Urteils veröffentlichte-- BFH-Urteil in BFHE 243, 116, BStBl II 2014, 295 im Revisionsverfahren nicht mehr umstritten. Da auch der erkennende Senat sich den Rechtsgrundsätzen dieser Entscheidung anschließt, bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu dieser Frage.
b) Den Klägern ist aber auch in eigener Person keine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) vorzuhalten. Zwar haben sie den objektiven Tatbestand dieser Ordnungswidrigkeitsnorm verwirklicht, indem sie gegenüber dem FA unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht haben (§ 378 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Es fehlt aber an der Leichtfertigkeit und damit am subjektiven Tatbestand des § 378 AO.
aa) Das FG hat in rechtlicher Hinsicht zu geringe Anforderungen an die Feststellung von Leichtfertigkeit gestellt. Die von ihm festgestellten und herangezogenen Tatsachen tragen seinen Schluss, der Kläger habe leichtfertig gehandelt, daher nicht.
Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, im Gegensatz dazu aber auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt (BFH-Urteile vom 19. Dezember 2002 IV R 37/01, BFHE 200, 495, BStBl II 2003, 385, unter II.2., und in BFHE 243, 116, BStBl II 2014, 295, Rz 30).
Das FG hat nicht festgestellt, dass der als …arzt tätige Kläger über besondere Kenntnisse im Einkommensteuerrecht, insbesondere hinsichtlich der Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben, verfügt. In Ermangelung besonderer persönlicher Fähigkeiten des Klägers im Bereich des Einkommensteuerrechts gilt daher hier ein der groben Fahrlässigkeit angenäherter Leichtfertigkeitsbegriff. Danach handelt leichtfertig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, und dem sich deshalb aufdrängen muss, dass er dadurch Steuern verkürzt (BFH-Urteil vom 24. Juli 2014 V R 44/13, BFHE 246, 207, BStBl II 2014, 955, Rz 15, m.w.N.).
Ein Steuerpflichtiger ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die von einem Steuerberater vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen. Er darf vielmehr im Regelfall darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereitet, wenn er diesem die für die Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Informationen vollständig verschafft hat (BFH-Urteil in BFHE 243, 116, BStBl II 2014, 295, Rz 32).
bb) Nach den Feststellungen des FG hatte der Kläger nicht (positiv) erkannt, dass in der von seinem Steuerberater vorbereiteten Steuererklärung dieselben Beträge doppelt angesetzt worden waren. Ihm war allerdings aufgefallen, dass die in Zeile 63 eingetragene Zahl mit der Summe der Eintragungen zu den Zeilen 61 und 65 identisch war. Dieser Umstand veranlasste den Kläger, in seine Steuererklärung für das Vorjahr (2005) zu schauen, in der er dieselbe Eintragungssystematik fand, die vom FA seinerzeit nicht beanstandet worden war. Aus diesem Grund nahm er auch die von seinem Steuerberater vorgenommene Eintragung in Zeile 63 hin, deren Erläuterungstext (freiwillige Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen, Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern) nicht zu dem von ihm verwirklichten Sachverhalt passte, zumal er davon ausging, die Zahlungen an das Versorgungswerk seien anstelle von solchen in die gesetzliche Rentenversicherung geleistet worden. Die Systematik der Berechnung der abziehbaren Altersvorsorgeaufwendungen war dem Kläger nicht bekannt.
cc) Diese --auf der persönlichen Anhörung des Klägers beruhenden-- Sachverhaltsfeststellungen lassen den vom FG gezogenen Schluss auf das Vorliegen von Leichtfertigkeit nicht zu.
(1) Anders als das FA in seiner Revisionserwiderung meint, gilt auch im Streitfall der Grundsatz, dass der Steuerpflichtige die von seinem Steuerberater vorbereitete Steuererklärung nicht in allen Einzelheiten nachprüfen muss. Nach Auffassung des FA soll dieser Grundsatz hier nicht anwendbar sein, da der Kläger seinen Steuerberater nicht darauf hingewiesen habe, dass die Bescheinigung des Versorgungswerks unvollständig gewesen sei. Damit habe er dem Steuerberater nicht alle erforderlichen Informationen verschafft.
Dem ist nicht zu folgen. Dem Kläger ist eine evtl. Missverständlichkeit oder unglückliche Gestaltung der Bescheinigung des Versorgungswerks sowie der Lohnsteuerbescheinigung nicht zuzurechnen. Vor allem trifft ihn in dieser Beziehung keine Leichtfertigkeit.
Dabei ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass es sich sowohl bei dem Arbeitgeber des Klägers (einem städtischen Klinikum) als auch bei dem Versorgungswerk (einer Körperschaft des öffentlichen Rechts) um Institutionen handelt, deren Bescheinigungen man --weder für sich genommen noch in ihrer Kombination-- nicht mit Misstrauen begegnen muss. Hinsichtlich der Lohnsteuerbescheinigung ist zudem auf den amtlichen Vordruck (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18. Oktober 2005, BStBl I 2005, 926, 930) zu verweisen, der dem Arbeitgeber von vornherein keine Differenzierung zwischen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und solchen an berufsständische Versorgungseinrichtungen ermöglicht, da für beide Kategorien nur ein einheitliches --zwingend zu verwendendes-- Feld existiert.
Beide Bescheinigungen waren zudem in ihrem unmittelbaren Er-klärungsgehalt zutreffend. So hatte insbesondere das Versorgungswerk die "auf Ihrem Konto im Jahr 2006 eingegangene Beitragssumme" mitgeteilt, was eine für sich genommen richtige Auskunft darstellt. Dieser Jahreskontoausweis war nur insofern geeignet, zu Missverständnissen zu führen, als er keinen Hinweis auf den Umstand enthielt, dass es sich bei dem Kläger um einen pflichtversicherten Arbeitnehmer handelte.
Gleichwohl genügte es, wenn der Kläger seinem Steuerberater die bei ihm vorhandenen --von vertrauenswürdigen Organisationen ausgestellten-- Belege übergab, zumal es sich um einen Dauersachverhalt handelte. Es würde die an einen Steuerpflichtigen zu stellenden Anforderungen überspannen, wenn man verlangen würde, derartige Belege, deren Text für sich genommen unstreitig zutreffend ist, darauf zu überprüfen, ob sie --für sich genommen oder in ihrer Kombination-- geeignet sind, zu einer Doppelerfassung zu führen. Dies gilt umso mehr, als die Identität der vom Versorgungswerk und vom Arbeitgeber bescheinigten Beträge auch von steuerrechtlich ausgebildeten Personen --dem Steuerberater des Klägers sowie dem Veranlagungs-Sachbearbeiter, dem beide Bescheinigungen jedenfalls für das frühere weitere Streitjahr 2007 unstreitig vorgelegen haben-- nicht erkannt worden ist, obwohl für 2007 im FA sogar eine "Intensivprüfung" der Steuererklärung der Kläger vorgenommen worden ist (vgl. zum Sachverhalt für das Jahr 2007 den ebenfalls in dieser Sache ergangenen Senatsbeschluss vom 14. Mai 2013 X B 33/13, BFHE 241, 9, BStBl II 2013, 997).
(2) Dies vorausgeschickt, war es zwar möglicherweise (einfach) fahrlässig, nicht aber leichtfertig, wenn der Kläger die von ihm erkannte Identität der Eintragungen in der Zeile 63 einerseits und den Zeilen 61 und 65 andererseits lediglich zum Anlass nahm, diesen Umstand mit der --vom FA unbeanstandet gelassenen-- Einkommensteuererklärung für das Vorjahr abzugleichen. Auch ein solcher Vorjahresvergleich stellt eine grundsätzlich geeignete --wenn auch wegen des Umstands, dass eine Nichtbeanstandung durch das FA nicht zwingend auf die Korrektheit der Steuererklärung schließen lässt, nicht ganz sichere-- Methode dar, eine fehlende Plausibilität der Eintragungen des Steuerberaters aufzudecken. Dass der Kläger nach durchgeführtem Vorjahresvergleich --der nicht zu einem Hinweis auf die objektive Unrichtigkeit der Eintragung geführt hatte-- seine Prüfung nicht fortsetzte, insbesondere keine Rückfrage an seinen Steuerberater richtete, kann nicht als leichtfertig bewertet werden, weil sich weitere Maßnahmen aus Sicht des Klägers nicht aufdrängten.
Hinsichtlich des Texts der Erläuterung zu Zeile 63 lässt sich der Niederschrift über die persönliche Anhörung des Klägers schon nicht eindeutig entnehmen, ob er den Widerspruch zwischen dem im Steuererklärungsformular enthaltenen Erläuterungstext und dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt bereits bei seiner Überprüfung der vorbereiteten Steuererklärung erkannt und für sich damit erklärt hatte, die entsprechenden Zahlungen seien anstelle von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet worden, oder ob diese Erklärung lediglich eine Reaktion auf den Vorhalt in der mündlichen Verhandlung vor dem FG darstellte.
Hätte der Kläger den Widerspruch bei Überprüfung der Steuererklärung nicht erkannt, wäre ihm dies jedenfalls nicht als Leichtfertigkeit vorwerfbar. Zum einen kommt ihm auch hier der Rechtsgrundsatz zugute, dass er aufgrund der vollständigen Verschaffung der erforderlichen Informationen nicht verpflichtet war, die vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen. Zum anderen ist gerade der für die Erklärung der Altersvorsorgeaufwendungen vorgesehene Abschnitt des Einkommensteuererklärungsformulars durch die Verwendung einer solchen Fülle einander sehr ähnlicher Fachbegriffe gekennzeichnet, dass ein Missverständnis, das einem steuerrechtlich nicht vorgebildeten Laien unterläuft, nicht stets als grob fahrlässig angesehen werden kann.
Für den Fall, dass der Kläger den Widerspruch zwischen dem Formulartext und seiner beitragsrechtlichen Situation bereits bei Überprüfung der Steuererklärung erkannt hätte, wäre seine weitere Aussage dahingehend zu verstehen, dass er auch insoweit einen Vorjahresvergleich vorgenommen habe, der zu dem Ergebnis geführt habe, dass in der Steuererklärung 2005 vergleichbare Angaben gemacht und vom FA nicht beanstandet worden seien. Dass der Kläger sich mit diesem Vorjahresvergleich begnügt hat, kann unter den im Streitfall gegebenen Umständen --wie oben bereits ausgeführt-- nicht als leichtfertig angesehen werden.
(3) Im Kern hält das FG dem Kläger vor, er hätte wissen müssen, dass dieselben Aufwendungen nicht doppelt geltend gemacht werden dürfen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass über dieselben Aufwendungen --in einem grundsätzlich ordnungsgemäßen Verfahren und von grundsätzlich vertrauenswürdigen Organisationen-- auch zwei Bescheinigungen ausgestellt worden sind. Der Kläger war berechtigt, die Beantwortung der Frage, wie diese Bescheinigungen in der Einkommensteuererklärung zu verwerten waren und wie die Altersvorsorgeaufwendungen nach der komplexen, gerade erst in Kraft getretenen Neuregelung durch das Alterseinkünftegesetz zu erklären waren, auf den von ihm beauftragten Steuerberater zu verlagern. Ihn selbst traf keine Pflicht zur ins Einzelne gehenden Überprüfung der vorbereiteten Steuererklärung, sondern nur eine überschlägige Prüfungspflicht. Diese Pflicht hat er, indem er nach Durchführung eines keine Auffälligkeiten zeigenden Vorjahresvergleichs von weiteren Ermittlungsmaßnahmen absah, jedenfalls nicht in leichtfertiger Weise verletzt.
c) Der Senat kann über die Frage der Leichtfertigkeit selbst entscheiden. Die vom FA und FG für ein leichtfertiges Handeln der Kläger vorgebrachten Umstände reichen aus Rechtsgründen für die Annahme von Leichtfertigkeit nicht aus. Da nicht ersichtlich ist, dass weitere tatsächliche Feststellungen getroffen werden könnten, die für ein leichtfertiges Handeln sprechen würden, bedarf es keiner Zurückverweisung an das FG.
3. Der von den Klägern darüber hinaus gestellte Antrag, "das Vorverfahren für notwendig zu erklären", ist in der FGO nicht vorgesehen. Soweit die Kläger mit dieser Formulierung beantragen wollen, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (vgl. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), sind sie darauf hinzuweisen, dass diese Entscheidung zum Kostenfestsetzungsverfahren gehört und der entsprechende Antrag daher beim FG zu stellen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juni 2002 X B 165/01, BFH/NV 2002, 1332, m.w.N.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.